Die vergessenen Patrioten (Teil 1)

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Aus dem Gerichtssaal - Nur keine Angst, der Andreas Hofer gehört gewiss nicht dazu! Denn für eine Volkserhebung gegen die bösen Invasoren, die Franzosen und die Bayern, bestanden im jahr 1809 gewiss einige Bedingungen, angefangen von der Zwangseinhebung von Rekruten für die bayerische Armee, wo doch die Tiroler bereits im Jahre 1511 ihrem Landesherrn das Recht abgetrotzt hatten, ihren Wehrdienst nur zur Verteidigung ihres Landes leisten zu müssen. Schon von daher kam ihre über die Jahrhunderte gewachsene Treue zum Hause Habsburg. Ansonsten tut man sich heute schwer, gewisse Erlässe Hofers aus der zwei Monate währenden Zeit im Jahre 1809 zu verstehen, während welcher er in der Hofburg in Innsbruck residierte und das Regiment führte. So widersetzte er sich auf Betreiben des Kapuzinerpaters Haspinger der von den Bayern auch für Tirol eingeführten Pockenimpfung. Begründung: Dadurch wird Tiroler Seelen bayerisches Denken eingeimpft! Auch verbot er alle Bälle und Feste, befahl er „Frauenzimmern“ ihre Brüste und Armfleisch mit undurchsichtigem Stoff zu bedecken, auch sollten alle Wirtshäuser während des Gottesdienstes geschlossen bleiben.
Aus einem gänzlich anderen Holz geschnitzt als der Hofer war der Michael Gaismair. Geboren 1490 in Sterzing als Sohn eines Bauern, genoss der begabte Knabe eine gründliche Schulausbildung. Auf Empfehlung seines ersten Dienstherren, des Landeshauptmannes Leonhard von Völs, wurde er vom Fürstbischof von Brixen Sebastian Sprenz als dessen persönlicher Sekretär eingestellt. Als solcher wurde er am 09. Mai 1525, also vor 500 Jahren, Augenzeuge der Befreiung durch Bauern des vom Bischof zum Tode durch Verbrennen verurteilten Antholzer Fischers Peter Passler. Diese Aktion bildete den Auftakt eines anschließenden Aufstandes von ca. 5.000 Bauern, zu deren Anführer Michael Gaismair dann gewählt wurde. Der Landesfürst Erzherzog Ferdinand lockte ihn zu Verhandlungen nach Innsbruck, wo er ihn einkerkerte. Gaismair gelang jedoch nach einigen Wochen die Flucht. Ab diesem Zeitpunkt galt er als vogelfrei und als Staatsfeind Nummer 1. Er setzte sich zunächst nach Zürich ab, wo er Kontakt mit dem Reformator Ulrich Zwingli aufnahm. Danach ließ er sich in Klosters im Prättigau nieder, wo er seine als soziale Kampfschrift bekannte Landesordnung entwarf. 1526 unterstützte er dann noch die Salzburger Bauern in ihrem Kampf gegen den Fürsterzbischof Matthäus Lang, bevor er sich nach Venedig absetzte, wo er als Söldner der Markusrepublik diente. Am 15. April 1532 wurde er von Auftragskillern des Erzherzogs Ferdinand für ein Kopfgeld von 1.000 Gulden ermordet.
Wodurch unterscheidet sich Gaismair von Hofer? Ein Volksheld wie dieser ist er nie geworden. Er war ein sozialer Utopist, er strebte eine Gemeinschaft von Gleichen an, eine Forderung, die er aus der Bibel ableitete. Er wollte die Monarchie abschaffen und Tirol in eine Republik verwandeln. Insofern war er ein Vorläufer der 1848iger Revolution. Auf Gaismair könnte der Refrain des Hecker-Liedes passen:
„Er hängt an keinem Baume,
Er hängt an keinem Strick.
Er hängt an einem Traume
Von der Republik.“
Peter Tappeiner
Rechtsanwalt

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