Mittwoch, 22 Februar 2012 00:00

„... unt i bin hängen bliebm“

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Portrait - Rosa Ortler Rinner

s15_portrDas Heimweh ist ihr Wegbegleiter, seit Frau Rosa in St. Radegund in der Steiermark lebt. „S Hoamweah wart iatz in Olter ollawail nou stärker“, sagt sie im Vinschger Dialekt, den sie noch unverfälscht spricht. „I bin olm nou a Vinschgerin.“ Was im Tal läuft, liest sie im „Vinschgerwind“. Und sie schwärmt von der Zeitung, die ihr alle 14 Tage ein Stückchen Heimat ins Haus bringt. Oft denkt sie an ihre Kinder- und Jugendzeit zurück. „Miar sain in dr härtesten Zeit aufgwochsn; miar hoobm koa Eigenleben kopp“, betont sie. Mit den damaligen faschistischen Machthabern geht sie hart ins Gericht: „I konn den Italienern nit verzeichn, dass sie inz ihre Sproch aufzwungen unt di insre verbotn hoobm“.

Mit acht Geschwistern wuchs Rosa in Prad auf. Alle mussten „zusammenschauen“ um mit der Landwirtschaft über die Runden zu kommen. Im Winter verspann die Mutter tagelang Wolle und die Mädchen strickten. „Woll wärmt in Wintr unt isch in Sommr kial,… weil si selm verschlissn isch“, scherzt sie. Etliche Saisonen arbeite Rosa als Zimmermädchen in einer Suldner Pension. Es gab kaum freie Stunden geschweige denn freie Tage. Nachdem ihre Familie optiert hatte, erhielt Rosa die Möglichkeit, zusammen mit anderen Südtiroler Mädchen nahe Düsseldorf einen zweimonatigen Deutschkurs zu besuchen. Dort wurde ihr das Dilemma der vermasselten Schulausbildung richtig bewusst: „Di meischtn hoobm in oan Aufsotz bis zu 60 Fahler kopp“, erinnert sie sich. Sie bemühte sich Versäumtes nachzuholen und war Teil einer Mädchenrunde, die Feldpost an Soldaten schickte. Rosa schrieb Briefe an die Eismeerfront, nachdem ein Prader Soldat sie innigst darum gebeten hatte. „Zu dritt hoobm miar di Soldotn   gschriebm, unt i bin hängen bliebm“, lacht sie. Ihre Briefe beantwortete der acht Jahre ältere Hans Rinner aus der Steiermark. Es entwickelte sich ein reger und inniger Briefkontakt. Zum ersten Mal begegneten Rosa ihrem Hans zwei Jahre später in Seefeld, wo sie arbeitete. Ihr Herz pochte und ihre Knie zitterten, als er ihr auf dem Bahnhof entgegentrat. Es war Liebe auf den ersten Blick und sollte die Liebe für ein ganzes Leben werden. Rosa heiratete ihren Hans während eines Fronturlaubes 1944 in seinem Heimatort St. Radegund, wo sie fortan wohnte. Hans kehrte an die Front zurück und Rosa bangte um ihn. Noch im selben Jahr schenkte sie der Tochter Annelies das Leben. Unterstützung erhielt sie von ihren Schwiegereltern.
1945 kehrte Hans schwerverletzt zurück und verbrachte daraufhin eineinhalb Jahre in einem Rehabilitationszentrum. „Deis isch a schiache Zeit“, meint Rosa. Zusätzlich belastete sie die Feuchtigkeit in der Kellerwohnung, wo die Familie in Untermiete wohnte. Das erste freudige Ereignis, das das Paar gemeinsam erleben durfte, war die Geburt der zweiten Tochter Resi 1947. Kurz darauf packte Rosa Kind und Kegel und fuhr zu ihrer Familie nach Prad, um sich und ihre Kleinen aufzupäppeln. Gestärkt kehrten Mutter und Kinder nach zwei Monaten in die Steiermark zurück. Rosa nahm Gelegenheitsarbeiten im Gastgewerbe an und erhielt schließlich eine Stelle als Hausverwalterin und „Mädchen für alles“ in einer Gästevilla. Auch ihr Mann fand  eine gute Anstellung bei den Stadtwerken Graz. Das Paar legte jeden übrigen Groschen auf die hohe Kante. Rosa hielt Hühner und Schweine, um ihr Haushaltsgeld aufzubessern. Schließlich reichte das Geld für den Kauf eines Grundstückes. Bald begannen Hans und Rosa mit dem Bau ihres Eigenheimes, in dem sie auch Gästezimmer einrichteten.
Mit Willenskraft und Tatendrang hat sich Rosa  durchs Leben gekämpft. Dabei geholfen hat ihr der sturer „Vinschger Grint“. „An settan Grint hoobm a di Steirer, meint sie. „Deis verbindet inz.“ Obwohl sie sich in ihrer neuen Heimat gut eingelebt hat, ist ihr Herz im Vinschgau geblieben und die Besuche in Prad berührten sie jedes Mal. Dass sie sich nicht öfters die Zeit dafür genommen hat, tut ihr heute leid. „Iaz mit 90 isches z`spat“, sagt sie. Im kommenden Frühjahr möchte sie ihre Herkunftsfamilie noch einmal besuchen. „S Hinfohrn isch leicht“, betont sie, obr s`Wegfohrn tuat wea.“ Dann kommt wieder das Heimweh.

Magdalena Dietl Sapelza

Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau


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