Mittwoch, 27 Juni 2012 00:00

„...Zeit für Veränderungen“

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 s7_1362Interview - Arnold Schuler

Der Landtagsabgeordnete Arnold Schuler wird als möglicher Landesrat-Nachfolger von Michl Laimer in die Warteschleife geschickt.  Im Interview geht Schuler mit der Politik von LH Luis Durnwalder hart ins Gericht, mahnt Reformen  in vielen Bereichen an und verknüpft einen möglichen Wahlerfolg der SVP mit neuen, „interessanten“ Landtagskandidaten.

Interview und Fotos: Erwin Bernhart

Vinschgerwind: Herr Schuler, spielen Sie Schach?
Ab und zu.

Auf Ihrer Facebookseite ist ein Schachspiel zu sehen, einige Figuren tragen Köpfe aus dem Landtag. Was hat es damit auf sich?
Politik ist wie ein Schachspiel, weil auch in der Politik Figuren bewegt werden, um bestimmte Interessen durchzusetzen. Anhand dieses Beispiels wollen wir zeigen, wie das politische System eigentlich funktioniert. Manche Parteistrategen denken immer mehrere Züge voraus.

Der Landeshauptmann ist in Ihrem Schachspiel als König dargestellt. Der König bewegt sich auf dem Schachbrett allerdings kaum.
Aber er ist die entscheidende Figur. Sieg oder Niederlage hängen beim Schach davon ab, ob der König matt gesetzt werden kann. Der König ist die wichtigste und die stärkste Figur im Schachspiel.

Wie wichtig sind die neuen Medien, Facebook usw. für den Politiker Schuler?
Ich finde die sehr wichtig und sie werden immer wichtiger. Man kann damit auch junge Leute erreichen. Man hat die Möglichkeit, Botschaften zu vermitteln, auch über einfache Bilder.

Wie wichtig ist Humor in der Politik?
Es gibt den Ausspruch: Wenn du in der Politik etwas weiterbringen willst, benötigts du vier Hs. Das erste H steht für Hirn, das zweite für Herz, das dritte für Hände und das vierte für Humor. Je länger ich in der Politik bin, sehe ich den Humor immer wichtiger werden. Wenn man bestimmte Sachen nicht mir Humor sehen kann, hat man es sehr schwer in der Politik.
Dass Sie als Nachfolger für den zurückgetretenen Landesrat Michl Laimer von den SVP-Bezirken Burggrafenamt und Vinschgau gefordert werden, dürfte für Sie eine späte Genugtuung sein. Laimer bekam bei den Landtagswahlen 2008 knapp 12.000 Vorzugsstimmen und Sie schafften auf Anhieb mehr als 17.000.
Von einer späten Genugtuung gegenüber Michl Laimer kann man sicher nicht reden. Es wäre damals möglich gewesen, zwei neue Landesräte zu berufen. Das hat man nicht getan. Um nicht jemand Neues nehmen zu müssen, das möchte ich klar sagen, hat man die Landesregierung von 11 auf 9 reduziert. Es wäre insofern eine späte Genugtuung, weil ich im Laufe der Legislatur auf einige Posten oder Ämter verzichtet habe. Damit bin ich eine riskante Strategie gefahren, weil mich, wenn schon, die Landesregierung interessiert hat, weil man als Landesrat etwas bewegen kann. Sollte ich nun in die Landesregierung berufen werden, hätte ich es mit meiner Strategie richtig gemacht.

Es schaut so aus, als ob es gelingen könnte...
Es schaut zumindest danach aus. Der Kompromiss im Parteiausschuss, im Jänner nachzubesetzen, hat eben zur Folge, dass der Landtag diese Woche vorerst eine Reduzierung der Landesregierung beschließen wird. Über die tatsächliche Nachbesetzung beziehungsweise über eine Regierungsumbildung wird erst zu einem späteren Zeitpunkt entschieden.

Ist dann die Nachbesetzung im Jänner ein fauler Kompromiss?
Aus meiner Sicht wäre es wichtig, die Stelle des Landesrates sofort nachzubesetzen. Die Bereiche Raumordnung und Energie sind sehr wichtige Bereiche. Wenn man daran denkt, dass der Landesraumordnungsplan, eines der wichtigsten Instrumente im Lande, seit 2004 verfallen ist. Derzeit ist ein neues Raumordnungs-Gesetz in Ausarbeitung. Im Bereich Energie liegen Hunderte von Ansuchen auf, die nicht behandelt werden, Spitzenbeamte sind in Pension gegangen. Deshalb wäre es wichtig, die Position, unabhängig von meiner Person, rasch zu besetzen. Das Hinauszögern ist rein aus Sicht der Verwaltung alles andere als eine gute Lösung.

LH Luis Durnwalder tut sich schwer mit Veränderungen. Wie beurteilen Sie dieses Zaudern?
Was die Zusammensetzung der Regierungsmannschaft anbelangt, hat er wenig Veränderungen vorgenommen beziehungsweise zugelassen. Durnwalder hat seine Art von Politik. Diese hatte über Jahre ihre Vorzüge und die hat sie noch. Es ist eine neue Zeit angebrochen, vieles ist im Umbruch. Die Haushaltspolitik etwa. Der Haushalt wird zurückgefahren werden müssen. Da braucht es Reformen.

Sie werben auf Ihrer Webseite mit „Es ist Zeit für Veränderung“. Sie sind seit knapp vier Jahren im Landtag. Haben Sie etwas verändert und was meinen Sie konkret mit Veränderungen?
Im Bereich der Gemeinden, des Wohnbaus, der Ortskerne, des schnellen Internets, des Bürokratieabbaus ist es gelungen, einiges zu bewegen. Ich meine aber auch insgesamt eine offenere, transparentere Politik. Große Bereiche wie die Raumordnung, die Wohnbaupolitik müssen von Grund auf hinterfragt werden. Aber auch die ganze Haushaltspolitk. In den Gemeinden war es auch so, dass Kapitel einfach aufgestockt worden sind, weil Geld vorhanden war.

Die Schulden im Lande haben aber die Gemeinden gemacht.
Das stimmt nur zum Teil. Das Finanzierungssystem der Gemeinden war auf Verschuldung aufgebaut. Sogenannte Landesbeiträge für Bauten waren in Wirklichkeit Darlehen, die die einzelnen Gemeinden oder die Gemeinden insgesamt zurückzaheln. Das war ein Teufelskreis. Das hat soweit geführt, dass ausgerechnet jene Gemeinden, die keine Schulden gemacht haben, schlechte Verwalter waren, weil sie den anderen Gemeinden die Schulden abzahlen helfen. Die Sache ist etwas kompliziert. Tatsache ist, dass wir die am meisten verschuldeten Gemeinden in Italien haben, mit einer Restschuld von insgesamt 1,2 Milliarden Euro, mit allein 60 Millionen Euro an Zinsen pro Jahr. Dieser Umstand wird in den nächsten Jahren noch zu einigen Schwierigkeiten führen. Dass es soweit gekommen ist, wäre bei den Landeshaushalten der letzten Jahre sicher nicht notwendig gewesen.

Zurück zur Raumordnung und Energie. Beide Ressorts sind schwierig. Wo würden Sie Ihre Schwerpunkte setzen?
Es ist Kennzeichen der Politk in der Vergangenheit, dass man auf weitreichende Planungsinstrumente, wie es der Raumordnungsplan einer sein könnte, keinen großen Wert gelegt hat. Man hat dies sogar als Hemmschuh angesehen. Die Stärke unseres Landeshauptmannes waren und sind ja die ad hoc Entscheidungen. Die kann er wie kein anderer. Das passt allerdings mit langfristigen Planungen nicht zusammen.

Was würde der Landesraumordnungsplan regeln?
Die gesamte Entwicklung - Baugrund, Verkehrsnetz bis zu den Bauleitplänen der Gemeinden - würde sehr umfangreich geregelt. Strategische Ziele würden besser formuliert werden müssen, beim Sportstättenplan zum Beispiel, bei Schwimmbädern und in vielen anderen Bereichen. Bisher war es ein regelrechter Wettbewerb zwischen den Gemeinden.

Zur Energie: „Das Wasser gehört dem Land. Nur wer ist das Land?“ Diese Frage stellen Sie auf Ihrer Homepage. Wer ist denn nun das Land?
Wir alle. Es kann doch nicht sein, dass gesagt wird, „wir Land“, „ihr Gemeinden“ und dort die Bürger. Diese drei gehören zusammen. Die Argumentation, dass das „Land“ entscheidet, oder dass dem „Land“ irgendetwas gehört, habe ich nie verstanden. Da muss sich auch in der Denkweise etwas ändern.

Welche Änderungsvorschläge haben Sie konkret im Energiebereich?
Man hat eines total verkannt: Man hat auf das böse Rom geschimpft und vergessen, dass nicht nur Wunden in die Natur geschlagen worden sind, sondern auch Wunden in die Seelen der Leute. Man hat die Chance verpasst, die Leute miteinzubeziehen, man hat stattdessen die SEL aufgebaut. Ich will nicht die SEL als solche in Frage stellen, aber die Art und Weise, wie man vorgegangen ist. Auf dem hohen Ross ist man dahergekommen, auch die SEL-Spitze. Das hat dazu beigetragen, dass die SEL eine der Gesellschaften ist, die am negativsten gesehen wird, obwohl sie eine große Chance gewesen wäre. Das hat man total vermasselt. Über die Gemeinden, über Genossenschaften und ähnliche Strukturen hätte man andere Wege beschreiten können. Das wieder gut zu machen ist sicher sehr schwer.

Aber möglich?
Möglich sicher. Über die Verträge mit ENEL und mit Edison sind zwar viele Vorentscheidungen gefallen und Spielräume sind eingeengt. Einiges ist aber sicher noch machbar.

In Sachen Direkte Demokratie hat es den Anschein, als ob Arnold Schuler für die SVP nach außen den Kopf hinhalten muss. Macht Ihnen die Partei- oder Fraktionsdisziplin zu schaffen?
In diesem Punkt nicht so sehr. Politik ist ein Ringen um Kompromisse. Da hat mir gefallen, was der Grüne EU-Parlamentarier Gerald Häfner gesagt hat, dass in Sachen Direkte Demokratie zum Beipiel in den Bundesländern Deutschlands, wenn nicht 100 Prozent, so doch etwas erreicht werden konnte. Die Meinungen gehen bei dieser Materie zwangsläufig auseinander, auch innerhalb der SVP. Leider war kein Handreichen von Seiten der Initiativgruppe für die Direkte Demokratie in Aussicht. Es hätte parteiintern jenen Kräften helfen können, die noch einen Schritt weiter gegangen wären.

Wie geht es in Sachen Direkte Demokratie weiter?
Die Generaldebatte hat im Landtag stattgefunden. Es wurde die Entscheidung getroffen, dass von den vier Gesetzesvorschlägen jener der SVP in dieser Woche in die Artikeldebatte gehen wird und ich gehe davon aus, dass das Gesetz im Juli verabschiedet wird. Dann soll das Volk entscheiden, ob dieses Gesetz gut gehen wird. Ich sage, dass es, außer in der Schweiz, kein weitreichenderes Gesetz zur Direkten Demokratie in Europa gibt.

Noch eine Frage zur Parteianalyse: Abgesehen von einem möglichen für die SVP maßgeschneiderten Wahlgesetz und abgesehen davon, dass Luis Durnwalder als Zugpferd möglicherweise nicht mehr zur Verfügung steht – wie kann die SVP 2013 die absolute Mehrheit an Mandaten im Landtag halten?
Es gibt einen entscheidenden Faktor: Wenn es gelingt, rechtzeitig vor den Wahlen eine Aufbruchstimmung zu erzeugen und mit interessanten Kandidaten Spannung in die Vorwahlen und dann in den Wahlkampf zu bringen, dann ist die absolute Mehrheit ohne weiters nochmals zu schaffen.

Inhaltlich?
Das eine hat mit dem anderen zu tun. Die Politik lebt immer von neuen Hoffnungsträgern. Wenn es gelingt, mit neuen Hoffnungsträgern zu starten, auch in der Frage der Nachfolge des Landeshauptmannes, auch in der Frage einer neuen Landesregierungsmannschaft, und eine Aufbruchstimmung zu erzeugen, dann geht’s.


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