Dienstag, 27 Juni 2017 09:26

Die Schellennarren

Artikel bewerten
(2 Stimmen)

schellen 3Was dem ersten Geiger eines Orchesters seine Stradivari Geige bedeutet, das ist manchem Viehbauern seine ganz bestimmte Schelle. Wenn sich dann etwa zwei solcher „Schellennarren“ treffen, dann fällt schon bald das Wort „Schuchter“.

Text und Fotos: Martin Fliri Dane

Als ich im Gemeindeamt von Pfunds zum Thema „Schuchterschellen“ vorspreche, drückt mir die Dame eine Telefonnummer in die Hand mit der Bemerkung: „Unser  Bürgermeister ist ein Schuchter!“

schellen 4Eine Stunde später sitze ich in der Küche von Bürgermeister Ruprecht Schuchter, der mir bereitwillig das auf den Tisch legt, was sich von der berühmten Schellenschmiededynastie im Familienbesitz erhalten hat. Aus dem Familienstammbaum geht hervor, dass ein Jakob Schuchter, geboren am 14. 11. 1681 die Dynastie begründete und diese über 259 Jahre dauerte, wobei der letzte Schuchter, Eduard, im März 1940 verstarb. Die Produktion von Schellen aber wurde schon zu Beginn des ersten Weltkrieges wegen Unrentabilität vermindert und später eingestellt.
schellen 1Ischellen 2m Besitz der Familie Schuchter ist noch ein Geschäftsbuch, in dem genau  Einnahmen und Ausgaben aufgelistet sind. „Laut dem Buch hat ein Vinschger noch Schulden“, meint verschmitzt der Bürgermeister. Schellen besitzt die Familie Schuchter nur wenige Stück. Ein kleines Ölbild des letzten Schellenschmiedes Eduard ist noch im Familienbesitz. Einige Werkzeuge der Schellenschmiede sind im Heimatmuseum Pfunds zu besichtigen. Über die Öffnungszeiten gibt der Tourismusverband Auskunft (Telefon: 0043 50 225 300).
 Die meisten Schellen der Schuchter wurden im benachbarten Vinschgau abgesetzt. Einige Schellen gelangten auch in die Schweiz und nach Schwaben. Verkauft wurden diese hauptsächlich auf Märkten und meist im Tauschgeschäft (alte Sensen und Sägeblätter).
Nicht erst seit heute sind Schuchterschellen begehrte Sammlerobjekte, für die Liebhaber unglaubliche Summen bereit sind auszugeben. Zwei img261Schuchterschellenprofis sind die Bauern Daniel Grond und Engel Oswald im Schweizer Grenzdorf Müstair. Beide verfügen je über eine Schellensammlung von über 90 Stück. Engel Oswald erzählte uns, dass sein Urgroßvater vom höchstgelegenen Berghof im Val Müstair, dem „Terzahof“, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts jeden Herbst mit alten Sensen und Sägeblättern bepackt zu Fuß über S-charl und Scuol nach Pfunds zum Schuchterschellenschmied pilgerte und Tage später mit Schellen beladen zurückkehrte.

{jcomments on}


Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /www/htdocs/w00fb819/vinschgerwind.it/templates/purity_iii/html/com_k2/templates/default/item.php on line 248
Gelesen 8514 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.