Dienstag, 28 November 2017 12:00

90 Jahre E-Werk Prad

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s11 1314Vinschgerwind-Interview

Vinschgerwind:Die Genossenschaft E-Werk Prad feiert heuer ihr 90-jähriges Bestehen. Nicht viele E-Werke können auf eine derart lange Vergangenheit zurückblicken. Was ist vor 90 Jahren in Prad passiert?
Georg Wunderer: Vor über 100 Jahren haben einige junge Burschen aus Prad in Sulden gesehen, dass dort die Säle von Hotels flott mit elektrischem Licht beleuchtet wurden. Das Suldenhotel hatte ein kleines Kraftwerk.

Das war die Motivation, etwas Ähnliches auch in Prad zu realisieren, eine Stromversorgung also, die es damals in Prad noch nicht gegeben hat. Die Idee dafür tauchte schon um die Jahrhundertwende auf, aber aufgrund der Kriegswirren ist sie nicht verwirklicht worden. Tatsächlich realisiert wurde dann aber in Prad im Jahr 1927, als das erste Kraftwerk am Tschrinbach  in Betrieb genommen wurde.

Vinschgerwind: Wie schwierig war es in den 1920iger Jahren, also in der sog. Faschistenzeit, ein Wasserkraftwerk zu bauen?
Wunderer: Die Investitionskosten für ein kleines Wasserkraftwerk waren damals enorm.  Das kleine Tschrinbachwerk (90 kW Leistung) hat so viel Geld  gekostet, wie damals für den Kauf von 300 Kühen hätte ausgegeben werden müssen. Das war für Prad bzw. für die Genossenschaft, die 1926 gegründet worden war und der 47 Mitglieder (Familien) beigetreten sind, nicht ohne. Die Folge war eine beträchtliche Verschuldung. Darunter hat man jahrelang gelitten.

Vinschgerwind: Das Tschrinbachwerk ist also von 1927 bis Ende der 70er Jahren in Betrieb gewesen...
Wunderer: ...es ist heute noch im Betrieb. Das Kraftwerk wurde jedoch 1982/83 vor allem zwecks Nutzung eines größeren Gefälles komplett neu gebaut. Bis zum Neubau hat das Werk an die 300.000 Kilowattstunden pro Jahr erzeugt und seit dem Neubau liefert es 2,4 Millionen kWh pro Jahr

Vinschgerwind:War der Neubau der springende Punkt nach vorn für die Genossenschaft? Es hat in dieser Zeit ja einen Führungswechsel gegeben.
Wunderer: Die Jahre zwischen 1970 und 1980 waren betrieblich äußerst schwierig. Der Raiffeisenverband hat damals angedroht, den Laden zu schließen, wenn die Weichen nicht neu und ordentlich gestellt werden.

Vinschgerwind: War das E-Werk immer defizitär?
Wunderer: Das E-Werk Prad war chronisch schwach bei Kasse. Auch personell hatte es Probleme gegeben. Man musste also überlegen, wie es weitergehen soll. 1980 wurde ein neuer Verwaltungsrat gewählt, der mit neuen Ideen und Elan zu Werke ging. Es wurden Projekte und Ideen entwickelt. Mit Projektor und Folien, das habe ich auf der Uni gelernt, wurden Präsentationen erstellt, die wir in Gasthäusern der Bevölkerung vorgestellt haben. Und die Leute haben zu unserer Überraschung voll mitgemacht. Das EWP hatte um 1980  rund 45 Mitglieder und zwei drei Jahre danach waren es 350 Mitglieder. Von den neuen Mitgliedern wurden Geschäftsanteile gezeichnet, womit eine finanzielle Grundlage geschaffen werden konnte. Wir hatten auch das Glück, den jungen Ingenieur Ernst Troyer an unserer Seite zu haben, der die Pläne für die Potenzierung des Tschrinbachwerkes ausgearbeitet hat. Dessen Ausbau war eine wesentliche  Grundlage für das Weiterarbeiten. Weiters konnten neue MitarbeiterInnen aufgenommen und es gelang auch, die Investitionen regelmäßig abzubezahlen.

Vinschgerwind:Ende der 1990er Jahre ist die Genossenschaft auch in die Fernwärmeversorgung eingestiegen. Was waren die Gründe dafür?
Wunderer: Ausschlaggebend waren der Bau oder Umbau der großen öffentlichen Strukturen  im Dorfzentrum, wie Grundschule, Musikschule, Nationalparkgebäude, Kindergarten usw. Die Frage der Gemeindeverwaltung war damals, wie die Wärmeversorgung dieser großen Gebäude effizient und kostengünstig sichergestellt werden sollte. Da haben wir uns als E-Werk angeboten, zusätzlich zur Stromversorgung auch die Wärmeversorgung der öffentlichen Gebäude zu übernehmen. Für diesen Zweck  haben wir 1999 ein Blockheizkraftwerk in einem unterirdischen Raum am Parkplatz vor dem Kindergarten in Betrieb genommen. Damit haben wir Strom und Wärme erzeugt und mit der Energie nicht nur die anliegenden Gebäude sondern auch Gebäude bis hinunter zur Mittelschule versorgt.  Auch zwei, drei Private wurden ans Nahwärmenetz angeschlossen. Bei der Vollversammlung nach dem ersten Betriebsjahr Blockheizkraftwerkes hat ein Privater, der Herbert Wallnöfer, auf die Frage eines Mitgliedes der Genossenschaft, wie denn diese Fernwärme funktioniere, gesagt, dass es das Beste sei, was er gemacht habe. Das war damals beste Werbung. Denn jetzt kam der Druck von der Bevölkerung

Vinschgerwind: Die Genossenschaft E- Werk Prad hat auch flächendeckend die Glasfaser verlegt.
Wunderer: Da wir beim Bau der Fernwärmeleitungen und den betreffenden Fernwärmeanschlüssen durchwegs zusätzliche Leerrohre mitverlegt hatten, konnten wir diese Leerohrinfrastruktur in den letzten 6 Jahren auch für  den Einzug von Glasfaserleitungen in der Gemeinde Prad nutzen. Die Nachfrage nach Breitbandversorgung ist in Prad schneller gewachsen, als wir uns zunächst vorgestellt hatten. Heute sind in Prad bereits 600 Breitbandanschlüsse  in Betrieb, weitere 50 Anschlüsse werden in Lichtenberg  realisiert.

Vinschgerwind: Die Genossenschaft E-Werk Prad hat heute den rechtlichen Status einer  „historische Genossenschaft“ und ist damit rechtlich so gestellt, dass die Mitglieder bei der Stromversorgung von den Systemkosten befreit sind. Daher kann sie den Mitgliedern den Strom auch zu einem günstigeren Preis liefern.
Wunderer: Es ist zu präzisieren, dass die genannte Befreiung von den Systemkosten nur so lange greift, als die historische Genossenschaft in der Lage ist, den Strombedarf der Mitglieder mit dem Strom aus den eigenen Kraftwerken zu decken. Muss Strom für die Versorgung der Mitglieder  aus dem nationalen Netz bezogen werden, so reduziert sich die Befreiung von den Systemkosten im entsprechenden Verhältnis. Das bedeutet, dass, wenn wir keinen Strom aus dem nationalen Netz beziehen, sondern unseren Strombedarf selbst decken, die Mitglieder von den Systemkosten zu 100% befreit. Wir müssen also Monat für Monat  danach streben, den Strombedarf Monat für Monat mit Eigenproduktion zu decken. Im Jänner, Februar, März und April wird es aber regelmäßig eng.

Vinschgerwind: Mit welcher Ersparnis können die Prader Mitglieder insgesamt rechnen?
Wunderer:  Beim Strom konnten sich im Jahr 2016  die Mitglieder 672.000,00 € und bei der Fernwärme rund 520.000,00 € (Vergleich Heizöl) ersparen. Es 1.192.000,00 Euro jährlich, die den Pradern in der Geldtasche bleiben.

Vinschgerwind: Für die wasserarmen Wintermonaten hat man sich einmal nach einer Alternativproduktion umgeschaut. Stichwort Windräder auf der Malser Haide.
Wunderer: Mit Windkraft, die im Oberen Vinschgau vor allem im Winter reichlich vorhanden ist, wäre tatsächlich eine gute Möglichkeit da, um sauberen Strom aus erneuerbaren Strom zu erzeugen. Mit der Fa. Leitner haben wir vor etlichen Jahren ein derartiges Projekt zusammen mit anliegenden Gemeinden und lokalen E-Genossenschaften verfolgt. Die Firma hat angeboten, zwei Pilotanlagen auf der Malser Haide zu testen und sie dann, sofern sie ordentlich funktionieren, an die interessierten Betreiber zu verkaufen.

Vinschgerwind: Finden Sie es bedauerlich, dass die Windräder verräumt werden mussten?
Wunderer: Es hat weh getan, dass sich die Einstellung zur Nutzung der Windkraft im Oberland gedreht hat. Ein Problem war, dass wir vom Land immer nur eine provisorische Verlängerung erhalten haben. Der Noggler Sepp ist dann nicht mehr Bürgermeister gewesen und danach hat der politische Druck gefehlt, die Windanlagen weiter zu betreiben. Die Windanlagen konnten wir bis dahin umsonst nutzen. Die 2 Windräder lieferten pro Jahr zwischen 3,5 und 4,5 Mio. kWh pro Jahr. Damals konnte der Strom noch um 7,5 Cent/kWh verkauft werden.  Ohne einen Finger zu rühren, erhielten die Beteiligten, vornehmlich die Gemeinden Graun und Mals, jährlich zusammen zwischen  260.000 und 337.000 Euro netto für den verkauften Strom. Trotzdem wurden im Oberland die Windräder  von einzelnen Gruppen bekämpft. Da hat dann die Firma Leitner kurzen Prozess gemacht und die Windräder abgebaut.  

Vinschgerwind: Wäre Windkraft auch in Zukunft eine Option?
Wunderer: Ja, die Windkraft auf der Malser Haide wäre wirtschaftlich interessant und auch aus Umweltgründen eine sinnvolle Form  der Stromerzeugung.

Vinschgerwind: Man hat beim Vinschger Stromweg, den Sie auch mitbegleitet haben, eine Zeit lang überlegt, das E-Werk Prad als historische Genossenschaft auf den gesamten Vinschgau auszudehnen. Ist dieser Gedanke noch aktuell?
Wunderer: Diese Ausdehnung würde nur Sinnmachen, wenn das EWP auch zwecks Befreiung von den Systemkosten über  die entsprechende Produktionsmenge zur Deckung des zusätzlichen Strombedarfs verfügen könnte. Die Windräder wurden ja abgebaut und von den lokalen Betreibern von Wasserkraftwerken im oberen Vinschgau hat sich kein Unternehmen angeboten, den Strom für Deckung  des lokalen Bedarfs zur  Verfügung zu stellen. Es wäre sicherlich sinnvoll, das Thema zu diskutieren, vor allem auch angesichts der von der Regulierungsbehörde verlangten „aggregazione“ der kleinen Betriebe in Südtirol…
Interview: Erwin Bernhart

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