Dienstag, 22 Januar 2013 00:00

„I hoff, dass si eppas fa miar hoobm“

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Portrait - Franz Schöpf, Jahrgang 1921, Schleis

s15_0335In der Stube tollen seine drei Urenkel umher. Lächelnd verfolgt der 92-jährige Franz Schöpf das fröhliche Treiben von seinem Rollstuhl aus. Hie und da schiebt er sich zum Keyboard und spielt darauf. „Viel tua i iaz nimmr, i loss di Kinder zui“, sagt er, und sein Strahlen verrät, dass ihn das Interesse der Kleinen freut. „I hoff, dass si eppas fa miar hoobm“, meint er. Sein Leben war von musikalischem Schaffen geprägt. Geweckt wurde sein Talent in der Stilfser Pfarrkirche, wo er als Sohn der Mesner-Familie regelmäßig dem Orgelspiel lauschte, das ihn faszinierte.

Schon bald entlockte er den Pfeifen die ersten Töne. Der Lehrer, Organist und Chorleiter Leonhard Paulmichl erkannte sein Talent und schickte ihn zu einer sechsmonatigen Ausbildung ins Pustertal. Am Pfingstmontag 1935 gab der 14-jährige Franz sein Debüt in der Kirche bei den Hl. Drei Brunnen in Trafoi. Nachdem Paulmichl von den Faschisten in eine italienische Provinz verbannt worden war, trat Franz in dessen Fußstapfen als Organist und Chorleiter. Nebenbei  begann er eine Ausbildung als Flügelhorn-Bläser in Schlanders und wurde mit 18 Jahren Kapellmeister der 20 Mann-starken „Stilfser Musi“. Obwohl es die Faschisten nicht gerne sahen, führte er die musikalischen Traditionen weiter. Zum Jahreswechsel zog er mit seinen Sängerinnen und Sängern aus und trug vor jeder Haustür das „Stilfser Neujahrslied“ vor. Nach dem Kriegsausbruch 1939  lichteten sich die Reihen und die Sänger, alle Optanten genauso wie er, zogen in den Krieg.  Franz blieb vorerst verschont. Er sang Stilfser Lieder vor den Mikrophonen von Alfred Quellmalz. Dieser sammelte das „Ahnen-Gut“. 1942 erhielt auch Franz die Einberufung.  Betroffen verabschiedeten ihn die Chormitglieder  am Spondinger Bahnhof  mit einem Lied, das in Tränen erstickte.  Franz kam nach „Monte Casino“. „Dies isch di Höll gwesn“, meint er. Wie durch ein Wunder überlebte er mit schwersten Schussverletzungen. Im Lazarett erfuhr er, dass sein Arm steif bleiben würde.  „Obr i honn miar nit unterkriegn glott“, meint er. Wieder daheim  übte er an der Orgel, bis er zurechtkam. Schon bald spielte er wieder so gut, dass er an vielen Orgeln im Tal als Aushilfe einspringen konnte. Als Autodidakt  brachte er sich das Ziehharmonika-Spielen bei. Vom scheidenden Pfarrer ließ er sich 1948 überreden, mit ihm nach Schleis zu ziehen.  Am Dreikönigstag 1948 saß Franz erstmals an der Schleiser Orgel und begleitete den Chor, mit dem er schon bald das Stilfser Neujahrslied einstudierte. Seither wird dieses auch in Schleis gesungen. 1949 gründete er die Musikkapelle Schleis und war treibende Kraft in der Theatergruppe. Er lernte seine spätere Frau Hilda Christandl kennen. „Dr Pforrer hott fescht kuppelt, weil er gwellt hott, dass i bleib“, erinnert er sich. Ein Jahr nach der Hochzeit  kam Tochter Hilda zur Welt. Die Freude war groß, genauso  groß wie später das Leid nach einer Früh- und einer Todgeburt. Es schmerzte ihn sehr, als er das tote Kind heimlich in die Friedhofserde legte. Denn  den Ungetauften verwehrte die Kirche damals noch einen Platz in der geweihten Erde. Mit dem Stammhalter Elmar kehrte die Freude zurück. Die Familie lebte inzwischen in einem eigenen Haus, Hilda vermietete Gästezimmer und Franz  führte seinen  kleinen  Laden am Schleiser Hauptplatz. „Solz und Tabak hot mai Frau  mit dr Radlpeeg af Mols gholt“, sagt er. Später erwarb sie den Führerschein, was Franz wegen der Behinderung verwehrt blieb. Das eigene Auto erleichterte das Leben. Abwechslung und Freude fand Franz beim regelmäßigen  Musizieren.  Er spielte die Ziehharmonika im legendären  „Trio Jörg“. Zusammen mit dem Zitherspieler Florian Jörg aus Burgeis und dem Gitarristen Johann Thanei aus Matsch trat er landauf landab auf. „Selm sain miar ollm ersch spaat Hoam kemman“, erzählt er. Die Kriegsverletzungen holten ihn ein.  Der linke Fuß machte nicht mehr mit und wurde amputiert. Er musste kürzertreten. Orgel spielte er jedoch weiterhin, trotz der erneuten Einschränkung. Schon kurz nach der Operation trugen ihn  Männer auf die Empore. Seit fünf Jahren ist der Rollstuhl sein Begleiter. Franz weiß, dass es eine Frage der Zeit ist, bis er seiner vor sechs Jahren verstorbenen Frau folgen wird. Er nimmt es gelassen. „Bis zur Erstkommunion fa dr Marion will i unbedingt nou leebm“, verspricht er. Für einen Moment hält die kleine Rasselbande inne. Dann tollen die Kleinen erneut um ihren Urgroßvater in der Stube umher.

Magdalena Dietl Sapelza

Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau


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