Schulreife – manchmal eine schwierige Entscheidung

geschrieben von Ausgabe 2-19

s22sp34 Gabi TschollGastkommentar - Innerhalb Januar laufen die Schuleinschreibungen für die Grundschule.  
Vorausgegangen sind die Entwicklungsgespräche zwischen Eltern und Fachpersonal im Kindergarten. Die Erkenntnisse daraus und die persönliche Einschätzung des eigenen Kindes bilden die Entscheidungsgrundlage für oder gegen eine Schuleinschreibung.

Bei einzelnen Kindern bestehen Zweifel bzgl. der Schulreife. Dies bringt für die Eltern eine intensive, oftmals belastende Zeit des Nachdenkens und Abwägens mit sich.

Der Begriff Schulreife wurde in den letzten Jahren durch die Begriffe Schulfähigkeit und Schulbereitschaft ersetzt. „Ist das Kind fähig und bereit ein Schulkind zu werden?“
Für den Schuleintritt, möglich zwischen 5. und 7. Lebensjahr (abhängig vom persönlichen Entwicklungsstand des Kindes) sind folgende Basiskompetenzen besonders wichtig:
• soziale Kompetenz (warten können bis man an der Reihe ist; Rücksicht nehmen können; Regeln befolgen können; anderen Kindern helfen; mit anderen in Kontakt treten und angemessen reagieren können; seinen Platz in der Gruppe finden)
• emotionale Reife (Interesse; Erfolgsmotivation (Bereitschaft zur Anstrengung);  Aufmerksamkeit, Impulskontrolle; Ausdauer; Selbständigkeit; Frustrationstoleranz (Aushalten von Fehlern); altersgemäße Risikoeinschätzung, psychische Stabilität)
• kognitive Reife (Denkoperationen durchführen können; Merk-und Speicherfähigkeit z.B. Zahlenreihen nachsprechen, mehrere Bildinhalte merken; Grundfunktionen der Wahrnehmung  v.a. optische und akustische Unterscheidung, Raumorientierung, sich selbst spüren, berühren und Bewegungsempfinden; numerische Fähigkeiten z.B. Mengen- und Zahlenverständnis, Größer-Kleiner Vergleich)
• körperliche Reife (allgemeiner Entwicklungsstand; Gesundheitszustand z.B. Allergien, Anfälligkeit für Infektionen; Körpergröße und Proportionen; neurofunktionelle Reifung; motorische Geschicklichkeit(Grob- und Feinmotorik))
• sprachliche Kompetenz (sprachbezogene kommunikative Kompetenz, d.h. verständliche, korrekte Sprache, Wortschatz, Wort- und Satzbildung, angemessene Verwendung von Worten und Sätzen in sozialen Interaktionen)

Diese Faktoren zusammen machen die Schulreife eines Kindes aus und sind zugleich die Lernvoraussetzungen für den Erwerb der Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen.
Wenn ein Kind in einer oder mehreren Basiskompetenzen Entwicklungsrückstände aufweist sollte es auf jeden Fall die Zeit erhalten, die es für seine eigene Entwicklung braucht. Dafür kann es nötig sein, das Kind ein Jahr länger im Kindergarten zu lassen.
Jedes Kind hat sein eigenes Entwicklungstempo und benötigt dafür seine eigene Reifungszeit. Es kann durchaus sein, dass ein Kind in seiner kognitiven Reife soweit ist, dass es bereits im Kindergarten lesen kann, aber noch Mängel in der motorischen Geschicklichkeit aufweist, beispielsweise beim Balancieren. Ganz oft unterschätzt wird die emotionale Kompetenz, besonders bei kognitiv sehr entwickelten Kindern. Der Schulalltag, der nach bestimmten Regeln ablaufen muss und messbare Leistungen verlangt erzeugt bei manchen Kindern Stress, dem sie noch nicht gewachsen sind. Eine mögliche Folgeerscheinung kann Bettnässen sein.

Ich möchte Eltern dazu ermutigen, zum Wohle ihres Kindes zu entscheiden. Lassen sie sich nicht von Argumenten, die von außen an sie herangetragen werden, unter Druck setzen. Sie kennen ihr Kind am besten. Aussagen wie „ein Kind, das zurückgestellt wird, ist zurückgeblieben oder „Zurückstellen ist heute eine Modeerscheinung“ sind schlichtweg Vorurteile.

Weist ein Kind leichte Defizite in einer Basiskompetenz auf, kann gezielte Förderung, mit der man am besten noch während der Kindergartenzeit beginnt dem Kind helfen, diese Entwicklungsschritte nachzuholen (wie z.B. einen Mannschaftssport, wenn es um die soziale Kompetenz geht; eine spezielle musische Förderung, wenn es um die Wahrnehmung von akustischen Reizen geht; Reitpädagogik, wenn es um Bewegungsempfinden und Raumorientierung geht).

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