Dienstag, 03 Mai 2011 00:00

„Es ist unverzichtbar sozial zu sein“

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Schlanders

s20_7219Ein Beispiel vorneweg: Zwei Lehrpersonen kommen mit einem 7-jährigen Mädchen zu einer Dringlichkeitssitzung in die psychosoziale Ambulanz ins Krankenhaus. Nicht nur die Lehrer hat das Mädchen in die Verzweiflung getrieben, auch die ganze Klasse hat es durcheinander gebracht. Die ganze Elternschaft ist in Aufruhr und droht ihre Kinder von der Schule zu nehmen.


Ingo Stermann, Kinderpsychiater am Krankenhaus Brixen, brachte dieses Beispiel als eines, das kein einmaliges ist. „Solche Geschichten kommen in Südtirol öfter vor, als es dem Schulamt lieb ist.“ Die Erklärung dafür ist keine naturwissenschaftliche oder medizinische, sondern eine ganz andere. Ein Kind, sagt Stermann, hat sechs Lebensräume. Die Familie ist einer dieser sechs. Dabei gibt es die klassische Familie nicht mehr. Alleinerziehung, Matriarchat, Patriarchat oder Patch work ersetzen das klassische Familienbild. Der Körper des Kindes ist ein Zweiter, die Schule als verpflichtende Realität ein dritter Lebensraum. Als vierter Raum kommen die virtuellen Welten hinzu. Welten, die neu und nicht zu unterschätzen sind. Der Sozial- und Freizeitbereich und die Transzendenz schließen den Kreis der sechs Lebensräume. Lebensräume, die miteinander kommunizieren. Entsteht in einem dieser sechs Druck, wird dieser dort entladen, wo die Bedingungen am günstigsten und sichersten sind. Meist ist das die Schule. Stermann: „Diese Kinder ertragen die soziale Situation in der Schule nicht und chaotisieren deshalb den sozialen Kontext völlig.“ Der Druck in der Geschichte des 7-jährigen Mädchens etwa war ein im Hintergrund laufender Rosenkrieg zwischen den getrennten Eltern. 
In der anschließenden Diskussion beim Pädagogischen Tag am Schulsprengel Schlanders tauchten mehrere Fragen auf. Eine davon: „Was sollen Lehrer und Schule denn noch alles stemmen?“ Dass „Eltern heute oft zu lasch erziehen“ wurde von vielen in der Aula der Mittelschule mit Applaus bedacht. Stermann: „Viele Eltern vergessen, dass das, was die Kinder außerhalb von Zuhause machen, von Belang ist.“ Und: „Dass der Staat etwas zur Kindererziehung sagen kann.“ Denn ein Kind ist nicht nur ein Kind der Eltern, sondern auch ein Mitmensch. (ap)


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