Dienstag, 04 Oktober 2016 09:26

Nationalpark Stilfserjoch – Rotwild – Regulierung der Dichte

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207B1Wolfgang Platter, am Tag Hlg. Franz von Assisi, 4. Oktober 2016


Das Röhren der Brunfthirsche in den Herbstmonaten September und Oktober ist im Jahreszyklus des Rotwildes zumindest akustisch das auffälligste Zeichen seiner Präsenz. Mein heutiger Beitrag ist dieser Huftierart und seiner Dichte und Regulierung im Nationalpark Stilfserjoch gewidmet.

 

Die Dichte
Im Nationalpark Stilfserjoch und in den angrenzenden Tälern beziffern wir die Rotwildpopulation mit ca. 10.000 Individuen, innerhalb der Grenzen des Nationalparks mit 6.500 Tieren. In einigen Mikroregionen des Nationalparks war im Jahre 2000 die Dichte des Rotwildes so hoch, dass am Baumbestand des Waldes intensive Verbissschäden aufgetreten sind und in den landwirtschaftlichen Kulturflächen Ertragsminderungen beim ersten Futterschnitt, Trittschäden und Verunreinigungen durch Verkotung und Ernteeinbußen bei Sonderkulturen wie Beeren, Gemüse und Obst zu verzeichnen waren. Die soziale Akzeptanz des Nationalparks unter der bäuerlichen Wohnbevölkerung hat darunter gelitten.

Regulierungsbedarf
Scannen0002Auf der Basis von wissenschaftlich dokumentierten und vom Nationalen Wildbiologischen Institut ISPRA und dem Umweltministerium validierten Managementplänen haben wir in den zwei Entnahmeeinheiten Mittel- und Obervinschgau im Nationalpark Stilfserjoch im Zeitraum 2000-2015  5.613 Stück Rotwild entnommen. Unter Beteiligung der ortsansässigen Jägerschaft, welche sich zur Landesjagdprüfung einem zusätzlichen Ausbildungskurs zur Biologie und Ökologie des Rotwildes und zu den Zielen der Entnahmeaktion unterziehen musste, wurden jeweils im Zeitraum Mitte Oktober bis Mitte Dezember eine nach Alter und Geschlecht definierte Stückzahl von Rotwild durch Abschuss entnommen. Die am mittelvinschgauer Nörderberg und in den südlichen Seitentälern der Etsch im Vinschgau festgestellte Rotwilddichte von 9,4 Stück je 100 Hektar Wald sollte auf 4-5 Stück/100 ha halbiert werden. Diese Bestandsreduktion sollte unter anderem auch die durch die hohe Rotwilddichte gefährdete Naturverjüngung des Bergwaldes im steilen, erosionsgefährdeten Gelände begünstigen und damit die Schutzfunktion des Waldes für die Wohnsiedlungen und die Einzelhöfe in der Streusiedlungsweise auch in Zukunft sichern. Die Reduktion der Schäden in der Landwirtschaft war ein weiteres Ziel der Eingriffe.

Erkenntnisse
207B2Nach nunmehr 16 Jahren von herbstlichen Abschüssen von Rotwild in Teilen des Nationalparks Stilfserjoch kann Folgendes festgehalten werden:
• Das Verständnis für und die Akzeptanz der Regulierungsmaßnahme ist inzwischen auch bei den anfänglich sehr skeptischen Tierschutzorganisationen gestiegen, weil alle Beteiligten Seriosität bewiesen haben.
• Es wäre illusorisch zu glauben, dass das Problem der zu hohen Rotwilddichte durch die (spontane) Rückkehr des Wolfes gelöst werden kann. In Gebieten, wo der Wolf und das Rotwild gemeinsam vorkommen, führt die Präsenz und das Jagd- und Ernährungsverhalten des Wolfes zu einer größeren Zerstreuung des Rotwildes im Gebiet, aber nicht zu einer substanziellen Reduktion seiner Dichte.
• Die Schäden an den landwirtschaftlichen Kulturflächen haben bei vermindertem Rotwilddruck abgenommen. Leider sind Gebietswildzäune an der Grenze von Wald zu Intensiv- und Sonderkulturen weiterhin nicht vermeidbar, erschweren aber den Wildwechsel von Sommer- zu Wintereinständen und umgekehrt und sind landschaftlich ein störendes Element.
• Für die Abgeltung von Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen mussten im Südtiroler Anteil des Nationalparks Stilfserjoch im Jahre 2000 144.346,51 Euro aufgewendet werden, im Jahre 2015 waren es 50.087,04 Euro (35% im Vergleich zum Jahre 2000).
• Unsere nunmehr schon langjährigen Erfahrungen mit dem Einbezug der ortsansässigen Jäger in die Entnahmeaktionen sind bis auf Einzelfälle schwarzer Schafe sehr positiv.
249B2448B3• Dort, wo die Rotwilddichte reduziert wird, erholt sich das Reh ebenso wie die beerenliefernde Strauchschicht im Unterholz des Waldes, was zugunsten der Raufußhühner ist. Insofern bestätigt sich der ökologische Lehrsatz, dass die Biodiversität der Arten umso größer ist, wenn die Individuen-Anzahl einer und derselben Tierart kontrolliert wird.
• Die Wiederholung der Kartierung der Verbiss-Schäden an den verschiedenen waldbildenden Baumarten vom Jahre 1998 im Jahre 2012 lehrt uns, dass diese Verbiss-Schäden im Wald nach 15 Jahren der Rotwildentnahme abgenommen haben und sich das Verbeisen der Endtriebe auf andere Baumarten verschiebt. 50% der Endtriebe von Fichten waren 1998 verbissen, 2012 waren es noch 33%. Bei Lärchen ergibt sich folgender Vergleich: 1998  34%, 2012 47%.

Fortsetzung
Die Entnahmeaktionen von Rotwild aus dem Nationalpark Stilfserjoch werden im Herbst 2016 in den drei Entnahmeeinheiten Mittelvinschgau, Obervinschgau und Bormio Valfurva fortgesetzt, weil die angestrebte reduzierte Dichte noch nicht erreicht ist und der jährliche Zuwachs der Population entnommen werden soll, um deren exponentielles Wachstum mit den daraus bekannten Folgen zu vermeiden.

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