Dienstag, 22 Januar 2013 00:00

Leben und Tod zwischen Wörtern

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Literatur: Das neue Buch von Joseph Zoderer

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Nach dem Roman „Die Farben der Grausamkeit“ sind nun zwei Erzählungen von Joseph Zoderer erschienen. Berührend, ja ergreifend, schildert Zoderer die Beziehungen zwischen jeweils zwei Männern – eine Freundschaft in „Konrad“ und eine Bruderliebe in „Mein Bruder schiebt sein Ende auf“.
Am Berg geboren, ist Konrad geprägt von der Moral, er tut sich schwer mit den inneren Absperrungen, was Wunder, dass die Schicksalsergebenheit ihn nur von außen gesehen stark machte. Konrad verbringt die Jahre des Studiums in Wien, dann ist er Journalist in Rom, er wird ein „Stadtgeist“. In Rom, Ende der 60er Jahre, blüht er auf, es wird gegessen, getrunken, und durch die nächtliche Stadt flaniert -  der Leser spürt gleicherweise die Umgebung und die Tageszeit. Sein Freund, der Ich-Erzähler, sieht aber jetzt, da Konrad an Leukämie erkrankt ist, auch seinem eigenen Vergehen ins Gesicht. Als er dann die Asche seines Freundes über den Friedhof trägt, trägt er diesen selbst zwischen den Händen.
Im Erzählton schwingt Respekt und Demut, mit Wärme, geradezu Zärtlichkeit baut der Erzähler seinem Freund ein Denkmal. Die Erinnerungen sind allesamt Herzensangelegenheiten, gespeichert auf der Festplatte eben des Herzens, freilich treten Altlasten und Versäumnisse hervor, das Fremde allenthalben. Mittels starker Bilder taucht man also in die Lektüre und verweilt gewissermaßen im Gravitationszentrum der Beziehungen zwischen den Männern.
Auch in der zweiten Erzählung beweist Joseph Zoderer großes Einfühlungsvermögen. Wieder ist das unentrinnbare Schicksal ein starkes Motiv. Darin eingeschlossen ist die Frage, was der Bruder dem Bruder ist, und das Grübeln darüber, ob man das Leben überhaupt meistern kann. Dass das Leben endet, ist unbegreiflich, der Autor jedoch ergeht sich nicht in hoher Dramatik.       
Ist das Verhältnis zum Freund Konrad liebevoll und empathisch, mischen sich in jenes zum Bruder, der sein unabänderliches Ende aufschiebt, mitunter huldvolle Anwandlungen, in denen sich dennoch der Schmerz des Abschiedes ereignet: Wenn die existentiellen Fragen für den noch vitalen Mann nicht in der letzten Konsequenz dringlich sind, das Ungeheuerliche ihn noch nicht trifft, wenn die verleugneten Fragen, die zu stellen ein ganzes Leben scheinbar kein Anlass war, ihm nicht von den Lippen wollen. Wenn nichtsdestotrotz den jüngeren Bruder alles nach einem versöhnlichen Dialog drängt.
So, wie Zoderer das schwierige Thema aufrollt, spinnt er unsichtbare aber starke Kontakte zum Leser, vor dessen innerem Auge ein packendes, durch und durch poetisches Bild des Seins entsteht, ein Bild von der großen Wirklichkeit des Lebens wie des Todes.      

Claudia Theiner

Joseph Zoderer, Mein Bruder schiebt sein Ende auf, Haymon, 2012, 141 S.


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