Spezial-Landwirtschaft: Sortenprüfung beim Apfel im Vinschgau, das Versuchszentrum Laimburg ist an vorderster Front!

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Welche Sorten haben im Vinschgau Zukunftspotential? Welche Sorten sind bereits versuchsmäßig im Anbau? Und welche Sorten sind die Top Neuheiten? Der Vinschgerwind konnte Walter Guerra und Gerold Frank vom Versuchszentrum Laimburg für einen Gastbeitrag gewinnen. Der Pomologe Guerra wurde 2018 in Venedig für den italienischen Obst- und Gemüsebau ausgezeichnet.

Gerold Frank, Walter Guerra, Versuchszentrum Laimburg

In den 90er Jahren sind vom Versuchszentrum Laimburg im Vinschgau die ersten Sortenneuheiten beim Apfel in einem Feld in der Ebene, dem sogenannten „Leaser“, am Rande der Etsch in Latsch ausgepflanzt und geprüft worden.
2005 folgte aufgrund der Ausweisung einer Wohnbauzone ein Standortwechsel der Versuchsfläche.
Es wurde eine Hanglage Richtung Tarsch ausgewählt, die sogenannte „Ackerwiesen“ (700 m ü. M.). Auf einer Fläche von ca. 1,5 ha werden sowohl Versuche im integrierten als auch im ökologischen Anbau durchgeführt. Auf zwei Drittel der Fläche befindet sich die Sortenprüfung der sogenannten “Teststufe 1”. Die restlichen 0,5 ha werden für spezifische Anbauversuche zu verschiedenen Düngevarianten, Einsaaten, u.a. im biologischen Anbau genutzt.

 

Aufnahmeprüfung Sortenneuheiten
In der Teststufe 1 stehen zurzeit 285 neue Sorten und 101 Klone von verschiedenen Sorten mit jeweils 5 Bäumen in Prüfung. Davon stammen 97 Sorten aus dem eigenen Züchtungsprogramm des Versuchszentrums Laimburg. Die weiteren Apfelsorten wurden aus diversen Züchtungsprogrammen aus aller Welt gewonnen. Im Durchschnitt dauert eine Testung in der ersten Phase fünf bis sieben Jahre. Die Sorten werden auf ihre Anbau- und Qualitätseigenschaften hin geprüft. Der Fokus dieser Testphase liegt vor allem in der Begutachtung der inneren und äußeren Fruchtqualität sowie der Lagerfähigkeit. Im Laufe der Vegetation werden verschiedene Erhebungen im Feld durchgeführt: Auswertungen zu Phänologie (Blühdaten), Wuchscharakter, Anfälligkeit auf verschiedene Krankheiten und Schädlinge. In der Erntezeit erfolgt bei den jeweiligen Sorten eine wöchentliche Reifebeurteilung, um den optimalen Erntetermin zu bestimmen. Bei der Ernte werden im Feld die Ertragsleistung und besondere Auffälligkeiten, z.B. physiologische Störungen wie Frucht- oder Blattflecken oder vorzeitiger Fruchtfall, festgehalten. Die Früchte werden am Versuchszentrum Laimburg sortiert, eingelagert und in bestimmten zeitlichen Abständen zur Verkostung und zur Analyse ausgelagert. Es erfolgt dabei die Kontrolle der äußeren Qualität wie Attraktivität, Fruchtform, Ausfärbung und Fruchtschalenbeschaffenheit. Mit einer destruktiven Messmethode werden Festigkeit, Zucker- und Säuregehalt der einzelnen Muster analysiert. Die Ergebnisse aller Erhebungen werden in einer Datenbank gesammelt und über mehrere Jahre hinweg lässt sich aus der Summe von Daten und Beobachtungen ein Sortenprofil erstellen.

Nur wenige Sorten kommen in höhere Prüfstufe
Entsprechen die Qualitätseigenschaften der Sorten den Anforderungen, wird die erste Testphase in die sogenannte „Teststufe 2” erweitert. In dieser zweiten Phase werden pro Sorte 50 bis ca. 500 Bäume ausgepflanzt.
Es ist besonders wichtig, Sorten in verschiedenen Höhenlagen zu testen, weil sie im Hinblick auf bestimmte Merkmale wie Ausfärbung, Fruchtgröße, Geschmack u.a. sehr unterschiedlich reagieren können.
Im Vinschgau verfügt der Agrarbetrieb Laimburg über eine weitere größere Anbaufläche, in der auch Versuche durchgeführt werden. Das höher gelegene Testfeld liegt in Schluderns (900 m ü. M.). Weiters erfolgt die Sortenprüfung in Teststufe 2 im vom Sortenerneuerungskonsortium SK Südtirol koordinierten Versuchsfeld in Tschars (500 m ü. M.) und des öfteren auch in Privatbetrieben.
An den Standorten der Versuchsfelder werden spezifische Versuche zum Anbau- und Lagerverhalten, sowie gezielte Erhebungen zu deren Anfälligkeiten gegenüber Krankheiten und Schädlingen in Kombination mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmittelstrategien durchgeführt. Mit Blick auf die Nachhaltigkeit steigen die Anforderungen an die Sorten. Immer mehr im Vordergrund stehen Sorten, welche Resistenzen aufweisen und robust gegenüber verschiedenen Krankheiten und Schädlingen (z.B. Schorf und Mehltau) sind. Die Sorte Bonita ist beispielsweise ein schorfresistenter Apfel. Weitere schorfresistente Sorten, die vom Versuchszentrum Laimburg getestet wurden und bereits angebaut werden, sind SQ 159 mit der Marke Natyra® und die rotfleischige Sorte R 201 – Kissabel®.
Die Teststufe 2 erfolgt in Zusammenarbeit zwischen Versuchszentrum Laimburg, Sortenerneuerungskonsortium SK Südtirol, dem Südtiroler Beratungsring (SBR) und dem Verband s32 Foto 2 Sortenbegehung im Versuchsfeld in Tschars 2019der Vinschgauer Produzenten für Obst und Gemüse (VI.P). Neben den technischen Versuchsdaten und Erfahrungen sind das Sorteninnovationsmanagement, das heißt die Kontakte und Vernetzungen zu den jeweiligen Sorteninhabern grundlegend, um bereits bestehendes Know-how zu nutzen und spezifische Probleme der Sortenneuheit unter heimischen Anbaubedingungen gezielter zu untersuchen. Die Zusammenarbeit ermöglicht die Sicherung von exklusiven Sortenrechten zu den sogenannten „Clubsorten“.

 

Endspurt Sorten vor Markteinführung
Es folgen Anpflanzungsprogramme, welche in einer dritten Teststufe durchgeführt werden. Bei privaten Betrieben in unterschiedlichen Höhenlagen werden größere Sortenblöcke mit bis zu einigen tausend Bäumen der neuen Sorten ausgepflanzt. Durch die hohe Baumanzahl können größere Mengen an Äpfeln produziert und Konsumententests durchgeführt werden. Weitere Versuche und Beobachtungen werden an diesen Standorten gemacht, bis die Sorten schlussendlich alle Prüfungen bestanden haben. In den letzten fünf Jahren sind etliche Sorten und Klone in die Sortenempfehlungsliste der VI.P aufgenommen und als „Clubsorten“ in den Markt eingeführt worden.
Zu den vor einigen Jahren eingeführten Clubsorten zählen Scilate - Envy®, Shinano Gold - yello®, Nicoter - Kanzi®, Ambrosia und die resistenten Sorten R 201 - Kissabell® (Rotfleischig), Bonita, SQ 159 – Natyra®. Mit den beiden jüngsten Sortenneuheiten erweitert sich das Sortiment für nahezu alle Anbaulagen im Vinschgau.

 

Top Neuheiten
Die erst kürzlich lancierten Sorten entstanden aus amerikanischen Züchtungsprogrammen in Washington State und Minnesota. Es handelt sich um WA 38 mit dem Markennamen Cosmic Crisp® (Bild links) und um die Sorte Minneiska mit dem Markenamen Sweetango® (Bild rechts). Bis s32 Cosmic sweet2022 werden nach Anbauprogramm der VI.P rund 170 ha WA 38 und 50 ha Minneiska im Vinschgau im Anbau stehen. Trotz kürzerer Testphase als üblich sind nach Einschätzung der Experten beide Sorten vielversprechend. Die geschmacklichen Besonderheiten sind die feine Textur in Kombination mit der hohen Saftigkeit und Knackigkeit. WA 38 reift in mittleren Lagen ca. eine Woche nach Golden Delicious (Ende September). Der optimale Anbau dieser Sorte ist aus heutiger Sicht in fast allen Lagen im Vinschgau empfehlenswert, auch auf über 900 m Meereshöhe. Die Sorte Minneiska ist vor allem für mittlere und höher gelegene Anbaulagen geeignet. Der Reifezeitpunkt ist mit zehn Tagen vor Gala sehr früh angesiedelt, was bedeutet, dass in hohen Lagen wie z.B. in Schluderns etwa Ende August geerntet wird. Die bessere Fruchtausfärbung kann bei dieser Sorte in hohen Lagen große Vorteile bringen.

Der Weg von der ursprünglichen Bestäubung bis zur Markteinführung einer Sorte ist sehr zeitaufwendig und arbeitsintensiv. Nur das Zusammenspiel verschiedener Fachleute der unterschiedlichen Institutionen der Obstwirtschaft ermöglicht eine innovative, zukunftsweisende und nachhaltige Entwicklung und Einführung neuer Apfelsorten.

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