Dienstag, 04 Oktober 2016 09:26

„Nicht mehr, sondern besser bauen“

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s40 3677Der junge Prader Architekt Daniele Capra hat drei Jahre lang in einem Architekturbüro in Deutschland gearbeitet und dort Projekte aller Leistungsstufen abgewickelt. Nun ist er in den Vinschgau zurückgekehrt. Sein erstes Projekt in der Heimat ist die gelungene Innenraumgestaltung der „Bar Loki“ in Schluderns.  Der Vinschgerwind hat mit ihm gesprochen.

Interview von Magdalena Dietl Sapelza

Vinschgerwind: Sie haben drei Jahre lang als Architekt in Bayern gearbeitet. Was hat Sie bewogen, in den Vinschgau zurückzukehren?


Daniele Capra: Vor zirka einem Jahr er-gab sich die interessante Möglichkeit, die Innenraum-Gestaltung der „Bar Loki“ in Schluderns zu übernehmen. Nach drei Jahren in Deutschland war das für mich der richtige Zeitpunkt zurückzukehren und als Architekt selbst etwas in die Hand zu nehmen. Das beste Umfeld dazu bietet natürlich die Umgebung in der man aufgewachsen ist, mit der man sich identifiziert und in der man sich deshalb einbringen und etwas bewirken möchte. Es ist vielleicht auch eine Besonderheit der Südtiroler, so stark mit der Heimat verwurzelt zu sein.

Vinschgerwind: Welche Erfahrungen bringen Sie aus Bayern mit?
Capra: Die Erfahrungen im Architekturbüro in Bayern waren für mich wichtig, lehrreich und bereichernd. Ich habe dort nicht nur gelernt, Bauprojekte eigenständig abzuwickeln, sondern hatte auch immer wieder einen interessanten Austausch mit vielen Arbeitskollegen und interessanten Menschen. Zudem gibt mir die Erfahrung im Ausland die Möglichkeit, das heimische Geschehen im Bau- und Architekturbereich von außen zu betrachten, dadurch besser einzuschätzen und zu  vergleichen.

Vinschgerwind: Welche Vergleiche stellen Sie an?
Capra: Im Vergleich zur städtischen Umgebung ist in unserem alpinen Lebensraum das Zusammenspiel Gebautes-Landschaft und die sich daraus ergebende Kulturlandschaft ein sehr wichtiges Thema. Architektur hier bewegt sich stärker im Schnittfeld mit unserer teils noch gelebten traditionellen Kultur und unserem ländlichen Umfeld. Und das ist wichtig für unsere Identität. Hier müssen wir aufpassen, dass diese durch die starke Bautätigkeit nicht verloren geht. Gerade was die Erschließung von neuem Wohnraum betrifft, kann man sich auch die städtischen Strategien dazu ansehen, die sich mit diesem Thema schon länger beschäftigen. Diese setzen auf Verdichtung, schützen Grün- und Erholungsflächen, gehen immer mehr in Richtung einer auf Fußgänger und Radfahrer orientierten Stadt, anstelle einer Automobilstadt. Sie experimentieren und fördern neue Wohnmodelle wie das Bilden von Wohnbaugruppen und Wohngemeinschaften. Aufgefallen ist mir, dass in den ländlichen Gebieten Süddeutschlands weniger Flächen für neue Wohngebiete erschlossen werden.

Vinschgerwind: Abschied vom Traumhaus im Grünen?
Capra: Neubauten im Grünen und neue Wohnbauzonen wird es auch weiterhin geben, und das ist je nach Situation auch in Ordnung. Gerade bei der Erschließung von neuen Wohnbauzonen ist es sehr wichtig schon im Vorfeld, in den Durchführungsplänen die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Hier sollten schon Themen wie die Schaffung eines dörflichen Ensembles, Integration öffentlicher und halböffentlicher Flächen und Festlegungen für ein einheitliches Erscheinungsbild behandelt werden. Bevor man aber neue Flächen erschließt, sollte die Priorität auf der Nutzung der bestehenden Bausubstanz liegen. Dazu haben einige Gemeinden bereits wichtige Schritte in diese Richtung gesetzt und auch begonnen die Bevölkerung dafür zu sensibilisieren. Positiv stimmt mich, dass das Wohnen in sanierten Häusern zunehmend attraktiver wird, auch dank gut durchdachter Planung, die hohe Lebensqualität auch in alten Mauern schaffen kann. Wir haben speziell hier im Vinschgau das Glück, noch viele schöne gut erhaltene historische Ortskerne zu haben. Diese gilt es zu erhalten, wir müssen sie als etwas Wertvolles schätzen. Es geht darum nicht mehr, sondern besser zu bauen.

Vinschgerwind: Was ist für Sie gute Architektur?
Carpa: Für mich ist gelungene Architektur,  wenn etwas Gebautes die Bedürfnisse der Nutzer nicht nur auf ganz banale Art und Weise erfüllt, sondern individuelle Antworten findet und auch  zu überraschen vermag. Darüber hinaus setzt sich gute Architektur mit dem gebauten, dem kulturellen und sozialen Umfeld auseinander und schafft so auch Werte, die über das Benutzen/Bewohnen hinausgeht. Intelligente Architektur zeichnet sich oft durch Einfachheit aus. Gerade was das Wohlfühlen eines Menschen im Gebäude betrifft, sind nicht einzig die fortschreitende Haustechnik und die neuen Bautechnologien die Wege, die zum Ziel führen; auch nicht nur die formale Gestaltung sondern eher die Situationen und Möglichkeiten, die Gebautes schaffen kann.

Vinschgerwind: Harmonie zwischen Außenhülle und Innengestaltung?
Capra: Bei einer gelungenen Umsetzung stehen Außen und Innen zueinander in Beziehung. Gerade der Innenraum eines Gebäudes beeinflusst uns Menschen als Bewohner. Ich beschäftige mich zunehmend mit der Frage: wie wirkt Gebautes auf die Bewohner, und ich setze mich mit Antworten darauf auseinander. Diese können uns helfen eine Anleitung für qualitativ hochwertige, auf die menschlichen Bedürfnisse fokussierte Architektur zu finden. In diesem Zusammenhang ist natürlich der Austausch und die Zusammenarbeit mit den Bauherren wichtig. Wir sollten uns immer vor Augen führen, dass wir ja für uns Menschen bauen, die sich wohlfühlen möchten. Diese „menschliche“ Komponente, sowie der Wunsch nach lokalen und individuellen Eigenheiten gehen leider oft durch die Mechanismen des freien globalisierten Marktes und durch die Standardisierung im Baugewerbe unter. Hier möchte ich die Bauherren zum Nachdenken anregen, um dann miteinander etwas zu entwickeln.  

Vinschgerwind: Konkretes Beispiel: Was waren die Überlegungen zur Innenraumgestaltung der Bar Loki?
Capra: Grundgedanke der Gestaltung ist die Verwendung von möglichst echten und „rohen“ Materialien, die großflächig zum Einsatz kommen, um eine atmosphärische Raumstimmung und Qualität zu erreichen. Gemeinsam mit dem Betreiber und Bauherren Martin Pinggera und den ausführenden Handwerkern haben wir immer wieder Musterflächen anfertigen lassen, um die Oberflächen aufeinander abzustimmen. So dominieren jetzt Holz, unbehandelter Stahl und ein dunkler Zementspachtelboden den Innenraum.
Starke Balken aus Holz laufen über die gesamte Deckenuntersicht. Ursprünglich war sogar angedacht, diese weiter über den Holzterrassenhof zu spannen, um so durch das seitliche Öffnen der Glasfassade  innen und außen zu einem einzigen großen Bereich werden zu lassen. Um den vielfältigen Nutzungsanforderungen des Lokales gerecht zu werden, wurden die verschiedenen Bereiche bewusst der jeweiligen Nutzung in gestalterischer und atmosphärischer Hinsicht angepasst. So kann der Betrieb morgens als Frühstücksbar, über den Tag als Bistro-Restaurant und abends als Bar mit gelegentlichen Live-Auftritten geführt werden.

Vinschgerwind: Wie sehen Sie ihre Zukunft im Baumarkt im Vinschgau, der von einer Vielzahl an Architekten umkämpft ist?
Capra: Mein Job als freier Mitarbeiter in der Maßtischlerei Zischg in Prad gibt mir eine gewisse Sicherheit und ist eine schöne Ergänzung zu meiner selbstständigen Tätigkeit als Architekt. Ich hoffe weiterhin auf interessante Aufträge, und versuche offen zu sein für alles, was auf mich zukommt. Eine gewisse Flexibilität möchte ich immer beibehalten.

Daniele Capra, Prad am Stilfser Joch
2004 – 2012:     Architektur-Studium an der Universität Innsbruck und Mailand, Diplomarbeit bei Architekt Andreas Flora zum Thema „Aufbruch“ -Reaktivierung leer stehender Bausubstanz in Glurns
2012:     Staatsprüfung für Architekten in Venedig
2012 – 2013:     Mitarbeit in den Architektur-Büros Wallnöfer und Zanzotti in Schluderns
2013 – 2016:     Mitarbeit im Architektur Büro Beer Bembe`Dellinger in Greifenberg/Deutschland
seit 2016     freischaffender Architekt
bisherige Projekte: Bar Loki Schluderns, InnenraumGestaltungen für die Maßtischlerei Zischg in Prad, verschiedene Wettbewerbe

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