Dienstag, 27 November 2018 00:00

Zwischen Backstube und Ratsstube

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s17 Alois RiedlAm späten Vormittag treffe ich mich im „Café Konditorei Eisdiele Riedl“ mit Alois Riedl, dem Bäcker, Konditor und langjährigen Bürgermeister der Stadt Glurns. Bereits um drei Uhr in der Früh stand er in der Backstube. Riedl erzählte über seine Familie, seine Zeit als Bürgermeister, die Stadtsanierung und von Paul Flora, der in Glurns begraben wurde.

von Heinrich Zoderer

Eis, Kuchen und Brot, Engadiner Torten, Strudel, Topfentaschen und Glurnser Mäuse werden im Café Riedl in der Malsergasse angeboten, alles Eigenproduktion, natürlich und hochwertig.

Vor rund 14 Jahren wurde das Lokal umgebaut, heute ist es ein beliebter Treffpunkt. Glurns, das kleine mittelalterliche Städtchen, wurde vor rund 40 Jahren aus einem Dornröschenschlaf aufgeweckt und wird heute von vielen bewundert und gerne besucht. Aber der Weg dahin war lang und steinig und hat viel mit Alois Riedl zu tun.
Sein Großvater, ein Bauer und Gastwirt in Schlanders, starb im Ersten Weltkrieg. Mit seinem Vermögen wurden Kriegsanleihen gekaufte, die nach dem verlorenen Krieg wertlos waren. So war sein Erbe verloren. Sein Vater arbeitete in der Bäckerei seines Onkels in Mals. Später übernahm er eine Bäckerei in Glurns. Alois Riedl wurde auch Bäcker und Konditor. In der nahen Schweiz lernte er das Handwerk. Später arbeitete er als Konditor im bekannten Kaffee König in Meran und plante mit einem Arbeitskollegen nach Kalifornien zu gehen, um dort zu arbeiten. Der plötzliche Herzinfarkt seines Vaters zwang ihn, im heimischen Betrieb einzusteigen, anstatt in Amerika zu arbeiten. Sein Vater war auch Mitglied im Gemeindeausschuss, interessierte sich für die Heimaltpflege und was in der Welt passierte. Mit seinem Vater besuchte der junge Riedl Lichtbildervorträge der Urania in Glurns. Im Jahre 1969 wurde Alois Riedl erstmals in den Gemeinderat gewählt und mit 24 Jahren zum Vizebürgermeister bestellt. Glurns war damals eine tote Stadt: es gab Abwanderung, kaum Arbeitsplätze, viele landwirtschaftliche Kleinbetriebe und verlotterte Häuser ohne Bad und WC. Die Familien hatten kein Geld, außerdem gab es eine dreifache Einschränkung für alle, die etwas aufbauen wollten. In der Stadt verhinderte das Denkmalamt mit Nicolò Rasmo jede Bautätigkeit, außerhalb der Stadt gab es Verbote durch den Landschaftsschutz, außerdem gehörte das südliche Umland zum Nationalpark und war damit nochmals unter Schutz gestellt. Um auf diese untragbare Situation aufmerksam zu machen, verlas Riedl bei der SVP Landesversammlung in Meran ein zweiseitiges Schreiben. Bei einer stürmischen Bürgerversammlung am Anfang der 70er Jahre mit dem damaligen Landesrat Alfons Benedikter in Glurns gab es ganz unterschiedliche Forderungen. Nicht alle waren von einer Sanierung der Stadt überzeugt. Einige wollten die Stadtmauern und viele alte baufällige Gebäude niederreißen und alles neu aufbauen. „Nicht sanieren, sondern bombardieren“, so brachte es damals ein Glurnser auf den Punkt. In Glurns wurde 1973 ein Sanierungsplan erstellt und vom Land ein Sondergesetz verabschiedet. Der Tauferer Fotograf Martin Fliri Dane gründete einen Verein zur Sanierung der Stadt. Es gelang ihm dafür bekannte Persönlichkeiten wie Paul Flora, Karl Plattner und Gustav Thöni zu gewinnen. In Glurns wurde ein Sanierungsbüro eingerichtet, Walter Fingerle und später Arch. Plankensteiner waren die beratenden Architekten. Schnell und unbürokratisch wurde alles abgewickelt. Riedl erzählt, dass Bürger, welche am frühen Vormittag das Auszahlungsgesuch einreichten, bereits am Mittag in Mals das Geld abholen konnten. Am Anfang war der Höchstbeitrag 3 Millionen, später 12 Millionen Lire. Das Land stellte mehrere Millionen zur Verfügung und wenn das Geld aufgebraucht war, suchte die Stadtverwaltung um einen neuen Beitrag an. Diese schnelle Abwicklung und Auszahlung war ganz entscheidend für den Erfolg. Ab 1978 gab es über Glurns mehrere Fernsehberichte des ORF. Außerdem kamen Architekturstudenten nach Glurns, um alles zu vermessen und damit wertvolle Grundlagen für die Sanierung zu schaffen. Beides wurde von Paul Flora vermittelt und unterstützt. Die am Anfang schwierigen Beziehungen mit dem Denkmalamt änderten sich mit Karl Wolfsgruber und Helmut Stampfer. Beide Denkmalpfleger waren regelmäßig in Glurns präsent, haben mit den Leuten gesprochen und sind auf ihre Wünsche eingegangen. So ist die Stadtsanierung in Schwung gekommen und kann heute als vorbildhaft bezeichnet werden. Riedl, der von 1978 bis 2000 Bürgermeister von Glurns war, musste zwischen den Landesämtern, den Architekten und den Bürgern vermitteln. Eine große Herausforderung für Alois Riedl war 1983/84 der Bau der ganzen Leitungen in der Stadt. Die Trinkwasser-, Abwasser- und Regenwasserleitung, sowie das Telefon- und Stromnetz wurden neu gebaut bzw. in die Erde verlegt. Später bekam Glurns die Kläranlage und die Mülldeponie. Riedl war dabei jeden Tag auf der Baustelle. Und überall war die Zeit zu kurz. Er war unterwegs zwischen der Backstube, der Ratsstube und den Baustellen. Viele Anregungen holte sich Riedl auch bei den internationalen Städtetagungen „Forum Stadt“, einem Netzwerk historischer Städte in Esslingen. Auf Grund seiner Zielstrebigkeit und der großen Verdienste um die Stadtsanierung erhielt Alois Riedl am 28. Oktober bei einem Festakt im Stadtsaal von Glurns die Ehrennadel in Gold. Die Festansprache hielt der ehemalige Landeskonservator Helmut Stampfer.

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