Dienstag, 29 April 2014 00:00

Wahlfieber in Schluderns

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s6 titelAm kommenden Sonntag finden in Schluderns Gemeinderatswahlen statt. Vier Parteien/Listen stellen sich mit insgesamt 50 Kandidaten der Wahl. Es geht dabei um eine Richtungswahl. Die Bürger werden in der Wahlkabine das in den letzen Monat Geschehene aufarbeiten: den Sturz von Erwin Wegmann, einen möglichen politischen Neubeginn. Für die SVP und auch für die Freiheitlichen wird es ein Prüfstand sein - eine Art TÜV. Die vier BM-Kandidaten im Streitgespräch.

Moderation: Erwin Bernhart I Fotos: Magdalena Dietl Sapelza

Vinschgerwind: Wer hat mit Wem schon Vorgespräche für eventuelle Koalitionsverhandlungen geführt?

Oswald Angerer: Wir haben keine Vorgespräche geführt. Wir werden die Wahlen abwarten und Gespräche ergeben sich dann aus dem Ergebnis von alleine.
Erwin Wegmann: Ich schließe mich dem an. Es haben Gespräche stattgefunden aber nicht im Hinblick auf mögliche Koalitionen. Man muss das Ergebnis der Wahlen effektiv abwarten.
Astrid Reinstadler: Als Neueinsteigerin in die Politik weiß ich nicht, wie die Wahlen ausgehen werden. Deshalb müssen wir die Wahlen abwarten. Grundsätzlich muss  ich sagen, dass noch keine Gespräche stattgefunden haben. Wenn es aber um Inhalte geht, sind wir sicher für eine partei- oder listenübergreifende Zusammenarbeit bereit.
Martin Rainalter: Da kann ich mich anschließen. Meine Mitkandidaten und ich persönlich unterhalten uns ständig mit unseren Gegenkandidaten. Aber Koalitionsgespräche ergeben zu diesem Zeitpunkt auch keinen Sinn. Man muss den Ausgang der Wahlen abwarten.

Schluderns hat 1800 Einwohner. Vier Listen, vier BM-Kandidaten, mehr als 50 Gemeinderats-Kandidaten für die Gemeinderatswahl am 4. Mai 2014. Schluderns braucht sich weder über Politikmüdigkeit noch über mangelnde Demokratie beklagen.
Rainalter: Ganz genau. Ich denke, dass dies eine positive Entwicklung ist und Schluderns ist dabei Vorreiter für das ganze Land. Soviel Politikinteresse ist doch schön, gerade in Zeiten, in denen die Politikmüdigkeit im Lande grassiert, wenn man sich die sinkende Wahlbeteiligung vor Augen führt. Ich finde es förderlich, wenn sich neue, politikinteressierte Leute zusammenschließen und etwas bewegen wollen.
Wegmann: Ich sage, dass man auf diese Vorreiterrolle im Lande nicht stolz sein kann. Denn, wie es dazu gekommen ist, das ist eher unrühmlich. Darauf kann und soll man nicht stolz sein. Der Putsch in der Gemeinde Schluderns wurde von anderen Gemeinden nachgeahmt. Zustandegekommen ist dieser  durch den Rücktritt eines Teiles des Gemeinderates  und durch die ganzen vorhergehenden Querelen. Zuerst waren es sieben Gemeinderäte. Dann hat man die Gemeinderätin der Freiheitlichen dazugewonnen und schlussendlich durch den kollektiven Rücktritt den Gemeinderat gekippt. Dies als große demokratisch Erneuerung darzustellen, ist wohl nicht der richtige Ausdruck.
Reinstadler: Ich glaube, dass die Zeit der Turbulenzen davon zeugt, dass wir einen Neuanfang brauchen. Es gibt ja nicht nur einen Umbruch in Schluderns, es gibt einen Umbruch im ganzen Land. Die Bürger werden mündiger, sie wollen mitbestimmen. Deshalb ist die Zeit auch reif für ein neues „Mitnond“. Es ist eine gute demokratische Basis, dass sich so viele Leute den Wahlen stellen. Ich bin überzeugt, dass unsere Liste dazu beträgt, dass viele Leute sich wieder für Politik interessieren. Das ist eine tolle Sache, die finde ich gut. Ich denke auch, dass die Bürger bereit sind, sich in Zukunft einzubringen.
Wegmann: Das Einbringen ist sicher positiv, das Zustrandekommen ist eine andere Sache.
Angerer: Ich möchte nochmals auf den Umbruch im ganzen Land zurückkommen. Tatsache ist, dass die etablierten Oppositionsparteien einen schweren Stand haben, seien es die Grünen, die Südtiroler-Freiheit oder die Freiheitlichen selbst. Dies ist bedingt durch den ganzen Rentenskandal. Die Brandstifter selber, die SVP, die kommen anscheinend ungeschoren davon. Die SVP hat das offensichtlich unbeschadet überstanden.

Herr Angerer, Sie sind BM-Kandidat für die Freiheitlichen, die in Schluderns im Laufe der letzten vier Jahre eine besondere Rolle gespielt haben: Mit der Stimme eines Freiheitlichen wurde vor vier Jahren der Ausschuss von Wegmann erst möglich, mit einer entscheidenden „Stimme“ einer Freiheitlichen wurde der Gemeinderat gestürzt.
Angerer: Wie auch in anderen Orten haben die Freiheitlichen in Schluderns das freie Mandat. Da entscheidet  jeder nach freiem Wissen und Gewissen. Das wird auch nach den Wahlen so sein.

Spielt der Rentenskandal auf Gemeindeebene eine Rolle?
Rainalter: Ich denke schon, dass der Rentenskandal eine gewisse Rolle spielt und zudem ist die SVP nicht ungeschoren davongekommen. Wir haben das bei der Kandidatensuche gespürt, dass da ein Einfluss da war. Ich finde aber die Aussagen von Erwin Wegmann widersprüchlich. Auf der einen Seite begrüßt du die Demokratie, auf der anderen Seite lehnst du die demokratische Entscheidungen einer Mehrheit ab. Ist das nicht ein Widerspruch?
Wegmann: Ich sage, dass das Zustandekommen der vier Listen, welches du als demokratische Vorreiterrolle gelobt hat, das verurteile ich. Weil dieses Zustandekommen keine demokratische Handlung in dem Sinne war, dass der Wähler nicht durch eine Wahl entscheiden konnte. Aber dass acht Gemeinderäte den Gemeinderat gestürzt haben, ist Fakt.
Reinstadler: Mich macht das traurig. Im Moment geht es klar um einen Neuanfang. Das ist unserer Liste ganz wichtig. Ich glaube, dass der Wahlkampf nicht zu einem Konflikt ausarten sollte. Es geht darum, was wir unseren Bürgern für die Zukunft anbieten, wie geht es weiter, und vor allem wie entwickelt sich Schluderns. Ich denke deshalb, dass eine Zusammenarbeit möglich ist, weil es in Zukunft um Themen, um Inhalte geht. Ich glaube, dass Konflikte aufgearbeitet werden sollen. Aber nicht unbedingt als Wahlkampfthema.
Rainalter: Ich gebe der Astrid recht. Wir als Volkspartei und ich persönlich möchten mit dem Alten abschließen und einen Neubeginn machen. Wir haben viele junge und kompetente Leute, die sich der Wahl stellen und auf die ich mich verlassen kann und die auch gute Arbeit leisten werden. Wir haben diese Problematik im Wahlkampf nie zur Sprache gebracht.

Trotzdem: Das Wahlergebnis wird man auch dahin deuten können, dass die WählerInnen in Schluderns diese Geschichte aufgearbeitet haben werden. Gehen wir auf die Sachpolitik. Nennen Sie drei Sachthemen, die Ihrer Meinung nach Priorität haben und die in Schluderns einer baldigen Umsetzung bedürfen.
Rainalter: Der Überbegriff ist die Etablierung eines neuen Politikstils. Ein Stil, der auf Vertrauen, Ehrlichkeit und Nachvollziehbarkeit basiert. Das Gespräch mit den Bürgern muss geführt werden, wo der Gemeinderat, Vereine, Verbände und Unternehmer miteinbezogen werden. Eine neue Arbeitsweise, eine neue Vorgangsweise, welche mit Verstand aufgezogen wird. Klare Konzepte. Sachthemen gibt es viele, die anzugehen sind und die lange Zeit brach gelegen haben. Die Schaffung von neuem Wohnraum nenne ich da. Dies soll durch Ausweisung von Bauland geschehen. Die Zone „In den Tälern 4“ ist schon in Ausarbeitung. Wenn nötig, sollen auch anderen Zonen ausgewiesen werden. Gleichzeitig wird man immer wieder mit klarem Konzept und mit einem durchdachten Plan die Altbauten im Auge behalten und nutzbar machen müssen. Angehen wird man auch den bisher aus verschiedentsen Gründen zu teuer geplanten Kindergarten. Ich würde das auch in Verbindung mit dem Altersheim sehen. Wahrscheinlich muss das Altersheim neu gebaut werden, um den Bedürfnissen der Senioren gerecht werden zu können. Man wird sich um entsprechende Förderungen bemühen müssen und ein für die Gemeinde finanzierbares Projekt ausarbeiten. Versprechungen machen, die man nicht finanzieren kann, geht nicht! Ebenfalls werden wir eine sinnvolle, neue Energiepolitik angehen müssen. Da wird das E-Werk in Konfall eine wichtige Rolle spielen.

Angerer: Das Wichtigste, wenn nach drei Sachthemen gefragt ist, wird eine handlungsfähige Verwaltung sein. Das ist der erste Punkt. Eine vernünftige Verkehrspolitik in Zusammenarbeit mit Nachbargemeinden, weil es anders gar nicht geht, wird wichtig sein. Und dass man Schluderns attraktiv für junge Familien gestaltet.

Was verstehen die Freiheitlichen unter einer vernünftigen Verkehrspolitik?
Angerer: Das ist nach wie vor die große Umfahrung, damit Schluderns entlastet werden kann. Und das funktioniert nur in Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden.
Reinstadler: In den genannten Themen finden wir uns als Liste wieder. Es sind dies die brennenden Themen. Was uns besonders wichtig ist, ist das Miteinander. Unsere Werte sind das Gemeinwohl und die Gemeinsamkeit. Dies wollen wir erreichen, indem wir den Bürgern eine Mitsprache, eine Entscheidungsfindung, eine Beteiligung einräumen möchten. Wir möchten, dass dazu die Statuten und die Satzungen überarbeitet werden. Ansonsten kann ich die genannten Themen teilen. Ich möchte aber das Thema Umwelt und Gesundheit hinzufügen. Da ist für mich klar, dass der Nutzen für einzelne oder Nutzen für Gruppen da aufhört, wo es zu einem Schaden für die Gemeinschaft kommt.
Konkret?
Reinstadler: Das heißt für uns, wenn Pestizide ein Schaden für die Gemeinschaft sind, dann soll dieses Thema angegangen werden. Ich bin für ein gutes Miteinander für alle. Der Nutzen für einzelne hört dort auf, wo es zum Schaden für die Gemeinschaft kommt. Man muss also Strategien finden, Lösungen suchen, jedenfalls muss man dieses Thema klar angehen. Ich wünsche mir, dass es zu einer stabilen Verwaltung kommt, das hätten sich die Schludernser verdient.
Wegmann: Es sind mehr oder weniger jene Themen genannt worden, die wir im Jahr 2010 im Wahlprogramm hatten. Es ist mit allen zu reden, die in den Rat gewählt werden. Die Themen sind der Kindergarten, Altenheim und eine saubere Energiepolitik. Wir sind beim Letzteren schon auf gutem Weg, um eine bestimmte Unabhängigkeit und eine finanzielle Ressource für die Gemeinde zu schaffen. Das sind die großen Punkte, dazu gibt es eine ganze Reihe kleinerer Vorhaben. Ich pflichte auch der Astrid bei, dass man in der Landwirtschaft zusammenschauen wird müssen. Ich pflichte auch dem Martin bei, dass die Vergangenheit nach den Wahlen abgeschlossen werden muss. Dass man sich nicht mehr grüßt, das muss aufhören.
Angerer: Ich möchte nochmals auf den Rentenskandal zurückkommen. Tatsache ist, dass dies vor allem die Südtiroler-Freiheit und die Freiheitlichen stark zu spüren bekommen. Ich war kürzlich mit fünf unserer Abgeordenten in Schluderns. Früher wären uns die Wähler die Bude eingerannt. Diesmal sind sie ausgeblieben. Die SVP hat sich da tatsächlich leichter getan: Es ist wie bei einer Fußballmannschaft. Wenn du vorn zwei Stürmer hast und die SVP noch 20 Stürmer auf der Reservebank, dann kann sie leicht auswechseln. Die etablierten Oppositionsparteien haben halt nur ein bis zwei Stürmer, dann ist fertig.
Rainalter: Die SVP hat sich aber auch landesweit besser verhalten. Gelder wurde von uns sofort zurückgezahlt, was die Oppositionsparteien so schnell nicht getan haben. Dies hat aber lokal nicht große Auswirkungen.
Angerer: Die Oppositionsparteien, das muss man sagen, sind da ihrer Kontrollfunktion nicht nachgegangen.

Welchen Wahlausgang wünschen Sie sich und den Schludernsern?
Reinstadler: Ich wünsche mir, dass unsere Liste viele Stimmen erhält, sogar, dass meine BM-Kandidatur durchgeht. Ich glaube, dass es Zeit ist für einen Neuanfang, dass man uns eine Chance gibt und dass sich die Umbruchstimmung auf Schluderns auswirkt. Und dass wir eine gute Arbeit für die Gemeinde Schluderns machen können.
Angerer: Ich wünsche der jungen Truppe der Freiheitlichen genügend Mandate, so dass sie nachher mitreden können. Als Bürgermeister tue ich mich leicht, Verhandlungen und Sitzungen zu führen. (lacht).

Herr Angerer, sollten Sie nicht als BM gewählt werden, gehen Sie dann in den Gemeinderat?
Angerer: Nein.

Wegmann: Ich wünsche mir, dass die Bürger so wählen, wie sie es für richtig halten. Ich möchte als BM gut gewählt werden, dass ich die Kraft für die Verantwortung vorfinde, mit dem Gemeinderat weiterhin Projekte angehen zu können. Auch gemeinsam mit einer anderen Partei. Denn es wird sich wohl keine Partei vorstellen können, im Gemeinderat die Mehrheit zu bekommen. Man wird zusammenschauen müssen. Ich wünsche mir, dass möglichst viele unserer Kandidaten in den Gemeinderat gewählt werden. Wir sind eine erfahrene Gruppe. Das ist unser Kapital. Zu Ehrlichkeit und Alleingänge. Konrad Adenauer hat einmal gesagt: Ehrlichkeit in der Politik gibt es nicht, es gibt Geradlinigkeit.
Rainalter: Die Frage die Sie dem Oswald Angerer gestellt haben, möchte ich dem Erwin Wegmann stellen: Gehst du in den Gemeinderat, wenn du nicht als BM gewählt wirst?
Wegmann: Das wird man sehen. Ich trete als BM-Kandidat und als Gemeinderat an. Wie ist es umgekehrt?
Rainalter: Ich gehe auf jeden Fall in den Gemeinderat. Mein Wunsch: Ich habe ein kompetentes Team, ich selbst habe Erfahrung, eine gute Ausbildung, ich wäre ein guter Bürgermeister. Wenn die SVP im Rat und ich als Bürgermeister die Mehrheit haben, dann können wir arbeiten. Natürlich wünsche ich mir, eine konstruktive Opposition, die eine andere Sichtweise vertritt.

Wir können uns des Verdachtes nicht erwehren, dass das Wort „Miteinander“ auf die neue, unverbrauchte Liste wohl zutrifft, auf die anderen Listen nicht. Die Fronten im Wahlkampf sind klar und wir vermuten, dass die Fronten auch nach der Wahl bleiben werden. Trifft unsere Vermutung zu?
Rainalter: Wir haben auf unserem Wahlprogramm das Wort „gemeinsam“. Gemeinsam mit dem Gemeinderat, den Bürgern, Vereinen usw.. In der Vergangenheit war es so, dass Ratschläge nicht angenommen wurden, was auch zu Konflikten geführt hat. Ich werde offen sein für Vorschläge und für eine konstruktive Opposition.
Angerer: Das hängt vom Wahlausgang ab, wie sich die Stimmen verteilen werden. Fronten bleiben sicher. Die Frage ist, wer die Mehrheit bekommen wird.
Wegmann: Sie haben Recht. Das Gefühl trügt nicht. Ich sage, grundsätzlich müssen, unabhängig vom Wahlausgang, alle vier Listen zusammenschauen. Wichtig ist, dass die Bürger wieder Frieden und Zusammenhalt im Dorf verspüren. Denn so geht es nicht weiter.
Reinstadler: Es trifft je nach Ausgang der Wahlen zu. Wir sind tatsächlich unverbraucht, aber wir müssen uns erst beweisen. Es geht weniger um Vergangenheitsbewältigung, es geht mehr um die Zukunft. Der Mensch ist ein lernfähiges Wesen.
Rainalter: Es werden immer die Gräben in der Bevölkerung angesprochen. Ich fühle diese Gräben nicht. Im Gegenteil, es sind einzelne Personen, die gezielt Unfrieden stiften.
Wegmann: Wir müssen vermitteln, dass wir die Einigkeit im Dorf wieder herstellen wollen. Damit man wieder ein zufriedener  Schludernser in Schluderns sein kann.


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