Nationalpark Stilfserjoch - Das Bartgeierjahr 2020 - Zusammenfassung des Jahresberichtes über das Internationale Bartgeier-Monitoring

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Adulter und subadulter Bartgeier  im Tandemflug. Foto: Salvatore Rossi Adulter und subadulter Bartgeier im Tandemflug. Foto: Salvatore Rossi

Wolfgang Platter, am Tag des Hlg. Matthias, 24. Februar 2021

Das Jahr 2020 war für die Bartgeier im Nationalpark Stilfserjoch ein außerordentlich erfolgreiches: Alle historischen Paare haben ihr Junges zum Ausfliegen gebracht. Das Paar Braulio (zusammengesetzt aus dem Weibchen Stift und dem Männchen Tell) hat mit der Eiablage bereits am 6. Dezember 2019 wieder sehr früh mit der Brut begonnen und das Junge ist am 10. Juni 2020 ausgeflogen. Der Jungvogel des Paares Livigno (gebildet aus dem Weibchen Felix und dem Männchen Heinz Serraglio) ist am 22. Juni als 15. Bruterfolg dieses Paares ausgeflogen. Im Südtiroler Parkanteil haben das Paar Ortler und das Paar Martell am 4. Juli ihr 3. bzw. 6. Junges aus dem Nest entlassen. Das Paar Sondalo, das 2016 sein Territorium bezogen hat, hat bis jetzt kein Brutverhalten gezeigt.
Das Schnalser Paar außerhalb der Nationalparkgrenzen hat am 30. Juni sein 3. Junges erfolgreich zum Ausfliegen gebracht. Das Männchen des Schnalser Paares konnte 2020 aus genetischen Analysen identifiziert werden: Es ist Pep-Albula, geboren 2013 im Engadin.
Leider hielt der Misserfolg des Planeiler Paares auch 2020 an. Seit dem Bezug des Territoriums 2012/13 sind alle bisherigen Bruten misslungen. 2019 und 2020 ist es nicht mehr zur Eiablage gekommen. Und seit Herbst 2020 wurde einer der beiden Paarpartner nicht mehr gesehen.

Telemetrierter Junggeier „Penti“ 2020
In Zusammenarbeit mit der Internationalen Bartgeierstiftung hat sich der Nationalpark Stilfserjoch am internationalen Programm zur Satellitentelemetrie von jungen Geiern aus Naturbruten beteiligt. Hierzu wurde der Jungvogel 2020 des Paares Livigno (Weibchen Moische 1993 und Männchen Cic 1993) durch Abseilen von Bergsteigern am 12. Juni in seinem Nest besendert. Zum Gedenken an DSC 17750003den 2020 verstorbenen Förster Christian Pentori wurde der Junggeier „Penti“ genannt. In den Monaten August bis Dezember 2020 sind 50.000 Daten zur Ortung und Raumnutzung des Vogels eingegangen.

Die alpenweite Situation
Im abgelaufenen Jahr 2020 sind in den Alpen drei neue territoriale Paare entdeckt worden. Das internationale Bartgeier-Monitoring umfasste 2020 in den Alpen 54 Paare und 3 Trios. Reproduktion ist in 52 Territorien erfolgt (20 CH, 17 F, 11 I, 4 A), davon 4 Erstlingsbruten, wovon nur eine erfolgreich war (Berner Oberland). Von den 52 Brutpaaren sind 36 Jungvögel flügge geworden, 16 Paare haben nicht erfolgreich gebrütet: Es gab 10 Verluste während der Brut und 6 nach dem Schlupf. Mit 36 von 52 Bruten lag der Bruterfolg bei 69%.

Ein Blick über die Alpen hinaus
Auf Korsika haben von den 4 bekannten Paaren 2 gebrütet, eines davon mit Erfolg (Bonifatu), das zweite hatte Misserfolg (Popolasca). Im französischen Zentralmassiv hat das einzige anwesende Paar (Adonis 2013 u. Layrou 2014) nicht gebrütet. In Andalusien haben von den 4 anwesenden Brutpaaren zwei erfolgreich gebrütet. Ein Junggeier ist am Picos de Europa im Westen der Pyrenäen geschlüpft. Die Bartgeierpopulaton in den Pyrenäen wird auf 1.000 Individuen geschätzt.
Es gab phänomenale Ausbreitungstendenzen und Fernflüge. Der Bartgeier Adonis wurde im Süden Frankreichs identifiziert. Andere Individuen haben neue Gebiet in Nordfrankreich, Portugal und England besucht. Der bereits bekannte Weltenbummler Vigo hielt sich vier Monate in England auf, wo er durch die genetischen Analysen zweier Federn von seinem dortigen Rastplatz identifiziert werden konnte.

Freilassungen
Im Jahr 2020 sind 22 Freilassungen von Junggeiern aus Zoos und Aufzuchtstationen erfolgt: 2 in der Innerschweiz (Melchsee-Frutt), 2 Vercours (F), 2 Baronnies (F),
9 Andalusien (E), 5 Zentralmassiv (F) und
2 Maestrazgo (E).

Verluste
1348B4Im abgelaufenen Jahr gab es 10 dokumentierte Verluste: 6 Totfunde und 4 Wiederauffindungen. Bei 4 der 5 Totfunde konnte die Todesursache festgestellt werden: Abschuss mit Feuerwaffe in Frankreich(1), Verbrennung an Elektroleitung (1, Spanien), Schädeltrauma (1, Spanien), Steinadlerattacke (1, Spanien).

Zoozuchten und Freilassungen
Im Jahr 2020 haben 41 Brutpaare in Zoos und Aufzuchtstationen 71 Eier abgelegt, 53 davon waren befruchtet. Aus 38 Eier ist ein Jungvogel geschlüpft und 25 davon sind flügge geworden. 22 der 25 Jungvögel sind im Rahmen des Wiederansiedlungsprojektes freigelassen worden, 3 zwischen Zoos zur Auffrischung der genetischen Linien ausgetauscht worden.

Langzeitüberblick
Seit Beginn des Wiederansiedlungsprojektes im Jahr 1986 sind bis einschließlich 2019 im Alpenbogen insgesamt 227 Junggeier aus Volierenzuchten freigelassen worden. Seit der ersten Naturbrut im Alpenbogen 11 Jahre später, im Jahr 1997, sind bis 2019 insgesamt 272 Bartgeier aus Naturbruten geschlupft und ausgeflogen. Die Bartgeier-Population in den Alpen wird derzeit auf 300 Individuen geschätzt, während die Verluste im Laufe der 35 Jahre auf 200 Stück geschätzt werden. Bisher wurden 88 Bartgeier der alpinen Population mit Satellitensendern bestückt, 14 davon wurden tot oder in Schwierigkeiten befindlich am Boden wiedergefunden.

Späte Fortpflanzung bei hoher Lebenserwartung
Bartgeier erreichen ihre Geschlechtsreife erst nach 5-7 Jahren und verzeichnen ihre ersten erfolgreichen Bruten als Paar im Schnitt erst nach 8-9 Jahren. Der mittlere Bruterfolg bei 75%. In Gefangenschaft können Bartgeier bis zu 50 Jahre alt werden und sich bis zum 30. Lebensjahr fortpflanzen. Die Strategie “langsame und späte Fortpflanzung bei hoher Lebenserwartung“ ist stör- und verletzungsanfällig. Zwischen 1987 und 2019 sind im Alpenbogen 47 Bartgeier tot und 23 schwer geschwächt aufgefunden worden. Von diesen 70 Funden sind 26 (gleich 37%) an menschlich bedingte Faktoren geknüpft, 30 (gleich 43%) an natürliche Ursachen und 14 (gleich 20%) an unbekannte Ursachen.

 

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