Dienstag, 06 Januar 2015 00:00

Traum oder Albtraum?

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s6 7040Vor einem Jahr hat Richard Theiner Ressort gewechselt: vom Gesundheitsassessorat in die Raumordnung, Umwelt und Energie. Wie beurteilt Theiner den aktuellen Reformwahn im Gesundheitswesen? Wie will er die Energie-Erbschaft managen? Wohin geht es in Sachen Umweltschutz? Was soll der neue Skipistenplan bewirken?

 

Interview: Erwin Bernhart
Fotos: Angelika Ploner

 

Vinschgerwind: Die klinische Sanitätsreform liegt schon lange in einer Schublade. Der Gesundheitslandesrat Richard Theiner hat sich nicht getraut, diese umzusetzen. Ist Ihre Nachfolgerin Martha Stocker mutiger oder ist sie dem Druck aus mächtigen Wirtschaftskreisen erlegen?


Richard Theiner: Die klinische Reform wurde auf meinen Vorschlag hin im Jahr 2010 beschlossen und auch umgesetzt. Bereits im Jahre 2007 habe ich gegen den Widerstand vieler Bezirke aus vier Sanitätsbetrieben einen gemacht. Bei den Einsparungen war ich stets darauf bedacht, nicht die medizinischen Dienste für den Bürger einzuschränken sondern dort zu verschlanken, wo es den Bürger nicht trifft. Wir haben von 123 Führungskräften im Verwaltungsbereich der Sanität auf 81 reduziert. Wir haben viele Primariate zusammengelegt…
...anscheinend war das alles zu wenig...
Wir haben nachweislich die Kosten reduziert. Waren die für die Sanität zur Verfügung stehenden Mittel im Jahr 2011 noch 1,171 Milliarden Euro, so waren es im Jahr 2012 1,158 Milliarden und 2013 noch 1,148 Milliarden Euro. Wir haben die Reformen sehr wohl durchgezogen. Was wir sicher nicht gemacht haben, ist, uns marktschreierisch zu positionieren.
Ist Martha Stocker marktschreierisch?
Nein, das ist sie nicht.
Aufgrund der Vorschläge Ihrer Nachfolgerin Stocker hat man den Anschein, dass all Ihre Arbeit zu wenig war.
Wenn man die Zahlen zur Kenntnis nimmt, muss man sagen, dass unsere Reform gegriffen hat. Reformen sind im Gesundheitswesen wegen der gesellschaftlichen Veränderungen und neuer Behandlungsmethoden immer erforderlich. Allein die demografischen Entwicklung und der damit verbundene Anstieg der Alterskrankheiten bewirken eine Zunahme der Kosten.
Dieser Umstand war in Ihrer Ära bereits bekannt. Die Frage nochmals: Ist ihre Nachfolgerin Martha Stocker mutiger oder ist sie dem Druck aus mächtigen Wirtschaftskreisen erlegen?
Dass auch in der Sanität gespart werden muss, ist verständlich. Aber es geht um das Wie. Den großen Bozner Lobbys waren die kleinen Krankenhäuser immer schon ein Dorn im Auge.
Benennen Sie uns diese Lobbys, damit man in der Peripherie weiß, wer hinter dem Ansinnen von Martha Stocker steht.
Ganz klar sind das die Wirtschaftsverbände, besonders der Unternehmerverband. In Bozen glauben viele, wenn man die peripheren Krankenhäuser schließt, hätte man das Problem gelöst. Das ist ein Witz. Denn die Krankenhäuser Sterzing, Innichen und Schlanders zusammen kosten jährlich etwa 75 Millionen Euro. Selbst wenn man diese schließen würde, spart man höchstens  27 Millionen Euro, etwas mehr als 2 % der Gesamtausgaben. Der Großteil der Kosten sind Personalkosten und das Personal muss weiterbeschäftigt werden. Deswegen ist das für ein nachhaltiges Sparen der völlig falsche Ansatz.
Konkret: Wird die Geburtenabteilung in Schlanders geschlossen?
Die Geburtenabteilung ist unverzichtbar. Schon aufgrund der geografischen Situation. Von Reschen bis Meran sind es 80 Kilometer...
Warum kann ein Politiker nicht auf diese Frage mit einem einfachen Ja oder Nein antworten?
Weil ich das nicht allein entscheiden kann. Wenn ich das alleine zu entscheiden hätte, lautete die Antwort Nein.
Martha Stocker schlägt vor, das Krankenhaus Schlanders – wie auch die Krankenhäuser in Sterzing und in Innichen - in eine Tagesklinik umwandeln zu wollen. Ärzte sagen, dass dies de facto das Aus für das Krankenhaus bedeutet. Die Leute im Tal sind beunruhigt. Was sagt der ehemalige Gesundheitslandesrat Richard Theiner dazu?
Eine Umwandlung in eine Tagesklinik wäre der Anfang vom Ende. Da ist nichts herumzudeuten. Dann sollte man gleich den Mut aufbringen und sagen, wir sperren zu. Durch die Umwandlung des Krankenhauses in eine Tagesklinik wäre auch die Erste Hilfe stark beeinträchtigt. Zu einer Umwandlung unseres Krankenhauses in eine Tagesklinik wird es sicher nicht kommen.
Wird dieses Thema in der Landesregierung kontrovers diskutiert oder ist man dort einer Meinung, die Sanitätsreform durchziehen zu wollen?
Die Landesregierung wird sich mit den neuen Reformvorschlägen voraussichtlich erst im Februar befassen und darüber eingehend diskutieren. Ich werde mich wie bisher für eine möglichst dezentrale medizinische Versorgung einsetzen.
Wie stellen Sie sich die Zukunft des Krankenhauses Schlanders vor?
Dass das Krankenhaus Schlanders mit allen heute angebotenen Diensten erhalten und noch stärker in das Netz der sieben öffentlichen Krankenhäuser Südtirols eingebunden wird. Ich sehe persönlich große Perspektiven aus der Nähe zur Schweiz und zu Österreich, weil in Schlanders gute medizinische Leistungen zu vergleichsweise günstigeren Tarifen als im benachbarten Ausland angeboten werden. Die anstehende europäische Liberalisierung im Gesundheitsbereich wird daher für das Krankenhaus Schlanders neue Möglichkeiten eröffnen.
Themenwechsel: Sie haben von der Sanität ins Assessorat für Raumentwicklung, Umwelt und Energie gewechselt. Ist das der leichtere politische Job?
Es ist eine völlig andere Aufgabe. Ich habe als Gesundheitsassessor sehr gerne gearbeitet. Ich bin aber der Meinung, dass es nach 10 Jahren Zeit für einen Wechsel ist. Was ich jetzt betreue, ist mein Traumressort.
Warum Traumressort?
Weil es um die Nachhaltigkeit geht. Bei der Urbanistik werden die Weichen für die gesamte gesellschaftliche Entwicklung gelegt. Bei der Energie, bei der wir die größten politischen Enttäuschungen erlebt haben, ist es mir ein Anliegen, alles auf eine legale Basis zu stellen.
Da kann Ihr Traum auch zum Albtraum werden: Es sind einige unliebsame Erbschaften aus der Ära Durnwalder zurechtzubiegen. Die Etschwerke sollen mit einer totalen Umarmung – sprich Fusion mit der SEL - beruhigt werden. Kann das gelingen?
Das Bild ist sicher falsch. Klar ist, dass das Land ein Interesse hat, die rechtlichen Probleme zu lösen. Aber man würde nie über Fusion sprechen, wenn diese nicht auch für die Eigentümer der Etschwerke, den Stadtgemeinden Bozen und Meran, von großem Vorteil wäre. Erst seit internationale Beratungsunternehmen wie McKinsey und Ernst and Young beide Unternehmen durchleuchtet haben, streben sowohl die Etschwerke wie die SEL eine Fusion an. Der Zusammenschluss der großen öffentlichen Energieunternehmen bedeutet eine Steigerung der Ertragskraft und einen Mehrwert für das Land, die Gemeinden und die Bürger.
Diese Fusion würde Geld in öffentliche Kassen bringen, in den Landeshaushalt und in die zwei Stadtgemeinden. Auf der Strecke würden die übrigen Gemeinden bleiben. Der Vinschgau hatte immer eine andere Vision. Man wollte keinen Großkonzern in diesem Bereich.
Im neuen Energieunternehmen werden die Gemeinden die Mehrheit halten. In den bisherigen Gesprächen war von einem Austauschverhältnis von 58 % SEL und 42 % Etschwerken die Rede. Demzufolge hätten die Selfin-Gemeinden einen Anteil von 3,58%. Die Landesregierung hat bereits beschlossen weitere 10 Prozent an alle interessierten Gemeinden, auch an die Vinschger Gemeinden zu verkaufen. Damit sinkt die Beteiligung des Landes unter 45 Prozent.
Ihr Wort in Gottes Ohr. Bereits in der Vergangenheit war die Rede von Gemeindenbeteiligung am Stromkuchen. Daraus ist über die SELfin eine sehr kleine Beteiligung an der SEL geworden.
Wenn die Fusion zustande kommt, soll die Übertragung von 10 Prozent an die Gemeinden innerhalb des Jahres 2015 über die Bühne gehen.
Die Gemeinden Martell, Latsch und Laas und das Vinschgauer Energiekonsortium VEK sind mit Anteilen am Kraftwerk in Laas, gespeist vom Marteller Stausee, abgespeist worden, obwohl sie die Konzession am Marteller Stausee aufgrund ihres besseren Angebotes gewinnen hätten können. Ist es Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet ein Vinschger Energielandesrat nun die definitive Konzession an die Hydros (SEL und mittlerweile Électricité de France EDF) ausstellen wird?
Es hat im Vorfeld eine Einigung über die Höhe der Anteile am Kraftwerk Laas zwischen VEK und der Landesregierung gegeben. Die bisherige provisorische Konzession für die Hydros kann nun in eine definitive umgewandelt werden. Auch weil die Rekurse des VEK und der Edison zurückgezogen worden sind. So können die Vinschger Gemeinden auch die vollen Umweltgelder erhalten.
Sind Sie dabei, französisch zu lernen?
Nein. Ich habe zwar in der Oberschule französisch gelernt, aber meine Französischkenntnisse sind bescheiden.
Gibt es Verhandlungen mit der Électricité de France EDF, welche 40 Prozent am Marteller Stausee besitzt?
Genauso wie wir um die 40 Prozent ENEL-Anteile verhandelt haben, sind wir bemüht, die 40 Prozent der Edison zu erwerben, Auch jene Anteile der Électricité de France. Ob es gelingt? Jedenfalls ist es erklärtes Ziel unserer Energiepolitik.
Die Vinschger Gemeinden - von Laas aufwärts - können endlich das Stromnetz übernehmen.
Das ist sehr positiv.
Sie haben in der Landesregierung den entsprechenden Beschluss fassen lassen. Sind Sie der SELnet etwas auf den Leim gegangen, weil die Kosten für die Übernahme ziemlich hoch sind?
Die Verhandlungen zwischen SELnet und VEK waren nicht einfach. Mein Ressortdirektor Florian Zerzer...
...der als solcher bereits mit Ihnen in der Sanität gearbeitet hat...
hat in diesen Verhandlungen exzellente Arbeit geleistet. Wir haben großen Wert darauf gelegt, dass diese Übernahme zustande kommen kann. Ab 1.1.2016 wird die Übernahme wirksam.
Beim Fachplan für Aufstiegsanlagen und Skipisten ist vorgesehen, dass keine neuen Skigebiete mehr entstehen sollen. Wie ist das gemeint?
Innerhalb der neuen Skizonen kann ein Ausbau relativ unbürokratisch gemacht werden. Zusammenschlüsse zwischen Skizonen sind möglich, setzen aber ein umfangreiches Procedere voraus. Ein neues Skigebiet kann nicht gemacht werden.
Ist es aufgrund dieses Fachplanes nicht mehr möglich, Langtaufers ans Kaunertal anzubinden, ist es nicht mehr möglich, Watles mit der Haideralm zusammenzuschließen?
Zwei bestehende Skizonen können sehr wohl verbunden werden, benötigen aber u.a. eine Machbarkeitsstudie, eine Umweltverträglichkeitsprüfung, einen Gemeinderatsbeschluss.
Beispiel die Verbindung Schöneben-Haideralm?
Ja. Diese fällt unter diese erschwerte Prozedur. Die Landesregierung hat sich grundsätzlich für diese Verbindung ausgesprochen. Genauso ist es erklärter Wunsch der Landesregierung, dass der heute bestehende Skipassverbund zwischen Schöneben, Haideralm und Nauders auf Watles ausgedehnt wird. Bezüglich der Verbindung Watles-Haideralm ist zu erwähnen, dass das Zerzertal unter Schutz steht.
Die Verbindung Watles-Haideralm ist also nicht möglich?
Ein skitechnischer Zusammenschluss über das Zerzertal ist nicht möglich. Dies war es vor dem Fachplan auch nicht.
Wir werden kleinräumiger: Die Gemeinde Prad will die Lichtenberger Au roden. Die Landschaftsschutzkommission hat ein negatives Gutachten abgegeben. Was werden Sie der Landesregierung vorschlagen?
Wir müssen den Wert von Rückzugsgebieten, wie es die verbliebenen Auen sind, erkennen. Natur- und Landschaftsschutz hat bei uns einen hohen Stellenwert und es darf nicht bei Lippenbekenntnissen bleiben.

 

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