Die Bedrohung

geschrieben von
Foto: ASFINAG Foto: ASFINAG

Luegbrücke/Brenner/Vinschgau - Die ASFINAG, also jene Gesellschaft, die in Österreich für die Autobahnen zuständig ist, will demnächst europaweit eine mediale Offensive starten. Im Mittelpunkt steht die Luegbrücke die ab 2025 komplett neu gebaut werden wird. Was hat die Luegbrücke mit dem Vinschgau zu tun?

von Erwin Bernhart

Wer über den Brenner in Richtung Innsbruck fährt, kommt seit längerer Zeit in den Genuss von verengten Fahrbahnen. Vor allem auf der sogenannten Luegbrücke, die sich nach dem Brenner über knapp zwei Kilometer an den Hang schmiegt. Die Fahrbahnverengung ist auf beiden Fahrtrichtungen. Das hat einen guten Grund: Die ab 1962 erbaute Luegbrücke ist so gut wie baufällig. Deshalb werden die gesamten 2 Kilometer engmaschig mit Sensoren überwacht und man ist dabei, die Brücke mit Beton zu unterfangen. Sollte sie brechen, soll der neue Beton die Brücke auffangen. Trotzdem wär’ das der „Worst Case“, also der schlimmste eintretende Fall.
Die ASFINAG muss die Brücke neu bauen. Derzeit sind beide Autobahnfahrspuren auf einer Brücke angebracht. Ab 2025 sollen zwei getrennte Brücken entstehen - eine in Fahrtrichtung Innsbruck, eine in Fahrtrichtung Brenner.
Die ASFINAG hat Mitte Jänner in einem Schreiben die Marschroute festgelegt, nachdem alle Weichen in Richtung Brückenneubau gelegt worden sind: „Die ASFINAG arbeitet zurzeit in Abstimmung mit allen Beteiligten wie Land Tirol und BMK an einem Maßnahmenbündel für die Zeit der möglichen Einspurigkeit der Luegbrücke auf der A 13 Brennerautobahn. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird diese Maßnahme ab 2025 notwendig werden.

Herzstück des Maßnahmenbündels wird ein ausgeklügeltes System an Verkehrsführungen auf der Luegbrücke sein. Im Rahmen dessen werden an ausgewählten Tagen statt der notwendigen Einspurigkeit pro Richtung zwei Fahrspuren je Richtung für Pkw zur Verfügung stehen, um der erhöhten Verkehrsstärke Rechnung zu tragen. Basis der Planung dieser Tage werden die Ergebnisse der bereits durchgeführten Verkehrsuntersuchungen sein. „Die Einspurigkeit auf der Luegbrücke ist eine Frage der Sicherheit, hier gibt es keine Kompromisse. Wir arbeiten aber intensiv an Lösungen, um Verkehrsinfarkte zu verhindern. Eine dynamische Gestaltung von Fahrspuren auf der Luegbrücke soll an verkehrsintensiven Tagen den Verkehr in Gang halten und massive Staus möglichst reduzieren. Wir arbeiten hier Hand in Hand mit allen Beteiligten – nur gemeinsam können wirksame Maßnahmen gesetzt werden“, sagt ASFINAG-Geschäftsführer Stefan Siegele.

Sicher ist, die Brennerroute wird in den Jahren der Baufase ab 2025 einen Culo mitmachen. Anrainer ebenso wie die Autobahn benutzende Autofahrer. Aber was hat die Luegbrücke mit dem Vinschgau zu tun?
Eine ganze Menge. Denn der Neubau der Luegbrücke kann eine verkehrstechnische Bedrohung für den Vinschgau sein. Die Befürchtung ist, dass ab 2025 mehr Verkehr über Landeck und über den Reschen und durch den Vinschgau fließen wird. Es droht der Kollaps, denn die Vinschger Staatsstraße ist ohnehin in der Tourismussaison am Anschlag. Vor allem in Richtung Meran droht völlige Verstopfung, wenn zum üblichen Verkehr auch nur ein kleiner Umwegverkehr von der Brennerroute kommt.

Der Vinschgerwind hat bei einigen Bürgermeistern nachgefragt, wie man sich auf ein mögliches Anrollen vorbereitet, ob man sich wehrt, was man befürchten muss, wie die Leute informiert werden.

Der Grauner BM Franz Prieth verweist, wie auch der Malser BM Josef Thurner, der Schludernser s7 priethBM Heiko Hauser und der Schlanderser BM Dieter Pinggera auf ein kürzlich mit den Bürgermeistern des Oberinntales, dem Bezirkshauptmann vom Bezirk Landeck Siegmund Geiger und von Vertretern der ASFINAG in der Fürstenburg. Allen Bürgermeistern gemeinsam ist die Befürchtung, dass von Landeck mehr Verkehr über den Reschen fließen wird.
Franz Prieth hat das Treffen so in Erinnerung, dass auch über Ausweichrouten gesprochen worden sei. Wenn der Brenner die Hälfte seiner Kapazität verliert, dann kann mit 50 % mehr Verkehr über den Reschen gerechnet werden. Begrenzender Punkt sei der Tunnel in Landeck. So viel, wie der Landecker Tunnel schlucke, so viel könne Verkehr über den Reschen abgeführt werden
„Da kommt eine große Belastung auf uns zu“, befürchtet Prieth. Vor allem ab er Mitte des Vinschgaus nach Meran. In den Szenarien der ASFINAG seien alle Umwegverkehre - über die Schweiz, über Osttirol, miteinberechet. Wenn die Verkehrskapazität überstiegen werde, dann werde es Kontingente geben. „Die haben das komplett duechgeplant“, sagt Prieth. Allerdings habe man als Bürgermeister nur ganz begrenzt Einfluss auf dieses Geschehen. Aber „das Ganze wird ein Riesenthema.“

s7 thurnerDer Malser BM Josef Thurner nimmt ebenfalls Bezug auf dieses Treffen. Die Straßendienste dies- und jenseits des Reschen seien auch anwesend gewesen. Der ASFINAG-Geschäftsführer Stefan Siegele die notwendige Einspurigkeit auf der Luegbrücke wegen der Arbeiten erklärt und auch hingewiesen, dass zu Stoßzeiten die Brücke wieder zweispurig befahrbar sein werde. Thurner wies darauf hin, dass bei den LKW die derzeitigen Bestimmungen der Bezirkshauptmannschaft von Landeck weiterhin gelten werden. Das betreffe den genau festgelegten Quell- und Zielverkehr. Dies werde von den Nordtirolern gut kontrolliert, sagt Thurner.

Der Schlanderser BM Dieter Pinggera hat als Bezirkspräsident die s7 pinggeraNordtiroler BM und den Bezirkshauptmann zum Austausch geladen. Vor allem die Verkehrsthematik auch in Bezug auf die Luegbrücke habe brennend interessiert. Angesprochen, so Pinggera, wurden auch die Steinschlagsicherungsarbeiten, denen zwischen Nauders und Finstermünz höchste Priorität eingeräumt würden. Diese Sicherungsarbeiten würden demnächst starten, so dass allein der Umweg über Martina, so sagt es Pinggera, eine Verkehrsbegrenzung über den Reschen bedeuten wird. Auch Pinggera sagt, dass der in der Bezirkshaupmannschaft Landeck festgelegte Quell- und Zielverkehr für LKW über den Reschenpass nicht angetastet werde.

s7 hauserDer Schludernser BM Heiko Hauser sagt, dass es Ziel sei, dass der Verkehr über die Luegbrücke weiterhin funktionieren soll. Die ASFINAG lege großes Augenmerk darauf, dass die PKW auch in der Bauphase über den Brenner fahren werden. Man sei bestrebt, so wurde es den BM gesagt, die Wartezeiten auf der Luegbrücke in einem Maße zu steuern, dass verhindert werde, dass die Leute auf Ausweichrouten unterwegs sein werden. Weil 2024 und 2025 die Steinschlaggalerien zwichen Nauders und Finstermünz gebaut würden, sei dieser Streckenabschnitt eh nicht offen. „Deshalb rechen ich für das Jahr 2025 nicht mit größeren Verkehrsbelastungen“, getraut sich Hauser eine Prognose zu stellen. Er habe sich die ASFINAG-Szenarien schlimmer vorgestellt. „Ich hoffe schon, dass die Prognosen so eintreten werden, wie sie uns gesagt worden sind“, sagt Hauser.

Die BM bekamen auch den „Worst Case“ bei der Luegbrücke serviert. Wenn gar nichts mehr geht, wenn die Brücke brechen sollte, dann, so das ASFINAG-Szenario, müsse Nordtirol verkehrstechnisch abgeriegelt werden - also ab Kufstein für den Verkehr geschlossen, ab Vorarlberg, in Osttirol. Ansonsten könne man den Verkehr landesintern nicht mehr händeln.

Fazit: Den Bürgermeistern dies- und jenseits des Reschen sind offensichtlich die Hände gebunden. Höhere Gewalt ist da im Spiel. Einen „Culo“ werden ab 2025 wohl alle durchmachen - die Anrainer auf der Brennerroute, die Anrainer auf der Inntalautobahn von Innsbruck bis Landeck, die Oberinntaler bis Reschen und die Vinschger.

Gelesen 926 mal
Mehr in dieser Kategorie: « Modellregion

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.