Mittwoch, 10 Juli 2013 09:06

„I bin pa de oltn Lorfn bliebn“

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s17 1Karl Schöpf aus Stilfs, gelernter Maurer, schnitzt Klaubauflarven aus Leidenschaft. Der „Jula“-Karl bleibt dabei der Tradition treu.

von Renate Eberhöfer

Gleich oberhalb der Pfarrkirche, dem Heiligen Ulrich geweiht, im Herzen des Stilfser Altdorfes, befindet sich das Refugium des Karl Schöpf. Und dort trifft man auch auf seine urige Werkstatt, welche - wie könnte es anders sein – der naturgegebenen Beengtheit des rätoromanischen Haufendorfes unweigerlich Tribut zollen muss: klein, eng und schmal; nichtsdestotrotz aber heimelig anziehend und äußerst interessant.

Ein feiner, angenehmer Geruch von frischem Zirbenholz liegt allzeit in der Luft, oftmals vermischt mit süßlichem Rauch aus Karls alter Tabakspfeife. Vor allem aber sind es die an der Wand hängenden Klaubauflarven, welche sogleich ins Auge fallen und große Faszination ausüben.
Dereinst habe er nur schauen wollen, ob er die geschnitzten Masken auch zuwege bringt, denn sein eigentlicher Beruf ist Maurer, klärt Karl auf. Von 1978 bis heute sind dann im Laufe der Zeit aber nahezu an die 50 Klaubauflarven nach überlieferten Vorlagen entstanden - exakt in Handarbeit nach alter Tradition gefertigt. Die Ursprünglichkeit der Stilfser Masken sollte getreu den simplen Mustern der Ahnen unbedingt erhalten bleiben. „I bin ba dia oltn Lorfn bliebn, groub ausn Zirbnholz gschnitzlt, ouhne zu vrkitschn!“ Diese Holzmasken, anfänglich die dunklen Kräfte des Winters mit der in sich gekehrten Natur symbolisierend, lassen noch menschliche Züge erkennen und wirken daher nicht ganz so bedrohlich.  
Nur beim Gehörn ließ Autodidakt Karl mit sich reden: Wurden einstmals nur Bock- und Kuhhörner verwendet, ist mittlerweile auch anderweitiges Horn „krampusfähig“ geworden und lässt die Klaubaufe gleichwohl authentisch wirken; simple Formen, gerade geschnitzt, innen weich ausgepolstert und außen mit einem Fell versehen, das den Hinterkopf bedeckt. Zusammen mit der dazugehörigen Jacke, an welche zahlreiche lange Stofffetzen angenäht werden, sind die grölenden Klaubaufe eindrucksvolle Figuren des Stilfser Klosns. Dieser urtümliche Brauch ist in seinen Grundzügen auch heute noch gleichgeblieben. Ein Verdienst nicht zuletzt auch solcher Menschen, wie es der „Jula“ Karl einer ist, welche sich mit Unbeirrtheit allzu modernen Auswüchsen widersetzen und alten Grundsätzen treu bleiben.
Früher durften allerdings auch keine fremden Burschen beim Klosn mitmachen - nur die vom eigenen Dorf. Dieses einstige Dogma hat sich auch aufgrund des dezimierten eigenen Nachwuchses mittlerweile zunehmend relativiert.
Seinen Einstand als Klosr hatte man als Weißer zu leisten, um dem Nikolaus die Gaben zu halten. Am Abend davor kam das „Oklosn“, ein Ritual, das die Tauglichkeit zum Klosr attestiert und bei vielen noch heute sehr schmerzhafte und unangenehme Erinnerungen weckt. Nicht selten bereits von Vorängsten geplagt, sahen die „Neuen“ diesem Tag meist schweren Herzens entgegen. „Heute läuft das zum Glück alles gemäßigter ab“, erzählt Karl schmunzelnd. „Zur Volljährigkeit, damals mit 21 Jahren, war man dann Spielbua und Schoffr. Erst dann war man einer der Privilegierten und durfte endlich Zwickesel gehen, um bei Mädchen und Zuschauern ordentlich für Aufruhr zu sorgen. Das „Engel des Herrn“-Gebet wurde dereinst auch nicht auf dem Kirchplatz, sondern beim alten Stadel des Ratt Gebhard zelebriert. Auch dass das Klosn am 1. Samstag im Dezember veranstaltet wird, ist eine Neuerung. Der althergebrachte Termin war alljährlich der 5. Dezember. Ebenso verhält es sich mit den Teufeln, jenen wendigen rot/schwarzen Gestalten mit einem Weidenrutenbündel, welche erst seit den 70er Jahren mit dabei sind! Alles ist zwangsläufig einem Wandel unterworfen.“
Heute wird das Altdorf von Stilfs beim Tag der Klosr von Unmengen von Zuschauern in Beschlag genommen, deren Aufmerksamkeit die überaus zahlreichen Akteure mit großem Schellengeläute und Gegröle auf sich ziehen. Die Gestalten mit ihren bunten Gewändern beleben mit viel Elan die einsamen, verschlafenen Stilfser Gassen alljährlich wieder aufs Neue und streuen – einer Eintagsfliege gleich - frisches Leben ins alternde Dorf. „Einst schlief man im Stall und hat dann nach dem Rorate frühmorgens den Mädchen aufgelauert“, lacht Karl amüsiert. „Natürlich ist das jetzt alles anders, denn die Zeit ist auch an Stilfs nicht spurlos vorübergegangen. Dennoch ist der Brauch in seinen Grundzügen noch so, wie ihn unsere Vorfahren gelebt haben - einzigartig im gesamten Vinschgau und darüberhinaus. „Das Hereinziehen war früher eine besonders beliebte Art im Gasthaus ein Glasl Wein zu erbeuten. Ein Gast wurde oftmals trotz heftigsten Widerstands von den Klosrn bei der Türe hereingezogen und war alsdann eine Runde schuldig.“
Immer größer und lauter wird allerdings auch dieser Brauch, so wurden z.B. die einstigen kleinen Kuhschellen durch mächtige Glocken ersetzt und die Zwickesel, noch vor einigen Jahrzehnten nur in Sackfransen gekleidet, zeigen sich heute in modisch attraktiven, kunterbunten Kostümen. „Es geht alles seinen Lauf und nicht alles, was neu ist, zeigt sich als schlecht. Wichtig ist es nur gewissen Grundsätzen treu zu bleiben, um dem Klosn nicht seinen unverwechselbaren Glanz zu nehmen….“ Wer einmal im Stilfser Altdorf spazieren geht und dabei das Glück hat, auf Karl zu treffen, bekommt dabei vielleicht auch die Gelegenheit, einen Blick auf seine Klaubauflarven zu erhaschen …


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