Vinschger Chöre suchen Nachwuchs

geschrieben von Ausgabe 8-19

s7 4990Im Vinschgau wird gerne und begeistert gesungen. Viel Zuspruch erfahren Chorprojekte, die innerhalb kurzer Zeiträume ablaufen und auf einen oder mehrere Auftritte hinzielen. Nachwuchssorgen haben jedoch viele traditionelle Chöre, die das ganze Jahr über im Einsatz sind, darunter vor allem Kirchenchöre.

von Magdalena Dietl Sapelza

Gerne beteiligen sich Sängerinnen und Sänger aller Altersgruppen an zeitlich überschaubaren Chorprojekten, so an Musical-Produktionen, an Gospelchor-Konzerten, oder an  Auftritten zu speziellen Anlässen, wie Erstkommunion oder Firmung.

Über Nachwuchssorgen klagen jedoch die traditionellen Chöre und speziell die Kirchenchöre. Das wurde kürzlich beim Kleinbezirkstreffen Obervinschgau in Glurns deutlich, zu dem der Glurnser Chorleiter Martin Moriggl eingeladen hatte. Mit dabei war auch der Bezirksobmann des Chorverbandes Burggrafenamt/Vinschgau Karl Werner aus Riffian.
Dieser hatte nach seinem Amtsantritt 2016 die Kleinbezirkstreffen eingeführt, die sich bereits nach den ersten Treffen als sehr fruchtbringende Diskussionsplattformen erwiesen - so auch in Glurns. Dort waren unter anderem die Nachwuchssorgen ein Thema. Und es wurde nach Möglichkeiten  gesucht, diese zu überwinden und Intersierte gezielt anzusprechen.
Einst waren Kirchenchöre eine feste Institution in jeder Pfarrgemeinde. Singbegabte Bürgerinnen und Bürger empfanden es als Ehre, Teil davon zu sein. Denn der sonntägliche Kirchgang gehörte einst wie selbstverständlich zum Wochenrhythmus. Mittlerweile hat sich das geändert. Das Schwinden der Kirchenchormitglieder hänge nicht zuletzt mit dem Schwinden der Kirchgänger zusammen, meinte Moriggl. Außerdem seien jene, die im Chor singen, meist auch noch bei anderen Vereinen aktiv, was zu Terminschwierigkeiten führe. Ein Fakt sei es auch, dass sich beispielsweise Jugendliche nicht mehr gerne binden lassen, auch weil sie aus einer breiten Palette an Freizeitangeboten wählen können. Regelmäßige Chorproben und die fast verpflichtenden Auftritte in der Kirche werden oft als zu belastend empfunden. Besonders intensiv sind die Auftritte an Feiertagen wie Weihnachten und Ostern.
Kirchliche Chorliteratur ist möglicherweise auch nicht immer nach jedermanns/frau Geschmack. Ein Kirchenchor wird zudem von vielen als eine in sich geschlossene unzugängliche Gruppe wahrgenommen, was daran hindern könnte, sich anzuschließen. Möglicherweise spielt auch die Angst eine Rolle, gesanglich nicht zu entsprechen.
Tatsache ist, in vielen Chören sind Sängerinnen und Sänger gemeinsam - ohne  jugendlichen Nachwuchs - alt geworden. Und das gilt nicht nur für Kirchenchöre. Man könne jedoch nicht nur zu jammern, sondern müsse nach Wegen zu suchen, wie man SängerInnen gewinnen könnte, so Moriggl. Denn geistliche Chorliteratur sei genauso schön wie jede andere. Man sollte Interessierte in das Chorleben hinein schnuppern lassen, um sie zu gewinnen.
Die Kirchenchöre hätten derzeit alle ihre „Wehwehchen“, sagte auch der Musiklehrer und Leiter des „Vinschger Chores“ Gernot s7 4997Niederfriniger. Möglicherweise sei deren Repertoire zu sehr auf das Kirchliche ausgerichtet. Es sollte vielleicht etwas lustiger, weltlicher sein und das Gemüt mehr ansprechen. Denn grundsätzlich gehe es in jedem Chor um gesungene Musik und deren bunte Ausformungen. Chorsingen solle Spaß machen. Chorleiter Otto Telser aus Laas ist einer der wenigen Chorleiter ohne Nachwuchssorgen. Er spreche die Menschen im Dorf gezielt an, er mache Mundpropaganda und habe damit Erfolg. Man müsse alles daran setzen, die Lust am Singen in seiner bunten Vielfalt zu wecken. Dabei spiele auch die Geselligkeit eine große Rolle. Allzu schwere Literatur sei für viele abschreckend, und darauf gelte es zu reagieren.
Es hängt also einiges davon ab, wie es dem Chorleiter/ der Chorleiterin gelingt, zu motivieren. Motivierte Sängerinnen und Sänger singen grundsätzlich gerne, ob im kirchlichen oder im weltlichen Bereich und freuen sich auf Auftritte. Und in der Kirche bieten sich  diese regelmäßig.
Das Singen im Kindesalter ist sehr beliebt und wird auch gefördert, so im Rahmen der musikalischen Früherziehung, in der Grund- und Mittelschule, bei Sing- und Musizierwochen, in den Musikschulen, bei unterschiedlichen Musikprojekten, wie in der  „Musikalischen Woche“ in Schluderns  der GWR. Die Begeisterung flacht dann meist mangels Möglichkeiten im jugendlichen Alter wieder ab. Viele kehren dem Singen den Rücken. Um das Singen ins Erwachsenenalter hinein zu retten, gilt es diese Lücke zu schließen. Man müsse für Kontinuität vom Kindes- bis ins Erwachsenenalter sorgen. Von Seiten der Musikschulen möchte man den Schwerpunkt wieder mehr als bisher auf das Singen setzen, sagte Hubert Eberhöfer, der als Vertreter der Musikschulen zum Treffen gekommen war. Er gab jedoch zu bedenken, dass das derzeit zur Verfügung stehende Stundenpensum viel zu gering sei.
Bezirksobmann Karl Werner wies darauf hin, dass alle sechs Chorbezirke in Südtirol dieselben Sorgen mit dem Nachwuchs haben. Bei einer kürzlich abgehaltenen Klausurtagung sei man zum Schluss gekommen, dass man beim Chornachwuchs viel zu lange geschlafen habe. In der Grund- und Mittelschule werden noch gesungen, dann sei fertig. Und das führe zur besagten Lücke, die sich dann nur mehr schwer schließen lasse. „Wir werden von vorne anfangen müssen:“ Von Seiten des Chorverbandes aus sei der Kontakt mit dem Jugenddienst gesucht worden, mit dem Ziel, eine Basis für das Singen zu schaffen. Der Jugenddienst betreut neben den Jungendlichen zwischen 14 und 20 Jahren auch die Jungschar. Die ersten Treffen haben bereits stattgefunden und sind vielversprechend. Man plane gemeinsame Projekte, die sich nach dem Geschmack der Jugendlichen richten. Das Ganze sollte in der Auswahl der Lieder nicht zu hochgestochen sein. „Wenn wir die Jugend wieder für das Singen gewinnen, bekommen wir langfristig auch wieder Sängerinnen und Sänger“, so Werner. „Deshalb unterstützen wir grundsätzlich alle Projekte, bei denen gesungen wird, auch außerhalb des Chorverbandes. Wer das Chorsingen einmal miterleben kann, wird vielleicht angeregt, sich diesem anzuschließen.“
Eine wichtige Basis für eine blühende Chorlandschaft ist die Aus- und Weiterbildung, vor allem auch der Chorleiter. Denn es brauche nicht nur Sängerinnen und Sänger, sondern auch ChorleiterInnen. In beiden Bereichen will man im Bezirk nun offensiver an die Sache herangehen. Einen Motivationsschub für die Obervinschgauer Chorlandschaft erwarten sich viele vom neuen Organisten im Kloster Marienberg Lukas Punter. Er habe, laut Niederfriniger, die Voraussetzung und das Zeug, „das Feuer weiterzugeben“.
Die Musikpädagogin Martina Wienchol regte an, auf Bezirksebene mit Singprojekten öfters Gemeinschaftserlebnisse zu schaffen. Man müsse sich die Frage stellen: „Wie bringe ich eine träge Masse wieder in Bewegung“. Angesprochen wurden auch die Organisation eines ortsübergreifenden offenen Erntedanksingens möglicherweise noch im kommenden Herbst und die gemeinsame Wallfahrt am Pfingstmontag 2020 nach Trafoi mit Umrahmung des Gottesdienstes - zusammen mit den Musikkapellen Prad und Burgeis.


Vorzüge des Singens
Singen ist gut für Gesundheit und Gemüt. Singen eignet sich hervorragend zum Entspannen. Man kann Alltagssorgen vergessen, Freundschaften und Geselligkeit pflegen.

Singen
•     wirkt positiv auf den Stimmapparat
•    kräftigt die Lungenfunktion
•    regt den Kreislauf an
•    fördert Gemeinschaft
•     kann bis ins hohe Alter mit Freude gepflegt werden
•     beugt der Einsamkeit vor

Singen ist eine durch und durch gesunde Angelegenheit.
Also: Singe im Chor, schenke dir Zeit und tu dir was Gutes.

 

Der Chorverband Burggrafenamt/Vinschgau:

s7 chor logoChorverband Burggrafenamt/Vinschgau von Reschen bis Töll gibt es an die 50 aktive Chöre. Diese sind unter der Dachorganisation Chorverband Südtirol organisiert, mit insgesamt 419 Chören und 10.651 Sängerinnen und Sängern. Von den 50 Vinschger Chören sind 29 Kirchenchöre.

Bezirksvorstand:
Karl Werner aus Riffian (Bezirksobmann), Josef Sagmeister aus Lana (Bezirkschorleiter), Anton Gögele aus Lana (Bezirksobamm Stellvertreter), Stefan Gstrein aus Naturns (Schriftsführer), Heidi Warger aus Taufers i. M. (Kassiererin), Martin Pirpamer aus Moos/Passeier, Ulrike Moosmair aus St.Martin/Passeier, Julia Perkmann aus Partschins und Peter Berger aus Meran als Beiräte.

Ansprechpartner:
Wer daran interessiert ist, sich  bei einem Chor zu melden, oder  wer hinein schnuppern möchte, melde sich bei folgenden Chorleitern und Chorleiterinnen:
Obervinschgau:
Ernst Thoma (Mals) 0473 830419;
Martin Moriggl (Glurns) 3404088597;
Gernot Niederfriniger (Mals) 3355628004
Untervinschgau:
Agnes Steger Trafoier (Latsch) 3496399027; Miriam Blaas (Kastelbell/Tschars) 3494502814; Stefan Gstrein (Naturns) 0473 660083

Weitere Infos: Südtiroler Chorverband:
www.scv.bz.it

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