Dienstag, 01 Dezember 2015 12:00

Das letzte Aufgebot

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s6 2263Die Geschichte rund um einen Zusammenschluss Langtaufers-Kaunertal ist alt. So alt, dass nur verwegene Träumer an eine Verwirklichung geglaubt haben. Nun wird ein neuer Anlauf genommen - es könnte wohl der letzte sein. Doch der Anlauf ist verwegen...

von Erwin Bernhart

Am Ende der Veranstaltung ruft der Kaunertaler Bürgermeister Peppi Raich dem Grauner Bürgermeister Heinrich Noggler zu: „Ich wünsche dem Kollegen Heini Mut, dieses Projekt zu unterstützen.“


Nach Mut war BM Noggler nicht zumute. Zu Beginn der Veranstaltung sagt Noggler nur: „Ich möchte mich hier neutral informieren.“ Dann meldet sich Noggler nicht mehr zu Wort.

Zwischen diesen bürgermeisterlichen Aussagen fand am Freitag, den 20. November 2015 im Grauner Gemeindesaal eine denkwürdige und richtungweisende Versammlung statt. Der Einladung des Organisationskomitees „Oberländer Gletscherbahn“, verteilt über HGV-, hds- und Ferienregionskanäle, waren mehr als 100 Leute gefolgt. Nur ganz vorn waren noch Sitzplätze frei, dafür reichten die Stühle hinten bis zum Eingangsbereich.
s5 2267Ein nicht funktionierendes Mikrofon war weder dem Inhalt noch der Stimmung abträglich. Junge Leute aus der Gemeinde Graun, Hotelbetreiber, viele Kaunertaler, viele Nauderer, Zaungäste, auch ausgewiesene Skeptiker: Die Einladung hatte es in sich. Denn unter Punkt 3 und unter Punkt 4 hieß es da „Businessplan und Gründungsprozedur einer Aktiengesellschaft“ und „Zeitplan zur Verwirklichung des Projektes“.
Die gebotene Eile wurde mit der Aussage von Hans Rubatscher, dem Geschäftsführer der Pitztaler Gletscherbahnen, welche auch das Kaunertaler Gletscherskigebiet mitbetreuen, klar: „Uns würde ein Zusammenschluss Langtaufers-Kaunertal gut gefallen. Wenn, dann muss es demnächst geschehen, sonst tun wir nix mehr.“ Rubatscher verweist auf sein Alter, auf das Alter von Eugen Larcher, dem langjährigen Bürgermeister von Feichten und langjährigem Geschäftsführer der Kaunertaler Gletscherbahnen. Die Jungen hätten, so Rubatscher, andere Pläne.
Es ist im Oberland ein offenes Geheimnis, dass der ehemals heiße Draht von Kaunertalbefürwortern zu Rubatscher nie erkaltet ist. Umgekehrt auch nicht. Auch dann nicht, als Rubatscher vor zwei Jahren ein ursprüngliches Angebot - im Gegenzug zu einer Verbindung Langtaufers-Kaunertal der Haideralm eine Öffnungs-Garantie von 10 Jahren geben zu wollen - entnervt zurückgezogen hat.

Mit der Gemeinderatswahl im Mai dieses Jahres ist neuer Geist in den Rat eingezogen, mit dem Langtauferer Josef Thöni ein Gastwirt und ein vehementer Befürworter der Verbindung aufs Karlesjoch in den Gemeindeausschuss. Der politische Wind hat sich in Graun gedreht. Ende August dieses Jahres wurde im Grauner Gemeinderat ein Grundsatzbeschluss gefasst (mit 11 Ja-Stimmen, 1 Gegen-Stimme und 3 Stimmenthaltungen bei 15 Anwesenden und Abstimmenden), wo es unter anderem heißt, der Gemeinderat ... beschließt „... die Initiative Verbindung Langtaufers-Kaunertal grundsätzlich zu befürworten, ohne finanzielle Verpflichtungen von Seiten der Gemeinde...“

s7 tabellekostenSpätestens ab dann war der Startschuss auf kommunaler Ebene für eine neue Offensive in Richtung Verbindung Langtaufers-kaunertal gegeben. Denn Rückendeckung hatte man bereits im Vorfeld von höchster Stelle. Rubatscher betonte dies nochmals bei der Versammlung in Graun: „Platter hat mit Kompatscher gesprochen und beiden Landeshauptleuten würde eine Verbindung Langtaufers-Kaunertal gefallen.“
Vor diesem politischen Hintergrund agiert nun das Organisationskomitee „Oberländer Gletscherbahn“. Bei der Informationsveranstaltung in Graun hat man sich deshalb nicht lange mit den Vorzügen und Vorteilen, mit dem Potenzial einer nachhaltigen Wertschöpfungssteigerung, mit der Schaffung von Arbeitsplätzen, mit einer Saisonverlängerung, die eine Bahn auf den nahe gelegenen Kaunertaler Gletscher mit sich bringen soll, aufgehalten. Man ist bald einmal zu des Pudels Kern vorgestoßen.
Die Vorteile einer Gletscherbahn vorgetragen hat der Geschäftsführer des Skigebietes Karerpass Paul Jakomet.
Jakomet war es auch, der den Fahrplan zur Verwirklichung vorgestellt hat: „Ziel ist es, eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Graun zu gründen. Diese Aktiengesellschaft soll das Projekt umsetzen. Die Gesellschaft wird aufgelöst, sollte in den nächsten drei Jahren nichts passieren.“
Ziel sei es, so Jakomet, 500.000 Euro von etwa 100 Leuten in der Gemeinde Graun zusammenzubekommen, „um das Projekt in der Bevölkerung zu verankern“. Eingezahlt werden könne ab sofort. „Es können alle mittun, die an das Projekt glauben, auch Private“, sagte Jakomet. Die Einzahlungssumme kann jeder selbst bestimmen und davon lediglich 25 Prozent bis Ende Jänner auf ein eigens bei der Raiffeisenkasse Obervinschgau eingerichtetes Konto hinterlegen. „Bei der Raika Obervinschgau gibt es ein vergünstigtes Darlehen zur Zeichnung der Aktien“, sagte Jakomet.

Ist die Summe bis Ende Jänner beisammen, wird die Aktiengesellschaft gegründet und zwar mit einer Kapitalerhöhung. „Die Einzahler werden dann Aktionäre“, hieß es bei der Versammlung in Graun. Dass dann die Kaunertaler mit Hans Rubatscher mit 4,2 Millionen Euro einsteigen werden, ist wohl klar. Denn im Finanzierungsplan für die „Oberländer Gletscherbahn“ ist die Rede davon, dass mit einem Eigenkapital von rund 4,7 Millionen Euro gestartet werden soll.
Gelingt diese Initiative der Politik über die Geldtaschen der Oberländer, soll, so die Promotoren, mit einem verwegenen Zeitplan durchgestartet werden: Eine Machbarkeitsstudie soll erstellt werden, welche dem Gemeinderat, dem Umweltbeirat und der Landesregierung zur Genehmigung vorgelegt werden soll. Die Machbarkeitsstudie, bei entsprechenden positiven Genehmigungsprozeduren, ist Voraussetzung für die Eintragung in den Skipistenplan. „Ziel ist es, diese Eintragung in den Skipistenplan bis September 2016 erreicht zu haben“, sagte Jakomet. Ziel sei es auch, die Gletscherbahn im Oktober 2017 in Betrieb zu setzen. Man sei sich bewusst, dass dieser Fahrplan „ambitioniert und anspruchsvoll“ sei.
Es gab heftigen Applaus dafür bei der Versammlung in Graun.

„Es muss unser Projekt werden“, rief der Gemeindereferent  Josef Thöni den Leuten zu und ortete „eine tolle Stimmung“ in der Gemeinde. Für den Einzelnen handle es sich um nicht viel Geld, um die Gemeinde Graun in neue Sphären zu führen, sagte Thöni. In der Diskussion meldeten sich Befürworter zu Wort. Der bereits zitierte Rubatscher. Karl Ploner aus Nauders mahnte zur Eile und zur Zusammenschau. Denn, so Ploner, er habe das Gefühl, dass man derzeit eher auseinanderdrifte. Ploner spielte damit auf die zähen Verhandlungen zwischen Schöneben, Nauders, Haideralm und Watles in Richtung Neuaufstellung des Skipasses an. Hansi Klöckner sagte, dass „uns mit diesem einmaligen Projekt die Jugend am Herzen“ liegen müsse.  Watles-Präsident Günther Bernhart: „Wir müssen endlich davon wegkommen, dass jedes Skigebiet eigene Studien macht. Die Kirchtürme müssen weg.“ Eine skitechnische Verbindung zwischen Watles-Haideralm-Schöneben und Nauders sei anzustreben. Ein Gletscherskigebiet sei eine Riesenchance, gerade als Saisonsverlängerung, um bisher kalte Betten füllen zu können. Der Reschener Gemeinderat und Mitglied des Komitees Thomas Federspiel: „Viele junge Leute gehen in die Schweiz arbeiten. Mit den neuen Abkommen im Gesundheitswesen etwa sinkt die Attraktivität der Arbeitsplätze in der Schweiz. Deshalb ist es wichtig, neue Arbeitsplätze vor Ort zu schaffen.“ Hans Rubatscher rief dazu auf, dass sich auch kritische Stimmen zu Wort melden mögen, damit man Argumente austauschen könne. Kritiker blieben allerdings stumm.
So gab es heftigen Applaus für die Anfrage vom Campingbetreiber Heinrich Thöni: „Wann und Wo kann man einzahlen?“
Die Frage, was denn Schöneben oder die Haideralm zum Projekt sagen, wurde von Jakomet wie folgt beantwortet: „Wenn ich eine Bäckerei eröffnen möchte, gehe ich zur Gemeinde, und ich frage nicht den nächsten Bäcker um seine Meinung.“ Diese Antwort spiegelt das Selbstverständnis der neuen Offensive wider. Denn in der Rentabilitätsrechnung wird ein künftiger Skiverbund skizziert. Da heißt es wörtlich: „Für den Winter wird beabsichtigt gemeinsam mit den Skigebieten Kaunertal und Fendels einen Skiverbund zu bilden. ... Der Gesamtumsatz des neuen Skiverbundes Kaunertal, Fendels und Langtaufers wird dann aufgrund dieser Schlüssel (von vornherein festgelegte Parameter für jede einzelne Aufstiegsanlage, Anm. d. Red.) verteilt. ... Ein ähnliches System wird auch bei anderen Skiverbunden angewandt. Selbstverständlich wird auch ein Skiverbund mit den anderen Skigebieten des Oberlandes angestrebt.“

Der letzte Satz ist die einzige Bezugnahme vor allem auf Schöneben. Von Schöneben weiß man, dass der dortige Präsident Oswald Folie eine Verbindung mit dem Kaunertal zum jetzigen Zeitpunkt nicht befürwortet. Man müsse, so Folie, zuerst neue Betten bereitstellen. Denn im Oberland seien zu wenige Betten für eine neue Anlage vorhanden. Folie, dessen Schöneben AG heuer rund 5 Millionen Euro in das Skigebiet investiert hat (sh. ab Seite 38), befürchtet - im Gegensatz zu den Kaunertalbefürwortern - eine Schieflage für alle Skigebiete im Oberland.
Wohl auch deshalb der Zuruf des BM-Kollegen aus dem Kaunertal an den Grauner BM Heinrich Noggler: „Wünsch dir Mut, dieses Projekt umzusetzen.“

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