Dienstag, 04 Februar 2014 09:06

Nationalpark Stifserjoch - Jäger am Nachthimmel - Monitoring der Fledermäuse 2013

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park fledermWolfgang Platter, am Tag des Hlg. Blasius, 3. Februar 2014

Die Fledermäuse sind in unserem kontinentalen Klima passive Überwinterer. Derzeit befinden sie sich daher in der Winterstarre. Mit den Hinterbeinen hängen sie sich dabei an einen Dachbalken oder überwintern in einem hohlen Baumstamm oder in einem feuchtkühlen, störungsfreien Raum wie beispielsweise in den Militärbunkern. Um Energie zu sparen, ist die Stoffwechselaktivität in der Winterstarre extrem reduziert.

Auch andere Körperfunktionen wie Herzschlag, Blutkreislauf und  Körpertemperatur fahren auf Sparflamme. Neben einem jahreszeitlich bedingten Biorhythmus mit Sommeraktivität und Winterstarre gibt es bei den heimischen Fledermaus-Arten auch einen tageszeitlichen Gang der Körpertemperatur und der Herzaktivität: Während der nächtlichen Beuteflüge wird die Körpertemperatur bei einer Herzaktivität von bis zu 1.000 Schlägen pro Minute auf 40°C gehalten. In den Ruhe- und Schlafphasen tagsüber, in denen keine Nahrungsaufnahme erfolgt und die Energiebilanz daher negativ ist, sinken die Körpertemperatur auf 15°C und die Herzfrequenz auf 200 Schläge pro Minute. Diese Absenkung des Aktivitätsrhythmus´ in einen physiologischen Schlafzustand nennt man in der Fachsprache Torpor (lateinisch für Erstarren).

Natura 2000-Arten
Fledermäuse gehören zu den bedrohten Tierarten. Sie sind deshalb in den Anhängen der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) der Europäischen Gemeinschaft als Teil des Natura 2000-Regelwerkes als besonders schützenswerte Arten aufgelistet.

Unser Forschungsinteresse
Wegen ihres Bedrohungszustandes, dann aber auch wegen ihrer wichtigen Rolle als Bioindikatoren für die Qualität von Lebensräumen sind die Fledermäuse auch Forschungsobjekte, die uns im Nationalpark im abgelaufenen Jahr 2013 erneut interessiert und beschäftigt haben.

Die Erhebungen im Sommer 2011
Eine erste Erhebung der Fledermaus-Arten, welche im Gebiet des Nationalparks Stilfserjoch vorkommen, haben wir mit den Fledermaus-Experten des wissenschaftlichen Institutes Oikos aus Mailand und den Nationalparkförstern im Sommer 2011 durchgeführt: In Kirchtürmen, Dachböden, Scheunen, Bäumen und leerstehenden Gebäuden mit offenen Einflugs Luken konnten im Parkgebiet insgesamt 20 verschiedene Arten von Fledermäusen erhoben werden. Italienweit sind heute 33 Arten beschrieben, in Europa sind es 42 Arten und weltweit sind es gar 1.150 Arten. Mit dieser großen Anzahl von Arten bilden die Fledermäuse ¼ aller Säugetier-Arten. Ihr Verbreitungsschwerpunkt liegt dabei in den tropischen und subtropischen Ländern der Südhalbkugel.
In seiner wertvollen Arbeit zur Aktualisierung des Arteninventars der Fledermäuse hat Oskar Niederfriniger 1994 in der Roten Liste der gefährdeten Tierarten für Südtirol insgesamt 28 Fledermausarten aufgelistet. Seit den Beobachtungen, Aufzeichnungen und Sammlungen von Pater Vinzenz M. Gredler vom Franziskanergymnasium in Bozen gab es ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts bis Oskar Niederfrinigers Erhebung keine systematische Erfassung der Fledermäuse in Südtirol mehr.  

Die Erhebungen im Sommer 2013
Nach unserer ersten Erhebung zum Arteninventar, zu den Brutstuben und Schlafplätzen im Sommer 2011 haben wir in den Monaten Mai – September 2013 ein vertiefendes Fledermaus-Monitoring vorgenommen. P1090594Eine Frage, die uns dabei interessierte, war jene, wie sich in Zeiten der Klimaänderung klimatische Parameter wie die Lufttemperatur, deren Tagesextreme und Schwankungsbreite und die Luftfeuchtigkeit auf das Vorkommen und die Verbreitung der Fledermäuse auswirken. Auch die Größe und die Ausstattung ihrer Jagdreviere haben wir untersucht. Hierzu wurden in 17 Fangnächten 160 Exemplare von Fledermäusen von 10 verschiedenen Arten mit speziellen Netzen gefangen und in ihren biometrischen Daten vermessen und wieder freigelassen. Zehn Tiere wurden mit einem Radiosender bestückt.  Das Gewicht eines solchen Minisenders beträgt 0,3 Gramm, das Körpergewicht beispielsweise einer Nordfledermaus etwa 8 g. Das Sendergewicht macht damit weniger als 5% des Körpergewichtes der Fledermaus aus. Deren Flugaktivität wird durch die Rückentrage nicht beeinträchtigt. Die besenderten Tiere waren allesamt Weibchen, um mit Hilfe von Peilantennen auch die Brutkolonie der jeweiligen Art ausfindig zu machen. Die besenderten Tiere gehörten vier verschiedenen Arten an. Dabei wurden zwei nördliche Arten ausgewählt, die dem borealen Verbreitungsgebiet zuzuordnen sind, aber in den Alpen ebenfalls vorkommen:
•    die Nordfledermaus (mit wissenschaftlichem Namen Eptesicus nilssonii, italienisch: serotino di Nilsson) und
•    die Zweifarbfledermaus (Vespertilio murinus).
Aus dem Lebensraum und Verbreitungsgebiet mit gemäßigtem Klima wurden hingegen besendert:
•    die Kleine Bartfledermaus (Myotis mystacinus, vespertillio mustacchino) und
•    die Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus, barbastello).
Für die Bestimmung der Größe und Ausstattung der jeweiligen Lebensraumareale konnten von den 10 besenderten Tieren insgesamt 630 Ortungen mittels Peilantenne vorgenommen werden.

Lebensraum: Größe und Ausstattung
Das von den Fledermäusen beflogene Jagd-areal schwankt in seiner Größe, ist aber aus den Daten unserer besenderten Tiere kleiner als bisher in der Literatur angegeben. Bei den fünf besenderten Exemplaren der Nordfledermaus (Eptesicus nilssonii) schwankte das Areal von 2 bis 1.000 Hektar, im Mittel betrug es 339 ha. Ausschlaggebend für die Größe des Jagdgebietes sind Struktur und Qualität des Lebensraumes und der Vorrat an Insekten als Beutetiere: Je strukturreicher die Landschaft und folglich auch das Beutespektrum ist, umso kleiner ist das Streifgebiet der Fledermäuse.

Schlafplätze und Flugkorridore
Was die Schlafplätze angeht, hat unser Monitoring der Fledermäuse ergeben, dass die Schlafplätze bevorzugt in einzeln stehenden Gebäuden an den Ortsrändern ausgesucht werden, wo es zur offenen Landschaft hin noch gute Baum- und Heckenbestände gibt. Die Bedeutung von Gehölzstreifen als günstige Flugschneisen mit Deckung zwischen den Schlafplätzen von untertags und dem nächtlichen Jagdgebiet der Fledermäuse ist durch unsere Erhebungen bestätigt worden. Es ist auch bekannt, dass Fledermäuse zur Verdauung der Insektenkörper häufig Wasser aufnehmen müssen. Auch deswegen fliegen sie häufig an und über Wasserläufen.


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