Nationalpark Stilfserjoch: Die Tschenglser Au - Mit den Vogel-Bildern von Eva Grassl Raffeiner

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Kartierung der Tschenglser Au nach Holzarten von Georg Wieser in seiner Diplomarbeit an der Universität für Bodenkultur in Wien (1987) Kartierung der Tschenglser Au nach Holzarten von Georg Wieser in seiner Diplomarbeit an der Universität für Bodenkultur in Wien (1987)

Wolfgang Platter, am Dreikönigstag, 6. Jänner 2023

„Kein anderes Tal Südtirols weist so große Gegensätzlichkeiten auf wie der Vinschgau. Gnadenlos brennt die Sonne auf die südexponierten Steppenhänge der „Vinschgauer Leiten“, die sich etwa 40 Kilometer lang zwischen Naturns und Mals auf der orographisch linken Talseite erstrecken. Hohe Temperaturen und geringe Niederschläge (Jahresdurchschnitt von 550 mm) machen den Vinschgau zur trockensten Wärmeinsel der Ostalpen. Als Feucht-biotope hingegen breiten sich zwischen Spondinig, Schluderns und Glurns ausgedehnte Auwälder an der Etsch aus, die von ungestörten Flußstellen mit Schlick- und Sandbänken sowie von Schilfflecken durchsetzt sind. Typische Auenformationen mit Schwarz- und Grauerlen (Alnus glutinosa und A. incana) beobachtet man auch bei Tschengls und Eyrs in der Gemeinde Laas, die aber – im Gegensatz zu den Schludernser Auen – wenigstens bisher nicht als Biotope unter Schutz gestellt worden sind.“ Diese Zeilen stehen im Buch „Südtiroler Naturführer“, welches Peter Ortner und Christoph Mayr als zwei Pioniere des Südtiroler Landschaftsschutzes im Sommer 1977 geschrieben und im Athesia Verlag Bozen publiziert haben.
Mit Dekret des Landeshauptmannes Nr. 141/V/79 vom 20.09.1983 wurden die Auen von Tschengls und Eyrs dann als Biotope des Landes Südtirol unter Schutz gestellt.
Georg Wieser, der aus Mals stammende Forstingenieur hat im Jahr 1987 in seiner Diplomarbeit an der Universität für Bodenkultur in Wien die beiden Laubwaldauen von Eyrs und Tschengls forstwissenschaftlich untersucht. Der Originaltitel seiner wissenschaftlichen Arbeit lautet „Waldbauliche Beurteilung der Auwaldreste im Vintschgau und Entwicklung eines Pflegeplanes für den Eyrser Auwald.“
Die Eyrser Au ist eine Überschwemmungs-Au an den Ufern der Etsch. Die Tschenglser Au ist eine Schuttfächer-Au am Unterlauf des Tschenglser Baches. Das Tschenglser Tal ist ein kurzes Seitental der Etsch und das Gefälle vom Gipfel der Tschenglser Hochwand bis zum Einlauf des Baches in die Etsch machen es zum steilsten Tal der gesamten Ostalpen. Entsprechend hoch ist sein Erosionspotential. Die Geschiebekraft des Tschenglser Baches bildet sich in den Baumarten der kegelförmigen Au ab. In Bachnähe wächst die Weichholzau mit schnellwüchsigen Baumarten wie Birke, Pappel und Weide. Etwas weiter entfernt wächst die Hartholzau mit Schwarz- und Grauerlen. Die Kartierungen von Georg Wieser aus dem Jahr 1987 geben dieses Bild der verschiedenen Holzarten in der Schuttkegel-Au augenfällig wieder. Und wenn man die Tschenglser Au von der Panoramastraße am Sonnenberg zwischen Tanas und Schluderns im Herbst fotografiert, kann man die Weich- und die Hartholzau an den unterschiedlichen Farben der Herbstblätter leicht unterscheiden: Birken, Weiden und Pappeln verfärben sich gelb. Die Schwarz- und Grauerlen bleiben bis zum Blattabwurf grün gefärbt.
Die Tschenglser Au weist eine Fläche von 34 Hektaren auf. Die Grundparzellen befinden sich im Privatbesitz.
Neben ihrer Funktion als Hochwasserschutz für die umliegenden Kulturgründe ist die Tschenglser Au ein bereicherndes Landschaftselement und ein wertvoller Lebensraum für viele wirbellosen Tiere und vor allem auch Vögel. Jetzt im Winter verlagern etwa die Erlenzeisige und die Birkenzeisige ihren Lebensraum vom Bergwald in den Auwald der Talsohle und tun sich an den Birken- und Erlensamen gütlich.
Wie die Fotos von Eva Grassl-Raffeiner vom Futterhäuschen am Wohnhaus ihrer Familie in der der Tschenglser Wohnbauzone in der Nähe des Auwaldes zeigen, beherbergt die Tschenglser Au zum Beispiel auch fast alle einheimischen Arten der Meisen.
In Zeiten des weltweiten Artenschwundes sind intakte Lebensräume, auch wenn sie nur mehr kleinflächig als sogenannte Trittsteine in der rundum landwirtschaftlich intensiv genutzten oder verbauten und besiedelten Landschaft erhalten geblieben sind, grundlegende und wertvollste Elemente zum Erhalt der Biodiversität. Es ist schon lange bestätigt: Es gibt keinen Artenschutz ohne Lebensraumschutz!

 

 

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