Mittwoch, 18 April 2012 00:00

„Es müsste noch viel mehr unter Schutz gestellt werden“

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s36_5964Albrecht Ebensperger ist Südtirols Fachmann für Altbausanierung schlechthin. Niemand im Land hat so viele Ruinen,  Burgen, Schlösser, Stadtmauern, Ansitze, Brücken, Bauernhöfe... saniert wie er.

von Magdalena Dietl Sapelza

Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau

„Von 30 Burgen in Südtirol sind es 25, die wir saniert haben“, sagt Albrecht Ebensperger.  Mit seiner Baufirma, 1982 gegründet unter dem Namen „Edil Art“, zusammen mit einem Gesellschafter und ab 1990 als Familienunternehmen, nimmt er sich hauptsächlich alter Bauwerke an. Mit Gespür für historisch Gewachsenes sicherte er im Laufe der Jahre eine Vielzahl an wertvoller historischer Bausubstanz für die kommenden Generationen. Das ist eine Genugtuung für ihn und seine Mitarbeiter. Derzeit beschäftigt er 15 motivierte junge Burschen aus dem Vinschgau, die fast alle bei ihm die s38_Siegmundskrons38_OlangLehre absolviert haben. Er arbeitet mit gräflichen Bauherren und mit den Fachleuten des Landesdenkmalamtes zusammen. Geschätzter Weggefährte war Ex-Landeskonservator Helmut Stampfer. Enge Freundschaften verbinden ihn mit Graf Enzenberg, Besitzer vieler Anwesen und mit Baron Albrizzi, dem Herrn der Haderburg. Die meisten der Objekte, mit denen er es zu tun hat, sind denkmalgeschützt, aber nicht nur.  „Bauherren mit Sensibilität  gibt es in unserem Land gottlob sehr viele“, sagt er. Dass viele alte Bauwerke nicht gerettet werden konnten und der Bauwut zum Opfer gefallen sind und immer noch fallen, schmerzt Ebensperger. „Es müsste noch viel mehr unter Schutz gestellt werden“. Neben landschaftsprägenden Höfen und dorfprägenden Häusern nennt er die Jugendstilbauten der Jahrhundertwende, die vielen Bunker und auch die Bauten aus der Faschistenzeit. „Auch diese Bauten sind Zeugen unserer Geschichte, wenn sie auch in leidvoller Zeit entstanden sind. Tatsache ist, alle diese Bauten sind schutzlos, und das ist sehr schade“, so Ebensperger. 
Besonders bedrückt ihn zuschauen zu müssen, wie  uralte Bauernhöfe der Reihe nach dem Abriss zum Opfer fallen und Teile der bäuerlichen Kultur verschwinden. Und Ebensperger nimmt sich kein Blatt vor den Mund, so ganz im Stil seines Theaterstückes  „Südtirol, das Niemandsland“, mit dem er in den 1970er Jahren als angehender Theaterwissenschaftler den Südtirolern den kritischen Spiegel vorgehalten hat. Hitzige Diskussionen, Proteste und persönliche Kränkungen musste er damals aushalten. Doch diese Erfahrung hindert ihn heute nicht, klar Position zu beziehen. „Was wir in den vergangenen 20 Jahren niedergerissen, vernichtet und neu aufbetoniert haben, ist unglaublich. Vieles ist unwiederbringlich zerstört. Das ist eine Kulturschande. Als einen der Gründe für die Zerstörungswut sieht Ebensperger den mangelnden Bezug zur eigenen Geschichte. „Das Ganze ist eine Bildungsfrage“, erklärt er. „Junge Menschen sind zwar in Chemie, Pflanzenschutz und Gewinnmaximierung bestens ausgebildet, lernen aber kaum etwas über ihre geschichtlichen Wurzeln. Sie lernen nur abreißen und wieder aufbauen und wissen nicht, was sie damit kaputt machen. Es fehlt das Gespür für die Kulturlandschaft und der Respekt für die Ahnen. Unterstützt, ja  gar gesetzlich gefördert wird diese Zerstörungswut durch die Verpflichtungen, alte Gebäude abzureißen., z. B. wenn  eine Hofstelle erichtet werden soll. Vor dem Gesetz ist so ein Hof lediglich Kubatur, kein Kulturgut“, ärgert sich Ebensperger. „Andererseits, so paradox es klingen mag, gibt es europaweit kein Land, das Sanierungen an denkmalgeschützten Gebäuden finanziell so hoch fördert und durch Fachleute des Landesdenkmalamtes so intensiv beratend begleitet, wie das s38_goyens36_licht82unsere.“ Von einem alten Hof bleibt oft nur noch die Jahreszahl übrig. Es ist bedauerlich, dass eine Generation über alles drüberfährt, obwohl die Hoffnung besteht, dass künftige Generationen mehr Sensibilität zeigen und die Werte erkennen könnten. Wenn Höfe heute unbewohnt in den „Dornröschenschlaf“ fallen, könnte das, so gesehen, ein Vorteil sein. Denn sie bleiben erhalten. Seinen Schülern in der Baumeisterschule in Bozen vermittelte Ebensperger in 15 Unterrichtsjahren immer wieder Folgendes: „Alles, was wir im Altbau verändern, ist minderwertiger als das, was an originalem Bestand vorhanden ist.“ 

s38_Albrizzis38_SterzingZu den historischen Gebäuden, die tief in der Vergangenheit und mit dem Leben der Ahnen verwurzelt sind, hat Ebensperger seit jeher eine besondere Beziehung.
Burgruinen ziehen ihn magisch an. Bereits in seiner Kindheit saß er oft stundenlang auf den bröckelnden Mauerresten von Ruinen. Er betrachtete das oft brüchige Mauerwerk, spürte dem Hauch der Geschichte nach, sinnierte und genoss die Ruhe. Während seiner Militärzeit in Eppan hielt er sich oft auf Schloss Sigmundskron auf und ärgerte sich über den desolaten Zustand der Ruine. Er empfand Unbehagen und das Bedürfnis, etwas dagegen zu tun. Dass er später einmal seinen Beitrag zur Sanierung von Sigmundskron leisten würde, daran wagte er zu diesem Zeitpunkt nicht zu glauben.
Er  war Student  der Theaterwissenschaften, Kunstgeschichte und Ethik als Nebenfächer in München. Ebenspergers Berufsweg hin zum Maurermeister und Baubiologen führte über einen Umweg.

s38_Gewolbebaus38_gewoelbeEs war die Burgruine Schloss Lichtenberg, die ihm 1980 die Richtung vorgab. Damals hatte es sich eine Gruppe Prader und Lichtenberger Bürger zum Ziel gesetzt, das verfallende Schloss zu retten. Ebensperger  wurde Mitglied im „Verein Burg Lichtenberg“ (Vorgängerverein des heutigen Kuratoriums Schloss Lichtenberg). Dem Verein gelang es, Geld aufzutreiben. Die Baufirma Robert und Engelbert Dietl aus Lichtenberg wurde mit Sicherungsarbeiten beauftragt. Kurz vor Baubeginn verunglückte Robert tödlich und sein Bruder Hermann bat Ebensperger um Hilfe.
„So bin ich zum Bauen gekommen“, meint er. Daraufhin verbrachte er wöchentlich drei Tage auf dem Bau und drei Tage an der Universität in München. Dort erhielt er die Chance, mit dem Lichtenberg009-Kopies38_EnzenbergBayrischen Landeskonservator Exkursionen zu machen und gelungene Sanierungsarbeiten wissenschaftlich zu betreuen. Nachdem er als Privatist die Gesellen- und später die Meisterprüfung geschafft hatte, gründete er seine eigene Firma. Zusätzlich unterrichtete er in Bozen. In seinem Meisterbetrieb machte er sich die in Bayern gemachten Erfahrungen zunutze. Er war beispielsweise einer der Ersten,  der die neueste Drainagetechnik zur Trockenlegung der Fundament-Mauern anwandte. „Bodenfeuchtigkeit ist ein Hauptproblem, das bei Altbausanierungen gelöst werden muss“, erklärt er. „Meist ist es nicht die Feuchtigkeit selbst, die den Mauerwerken schadet, sondern das Salz, das durch Wasser an die Oberfläche transportiert  wird und dort Schäden an den Farbschichten und am Verputz verursacht“.
Durch ein Fernstudium bildete er sich zum Baubiologen und zum Sicherheitsexperten aus. Das Studium der Baubiologie ist für ihn der wichtigste Teil seiner Ausbildung.
„Im Bereich Altbau arbeitet man vorwiegend mit biologischen Mitteln“,  erklärt Ebensperger. „Wenn man alles auf Kalk, Holz, Steine, Ziegel und bei der Isolierung auf Wolle und s39_Frhlichsturms38_TurmHolzfasern reduziert, macht man keine Fehler. Allerdings bin ich kein orthodoxer Baubiologe.“ Als Praktiker nutzt er auch Beton und Zement für Fundamente und Kunststoffe für spezielle Isolierungen. Heute lassen sich die Fundamentmauern problemlos gegen die aufsteigende Feuchtigkeit schützen. Mit großer Sorgfalt wird an den Fassaden gearbeitet. „Fassaden sagen viel über den Erbauer aus. Je einflussreicher und mächtiger der Bauherr war, desto beeindruckender ließ er die Fassaden seines Anwesens gestalten. Ohne das Geltungsbedürfnis unserer Vorfahren wären nicht so viele beeindruckende Bauwerke entstanden. Das ist eine Pracht, die seiner Meinung nach wieder viel mehr ins Bewusstsein gerückt werden müsste“, so Ebensperger. „Gemeinsam mit anderen Handwerkern, Restauratoren und Denkmalpflegern konnten wir vielen Bauwerken ihr ursprüngliches Gesicht wiedergeben“, so Ebensperger. Gewölbesanierung und Gewölbeneubau beschreibt er als Krönung seiner Arbeiten. Die Berechnung der Gewölbeform, die Wahl der Baustoffe und die Lösung schwierigster Schalungsprobleme ist eine Herausforderung. Ebensperger arbeitet nach kulturhistorischen und wissenschaftlichen Kriterien und Methoden. Wird er mit der Sanierung eines historischen Baudenkmals beauftragt, geht er mit größter Sensibilität, Sorgfalt und Genauigkeit vor. Er befasst sich intensiv mit bau- und kunstgeschichtlichen Erhebungen und dann erst mit dem Kostenvoranschlag. Im Büro unterstützt ihn seine  Frau Daniela.

Zu seiner Tätigkeit als Baumeister ist seit kurzem die des Whiskybrenners dazugekommen.  Auf seinem Anwesen in Glurns hat er kürzlich die Brennerei in Betrieb genommen. Tatkräftig zur Hand geht ihm dabei sein Sohn Jonas. Der Whisky reift in zwei obervinschger Bunkern, die Ebensperger ebenfalls hergerichtet und so einer Nutzung zugeführt hat. Das ist die beste Garantie, dass die Bunker, auch wegen der langen Whisky-Reifungszeit, für die Zukunft erhalten bleiben. Und das ist ganz im Sinne von Ebenspergers Philosophie. Der Sanierungsfachmann ist auf dem besten Weg auch zum Fachmann für Whiskyherstellung zu werden.


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