Dienstag, 17 März 2015 15:38

Nationalpark Stilfserjoch - permaqua - Schlusskonferenz zum Forschungsprojekt Blockgletscher

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BG RossbankWolfgang Platter, am Tag des Hlg. Gregor des Großen (540-604), 12. März 2015

Permaqua ist der Titel für ein Forschungsprojekt über den Permafrost und seine Auswirkungen auf den Wasserhaushalt und die Gewässerökologie im Hochgebirge. Dieses Projekt wurde mit Finanzmitteln aus dem Interreg IV-Topf Italien – Österreich finanziert, vom Südtiroler Landesgeologischen Dienst unter Volkmar Mair koordiniert und von Südtiroler und Nordtiroler Forschungseinrichtungen in den Jahren 2011-2014 durchgeführt. Am 26. Februar d.J. hat in Bozen die Schlusskonferenz mit der Vorstellung der wissenschaftlichen Ergebnisse und die Zusammenschau mit dem Wissensstand aus anderen Untersuchungen stattgefunden.

 

Blockgletscher und Permafrost
Blockgletscher sind unterirdische Eiskörper im Gebirge. Permafrost hingegen ist nach der internationalen Definition gefrorener Boden, der für mindestens zwei Jahre durchgehend gefroren bleibt. Bei den Blockgletschern werden aktive, inaktive und fossile Blockgletscher unterschieden. Der Eisgehalt in aktiven Blockgletschern beträgt 10-15% ihres Gesamtvolumens. Auch Blockgletscher fließen zu Tal wie die oberirdischen Eisgletscher. Mit 0,2-0,3 Meter pro Jahr ist ihre Fließgeschwindigkeit aber klein im Vergleich zum Fließen der oberirdischen Eisgletscher. In Südtirol ist der Lazaun-Blockgletscher im Schnalstal besonders gut untersucht.
Prof. Karl Krainer von der Universität Innsbruck gibt die Gesamtzahl der Blockgletscher für Nordtirol mit 3.145 und für Südtirol mit 1.467 an, deren Gesamtfläche für Nordtirol mit 167 km² und für Südtirol mit 73 km². Alle Blockgletscher haben eine relativ steile Stirnfront und Abflussquellen. Die Wassertemperatur von Quellen aus aktiven Blockgletschern ist ganzjährig konstant tief und liegt bei knapp über Null Grad Celsius, was aus dem kontinuierlichen Abschmelzen des Eises im Inneren der Geröll- und Schuttmassen und der Lockersedimente  erklärbar ist. Nicht blockgletscherbeeinflusste Quellen im Hochgebirge haben hingegen einen saisonalen Gang der Wassertemperatur mit tieferen Temperaturen im Winterhalbjahr und höheren im Sommerhalbjahr. Durch das Abschmelzen des Eises in Blockgletschern infolge des Auftauens von Permafrost durch die Klimaänderung erhöht sich das Wasserspeichervermögen in den Lockersedimenten der Blockgletscher.

Schwermetalle in Hochgebirgsseen
Eine zunächst überraschende Erkenntnis der bisherigen Untersuchungen von Blockgletschern ist jene, das blockgletscherbeeinflusste Abflussquellen hohe Gehalte von Metallen, besonders Nickel aufweisen. Die Herkunft des Nickels ist noch ungeklärt. Eine geogene Entstehung durch Auswaschung aus dem Gestein kann nach Volkmar Mair ausgeschlossen werden. Andere Erklärungsversuche über die Herkunft des Nickels sind Meteoriteneinschläge, Ablagerung von Aschen aus Vulkanausbrüchen oder großflächige Brände mit

Verbrennung von Biomasse.
Die überraschenden und zunächst unerklärlichen Veränderungen in der Wasserchemie von Hochgebirgsseen waren der Ausgangspunkt, die Forschungen zur chemischen Zusammensetzung von Seen und Fließgewässern im Hochgebirge und zu ihrer Ökologie zu beginnen Rossbank Kathrin Langund zu verdichten. So fand die Limnologin Berta Thaler, im Südtiroler Landeslabor zuständig für Südtirols Seen, auffällige Veränderungen in der Wasserchemie des Rasass-Sees in Schlinig. Normalerweise verändern sich Hochgebirgsseen aufgrund ihrer Lage in Chemismus, Plankton und Benthos (Bodenwasser-Mikrofauna) nur langsam. Im Zuge der inzwischen eingesetzten Untersuchungen wurde klar, dass diese  auffälligen Veränderungen in der Wasserchemie von Seen und Fließgewässern mit dem Abschmelzen von Blockgletschern zusammenhängt.

Der Lazaun-Blockgletscher in Schnals
Ulrike Nikus von der Universität Innsbruck hat die Wasserchemie von Blockgletscherbächen untersucht und dabei im Zeitraum 2007-2014 auch verschiedene Quellen und Abflüsse am Lazaun-Blockgletscher in Schnals unter die Lupe genommen. Dabei wurden unterschiedliche Quelltypen (Eisgletscher-Quellen, Blockgletscher-Quellen, Oberflächenwasser-Quellen) untersucht. Die Untersuchungen von Ulrike Nikus haben ergeben, dass die  Sulfat-, Magnesium- und Calcium-Ionen 99% der Ionensumme von Blockgletscher-Quellen ausmachen. Die Abflussquellen am Lazaun-Blockgletscher wurden auch auf Nickel untersucht. Dabei ließen sich drei verschiedene Klassen von Nickel-Konzentrationen kategorisieren. In der höchsten Konzentration wurde ein Nickelgehalt von 0,1-0,2 mg/l festgestellt. Dies entspricht der 10-fachen Konzentration des Grenzwertes für das Trinkwasser. Durch die Vermischung des Abflusswassers mit Wasser aus nicht blockgletscherbeeinflussten Bächen erfolgt talwärts aber eine Verdünnung des Nickelgehaltes. Prof. Gerfried Winkler vom Institut der Erdwissenschaften der Universität Graz, der die Hydrogeologie von reliktischen Blockgletschern in den Niederen Tauern in der Steiermark untersucht hat, gibt an, dass bis zu 30% der Gewässer in den Haupttälern Blockgletscher beeinflusst sind.

Nickel aus Waldbränden?
Am Lazaun-Blockgletscher lässt sich ob seines Alters die ganze holozäne (nacheiszeitliche) Entwicklung ablesen. Der Lazaun-Blockgletscher hat nämlich mehrere Wärmezeiten überdauert und ist in diesen Wärmeperioden nicht abgeschmolzen. Aufgrund von Einschlüssen konnte das Eis des Lazaun-Blockgletschers mit der Radiocarbon-Methode auch altersdatiert werden. Besonders hohe Nickel-Konzentrationen konnte Urike Nikus im Eis, feststellen, welches 5.000-2.000 Jahre alt ist. Ich verknüpfe diese Nickel-Konzentrationen im Eis dieses Alters mit der Erkenntnis der Archäologen, die besagt, dass die Ureinwohner des Vinschgaues in der Jungsteinzeit von der Phase nomadisierender Jäger in die Phase von Wanderhirten übergegangen sind. Dabei haben unsere jungsteinzeitlichen Vorfahren durch Brandrodung großflächig Wälder zur Weidelandgewinnung für ihre Schafe und Ziegen als erste domestizierte Haustiere angezündet. Dann könnte das Nickel, das heute aus den Blockgletschern ausschmilzt, aus der Verbrennung von Holz dieser nacheiszeitlichen Leitenwälder stammen.

Ökologie von Seen in Permafrostgebieten
DSC 1874Besonders interessant und aufschlussreich war auch das Referat von Dr. Berta Thaler im Rahmen der Schlusskonferenz permaqua. Berta Thaler  hat in den letzten Jahren insgesamt 33 Hochgebirgsseen untersucht. Im Rahmen des Interreg IV-Projektes Permaqua wurden 5 Seen genauer untersucht, 3 davon in Südtirol und 2 in Nordtirol. Unter den untersuchten Seen war auch einer der Upiaseen in Matsch. Er wurde 2013 besammelt. Die Untersuchungen seiner Wasserchemie ergaben leicht erhöhte Nickel-Gehalte. Normalerweise ändert sich die Wasserchemie der Hochgebirgsseen langsam und wenig. Eine Ausnahme bilden die Seen, welche aus blockgletscherbeeinflussten Abflüssen gespeist werden.
Zur Frage „Sind Hochgebirgsseen unberührte Landschaften?“ können wir aus limnologischer Sicht heute sagen: Nur mit Einschränkungen: Die Hochgebirgsseen erfahren heute Veränderungen durch folgende vier Faktoren: die Eutrophierung (Überdüngung aus Almbeweidung), Fischbesatz, Luftverschmutzung und Klimawandel (Auftauen von Permafrost).

Naturgefahren aus Permafrostböden
Auf das Referat des Landesgeologen Dr. Volkmar Mair „Naturgefahren aus Permafrostböden“ wird aus Platzmangel ein anderes Mal einzugehen sein. Für heute nur so viel: Durch das Auftauen von Permafrost in Böden und Fels werden Berge und Hänge instabiler und Felsstürze und Murabgänge nehmen zu. Dies ist auch der Grund weshalb das Phänomen des Permafrostes erhöhtes Forschungsinteresse erfährt und dem Monitoring der Stabilität von Rutschhängen erhöhte Aufmerksamkeit durch unseren Landesgeologischen Dienst zukommt.

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