Dienstag, 23 August 2011 07:52

„... i honnan aufprocht“

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Menschen - Katharina Alber Gurschler

s15_148Mit 99 Jahren fuhr Frau Katharina kürzlich mit dem Vinschgerzug zu einer Geburtstagsfeier, begleitet von ihrer Tochter Anna. „Dr nuie Vinschgerzug isch flott “, sagt Katharina. „Obr di Littorina isch aa a flotter Zug gweesn“. Es waren für sie einst Sternstunden, wenn sie in die „Littorina“ einsteigen durfte. Denn das kam selten vor. Meist war sie auf dem „Stadlhof“, einem stattlichen Hof mit Knechten und Mägden am Schlanderser Sonnenberg, unabkömmlich.


Ihre Mutter hatte sie nie richtig kennen gelernt. Sie  war vier Jahre alt, als diese an einer Lungenentzündung starb. „In dr sell Zeit sain viele an Lungenentzündung gstorbm“, sagt sie. Ersatzmutter für die sieben kleinen Kinder wurde eine Magd, die die Mutter vor ihrem Tod hatte darum gebeten hatte. „Di Basl Moidl isch guat zu inz gweesn unt hott inz vorn strengan Votr in Schutz gnumman“, erinnert sich Katharina. Die Schule besuchte sie am Berg zusammen mit 30 Kindern. Nach Schlanders kam sie nur an den Sonntagen zur Hl. Messe. Eine Stunde Fußmarsch bewältigte sie abwärts und zwei Stunden heimwärts. Katharina wäre gerne Köchin oder Schneiderin geworden, doch ihr Vater ließ es nicht zu. Gerne wäre sie auch zum Tanz gegangen, wenn auf Nachbarhöfen gefeiert wurde. Auch das wurde ihr verwehrt. Manchmal schlich sie sich fort. „I bin pan Fenster ausi odr jemand hot mi ausigschwindelt“, erzählt sie. Groß war ihre Freude, als sie für ein halbes Jahr im Neumarkter Widum aushelfen durfte. Gerne wäre sie länger geblieben, doch der Vater holte sie heim.
Dann trat Sepp Gurschler vom „Steinhof“ am Nördersberg in ihr Leben. Sie kannte ihn seit der „Feiertagsschule“. Ein Jahr lang trafen sie sich an den Sonntagen. 1940 beschlossen sie zu heiraten. „Weil i volljährig gweesn bin, hot dr Voter jo sogn gmiaßt“, erklärt sie. Der „Steinhof“ wurde ihr neues Zuhause. Neben ihrem Mann lebten dort der Schwiegervater, ein Schwager und eine Schwägerin. Es war Kriegszeit und  Katharina und Sepp mussten Getreide stellen. Um weniger abgeben zu müssen, versteckten sie Roggen unter dem Bretterboden in der Stube. Das Leid des Krieges bekam Katharina voll zu spüren. Zwei Brüder fielen. Sie war froh, dass ihr Mann als Standschütze im Land bleiben konnte.
Katharina schenkte acht Kindern das Leben, vier Mädchen und vier Buben. Alle kamen auf dem Hof zur Welt. Einmal war sie bei der Geburt ganz allein, während sich alle Mitbewohner beim „Gertraudi-Markt“ in Goldrain aufhielten. „Wenn si kemman sain, honn i an Bua kopp“, sagt sie. „Olz isch guat gongan.“ Glücklich ist sie, dass sie ihren erstgeborenen Sohn Jörg retten konnte, der im Alter von zehn Tagen plötzlich todkrank war. Strikt hielt sie sich an die Weisungen des Arztes, flößte ihm alle drei Stunden den medizinischen Brei ein. „Olle hoobm gmoant,i bringan ihm nit auf, obr i honnan aufprocht“, freut sie sich. Mit vereinten Kräften meisterte sie auch die entbehrungsreichen Jahre nach dem Brand, der 1952 den Hof  zerstörte. „Viele Leit hobm inz Getroad gschenkt, weil Gelt hoobm si koans kopp“, meint sie.
Die Kinder zogen aus. Tochter Monika entschied sich für ein Klosterleben bei den „Schwestern unserer lieben Frau“. Bei der Einkleidung in Rom war Katharina dabei. Ihr Mann hatte mit der Entscheidung lange zu kämpfen. Nachdem ein Sohn den Hof übernommen hatte, machte Katharina Platz und zog zum anderen Sohn nach Laas, der für sie eine Wohnung bereitstellte. 33 Jahre lebte sie dort und fühlte sich wohl. Ihr Mann pendelte zwischen dem Hof und Laas. 1978 starb er. Seit vier Jahren lebt sie bei ihrer Tochter in Schlanders, die sie liebevoll betreut. Katharina nimmt das Alter und ihre Gebrechlichkeit gelassen und meint: „I möchte nimmer jung sain. Unt wenn schun, nor tat i oft mitn Zug fohrn“

Magdalena Dietl Sapelza

Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau


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