Dienstag, 17 Mai 2011 00:00

Diamantene Hochzeit

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 Menschen - Lisa Fliri und Toni Gaiser

s15_9381Am 3. April 1951 weckten Böller das Brautpaar Lisa und Toni. Um 9 Uhr schritten sie in der Tauferer Pfarrkirche zum Traualtar. Er trug einen schlichten dunklen Anzug und sie ein schwarzes Kleid mit einem Schleier, den ihr die Hebamme aus Müstair geschenkt hatte. Die Hochzeitskleider hatten sie sich von einer Schneiderin anfertigen lassen im Hinblick auf spätere Weiterverwendung. Nach einem Frühstück mit Verwandten brach das Paar mit dem Zug zur Hochzeitreise auf. Das Ziel war die Muttergottes in Riffian und der „Gilbenhof“ in Obermais, wo sie die Hochzeitsnacht verbrachten.

Dann fuhren die Jungvermählten wieder heim. Lisa zog zu ihrem Mann in die Parterrewohnung des Zweiparteien-Hauses, in dem auch seine Tante lebte. Die beiden Frauen gingen respektvoll miteinander um. „Miar hoobm 16 Johr nia an Wortwechsel kopp“, erzählt Lisa.
Sie hatte als Älteste von 13 Kindern gelernt, Rücksicht zu nehmen und zu verzichten. Eine schwere Zeit erlebte sie als 16-Jährige nach dem Tod ihres Vaters. Er war beim Transport einer Salzfuhre bei Laatsch verunglückt. Seine Pferde hatten plötzlich gescheut. Die jüngste Schwester war acht Monate alt. Lisa ging ihrer Mutter daraufhin kräftig zur Hand, und später verdiente sie sich im Haushalt der Hebamme in Müstair Franken, die ihre Mutter regelmäßig abholte. „I bin vier Johr af Münstr gweesn unt honn nia a Tschugglat kopp“, sagt sie. Eines Tages kehrte Toni bei ihr ein und bat sie, ein Stück Speck zu lagern, das er  seiner Mutter schicken wollte, die in der Innerschweiz arbeitete. Toni und Lisa kamen sich näher und gingen daraufhin öfters spazieren, meist von Taufers nach Müstair. Toni war als „lediger Bua“  bei seiner Tante in Taufers aufgewachsen. Er half in der Landwirtschaft und lernte Tischler. 1944 rief ihn die Wehrmacht zum letzten s15_port2Aufgebot nach Italien. Über den Krieg will Toni nicht sprechen. Nur so viel: Er rückte mit 17 Jahren ein und kehrte mit 20, ein Jahr nach Kriegsende, aus der Gefangenschaft zurück. Die meiste Zeit habe er in erbärmlichen Verhältnissen unter freiem Himmel verbracht. „Du bisch in dr Gfongenschoft koa Mensch gweesn“, sagt er. Er brauchte viel Zeit, bis er sich erholt hatte. Später half ihm Lisa dabei, als fürsorgliche Ehefrau. Sie schenkte ihm zwei Mädchen und zwei Buben. Den Lebensunterhalt verdiente sich Toni zuerst als Hotelportier in der Schweiz und übernahm dann das Sägewerk im Avingatal. Der Gemeinde fiel als Pachtzins ein Drittel vom Kubik-Erlös des Holzes zu. Nach der Inbetriebnahme der neuen Säge wurde Toni  dort Gemeinde-Bediensteter. Das Paar lebte 60 Jahre lang friedlich zusammen. „S Pescht isch, ollm still sein“, sagt Lisa. Ihr Mann kümmerte sich um das Einkommen und sie um Haus und Kinder. Rücksicht bestimmte die Beziehung zu den Nachbarn im gemeinsamen Haus. Die Kinder spielten abwechslungsweise im unteren und im oberen Stock.
Mittlerweile sind die Kinder ausgezogen und haben selbst Familien. Lisa und Toni genießen den Lebensabend. Die kleinen Gebrechen nehmen sie gelassen. „Si mocht in Hausholt unt i tua holzn“, erklärt Toni. Zu anstrengend ist ihnen der Weg zur Pfarrkirche geworden, und sie sind dankbar, dass sie regelmäßig eine Messe in der nahen Nikolauskirche besuchen können. Hie und da schauen sie ihre Foto-Alben an und holen die Erinnerungen zurück. Gerührt betrachtet Lisa das Hochzeitsbild. „Brautstrauß hon i selbr koan kopp,“ erinnert sie sich. „Dein hot miar dr Fotograf Ratschiller in Meran gliechn.“  

Magdalena Dietl Sapelza


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