Dienstag, 12 Mai 2015 00:00

„Wenn uan Türl zuageaht, geat an onders auf“

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s17 img062„Wenn uan Türl zuageaht, geat an onders auf“, so sagt es Luis Bertagnolli aus Naturns, und für ihn öffneten sich gleichsam große Tore, die sein Erwerbsleben erfolgreich und seine späteren Jahre so dankbar und zufrieden machten. Er konnte am 4. Mai sein 56-jähriges Hochzeitsjubiläum feiern.

von Maria Gerstgrasser

Luis Bertagnolli ist am 01.04.1936 in Burgstall geboren und besuchte dort die Pflichtschule.

Als Ältester von sechs Geschwistern wurde er schon früh zur Mitarbeit in der kleinen Landwirtschaft des Vaters herangezogen. Mit fünfzehn Jahren leistete er vollen Einsatz an der Tankstelle in Untermais, die er dann später selber übernahm und weiterführte. In dieser Zeit lernte er Erna Avi kennen und lieben. Sie war als Theaterspielerin bei der Volksbühne Meran sehr umschwärmt. Die ursprüngliche Abneigung ihres Ziehvaters gegen eine Verbindung mit Luis konnte ihre Liebe nicht schmälern und nicht vom gemeinsamen Lebensweg abhalten. Bald erkannte aber auch der Schwiegervater die unternehmerischen Fähigkeiten des Luis und holte ihn in seinen Betrieb. Dort musste er Vermessungen und Straßenbesichtigungen der Gemeinde Meran vornehmen und Ausbesserungen und Pflasterungen vornehmen.
Auf Wunsch der Frau machte er sich selbständig, und Erna hat sich der Büroarbeit verschrieben. Bald schon brauchten sie einen Geometer und eine Sekretärin, denn die Zahl der Mitarbeiter war auf über dreißig gestiegen. Die Auftragslage war gut, und der Arbeitsbereich ging weit über das Burggrafenamt hinaus. So kam Luis auch nach Naturns, wo er später seine zweite Heimat fand. Hier übernahm er dann viele Straßenarbeiten und Außengestaltungen.
Luis kam in Kontakt mit der hiesigen Jägerschaft, wurde dann in den Ausschuss gewählt und war einige Zeit Revierleiter. Gerne erinnert er sich auch an die Vereinsbälle und Konzerte der Musikkapelle, die damals in Ermangelung geeigneter Räumlichkeiten in der Sortierhalle des Obstmagazins abgehalten wurden. Er war der Erste, der auf Bällen in Naturns Hähnchen gegrillt hatte, Seine Frau Erna begleitete und unterstützte ihn, und sie wurde zur ersten Jägerballkönigin gekürt. Der letzte Jägerball im Obstmagazin wurde auf seine Initiative und Kosten als Erinnerung gefilmt.
Als Jäger in Naturns hegte er schon lange den Wunsch, sich ein Wochenendhäuschen zu errichten. Der Zufall spielte ihm völlig überraschend den Schankbetrieb „Waldschenke“ in die Hände. Nun eröffnete sich für Erna und Luis ein neues Arbeitsfeld. Sie bauten das Lokal großräumig um und verwöhnten die Gäste mit Grillspezialitäten, heimischen Gerichten und Getränken. Der sonntägliche Frühschoppen mit Musik war sehr begehrt und die Tanzabende mit Livemusik gut besucht. Frau Erna war unermüdlich in der Küche tätig. Durch sie wurde auch der jährliche Unterhaltungsnachmittag für die Altersheimbewohner auf Kosten des Hauses zur Tradition. Bedienung und Hausmeister lobten das familiäre Verhältnis mit dem Ehepaar Bertagnolli. Für die kleinen Gäste hatte Luis einen Streichelzoo errichtet. Verschiedene Papageien, Schneeeulen, Fasane und allerlei Kleinvogelarten waren zu bewundern und Zwergziegen mit Zicklein zu streicheln.
Beide, Luis und Erna, hingen mit Leib und Seele an der Waldschenke. Doch nach 30-jährigem Betreiben wurden sie ganz plötzlich von einem schweren Schicksal getroffen. Erna erlitt einen Schlaganfall, und für beide begann ein schmerzvoller Leidensweg. Die Waldschenke wurde veräußert. So konnte sich Luis ausschließlich seiner Frau widmen. Erna musste sich Wiederbelebungsversuchen und schweren Operationen unterziehen. Die Ärzte diagnostizierten irreversible Schäden im Gehirn. Aus Sorge um die bereits Todgeweihte durchlebte Luis bange Tage und Nächte. In Hochzierl wich er nicht von ihrer Seite, half den Ärzten und unterstützte während der sechs Monate die Rehabilitation. So wurde er mit Pflege und Therapien vertraut, was ihm sehr zum Vorteil gereichte. So konnte er daheim die Pflege seiner Frau selbst übernehmen. Trotz ersten Prognosen für den totalen Ausfall des Gedächtnisses, kann sich Erna heute erstaunlicherweise in Gespräche einbringen, mit Namen und Daten aufwarten oder diese mit Sicherheit berichtigen. Dieser Erfolg bestärkte die beiden in der Hoffnung, dass auch die Lähmungen in den Extremitäten therapierbar sind. So fährt Luis heute noch dreimal wöchentlich mit Erna zur Therapie.
Der Leidensweg mit Erna und der frühe Tod seiner einzigen Tochter haben Luis, den einstigen weitum bekannten Unternehmer aus dem großen Kreis der Kollegen herausgerissen. Nun lebt er zurückgezogen und ohne gesellschaftliche Verpflichtungen allein für seine Erna.
Und aus dem jungen Draufgänger, der, wie er selbst sagt, manchmal auch unbeherrscht und jähzornig sein konnte, ist nun ein geduldiger und dem Schicksal ergebener Mann geworden.


 

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