Auf dem Weg zur Südtirol-Autonomie

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AltLH Luis Durnwalder und die ehemalige Politikerin und Historikerin Martha Stocker: Wenn wir auf den Proporz verzichten, werden wir Elsässer mit Folklore. AltLH Luis Durnwalder und die ehemalige Politikerin und Historikerin Martha Stocker: Wenn wir auf den Proporz verzichten, werden wir Elsässer mit Folklore.

Naturns - Mit der Historikerin und ehemaligen Landesrätin Martha Stocker und dem Zeitzeugen AltLH Luis Durnwalder bestritten zwei, wie die Obfrau des veranstaltenden Bildungsausschusses Naturns Astrid Pichler sagte, hochkarätige Referenten einen höchst notwendigen Vortrag: „Jahresmarkstein auf dem Weg zur Südtirol-Autonomie: 1922 - 1972 - 1992“
Stocker zeichnete in „historischen Splittern“ den Weg zur Südtirolautonomie bis hin zur Streitbeilegung nach. „Warum uns diese Autonomie zusteht? Weil diesem Land großes Unrecht widerfahren ist“, sagte Stocker und begann ihre Erzählung mit Oktober 1922. Entgegen jede Logik sei Südtirol nach dem Ersten Weltkrieg Italien zugesprochen worden und eine Tendenz zur Italianisierung gab es schon, bevor die Faschisten die Herrschaft übernommen haben. Erst recht ab 1922. „Man wollte die Menschen konditionieren“, belegte Stocker mit Zitaten von Colucci und Mussolini. Vereine und Verbände wurden aufgelöst, Schule und Verwaltung italianisiert. 1929 wurden die geschlossenen Höfe aufgelöst. Die Faschisten wollten den „physischen, moralischen und demografischen Charakter“ der Südtiroler radikal ändern und die deutsche Mehrheit durch Italiener ersetzen. Ab 1935 mit dem Zuzug von italienischen Arbeitern in den neu gegründeten Industriezonen in Bozen und in Meran. Unter noch vielen weiteren Voraussetzungen erfolgte 1939 die Option, bei der 86 % der Südtiroler für das Auswandern „optiert“ haben. Man wollte, so Stocker, die Leute auseinanderreißen. Verständlich werde die große Zahl der Optanten nur dann, wenn man die Unterdrückung auf allen Ebenen berücksichtige, sagte Stocker und: „Die Leute wollten einfach den Versprechungen glauben.“ Ein Verlust von rund 50.000 Leuten sei durch die Option festzustellen. Nach dem Zweiten Weltkrieg und nach der Gründung der SVP (1947) und nach dem Scheitern der Selbstbestimmung fanden sich die politischen Vertreter der deutschen Minderheit als Untermieter in der vom 1. Autonomiestatut vorgesehenen Region wieder. 13 deutsche Abgeordnete standen 48 italienischen gegenüber. „Wir hatten nichts zu sagen“, so Stocker. Ein Beispiel: Bei den Geldern für die Landwirtschaft waren ein Sechstel für die Provinz Bozen und 5 Sechstel für die Provinz Trient vorgesehen. Der Regionenarchitekt Tullio Odorizzi damals: „Es gibt keine Übertragung von Zuständigkeiten an Südtirol.“
Nachdem in den 50er Jahren die Aussage bekannt wurde, dass es Ziel Italiens sei, 51 % der Bevölkerung Italiener haben zu wollen, kam der heftige Protest in Sigmundskron mit 35.000 Leuten mit dem „Los von Trient“. Das habe Italien wenig beeindruckt. Mehr beeindruckt war der Staat dann, als 1959 das Thema Südtirol vor der Weltgemeinschaft UNO zur Sprache gekommen ist. „Eine unglaubliche Leistung und ein mutiger Schritt mit großem Risiko“, sagte Stocker. Mit der UNO-Resolution 1960 steht Italien am Pranger. Stocker wagte die Aussage: „Ich bin der Überzeugung, dass die Anschläge 1961 ein Schub für die Verhandlungen waren.“ Die SVP lehnte 1966 einen Paketvorschlag von Bruno Kreisky ab, rang sich bei der berühmten SVP-Versammlung 1969 mit der knappen Mehrheit von 52,8 % zu 137 Paketmaßnahmen durch, welche als 2. Autonomiestatut 1972 in Kraft getreten sind. Es folgten zahlreiche Durchführungsbestimmungen (Abkommen mit ZDF und ORF, Proporz usw. usf.) bis 1992 mit der sog. Streitbeilegung jener aus dem Jahr 1960 herrührende Streit beigelegt worden ist. Federführend der damalige österreichische Außenminister Alois Mock und der italienische Ministerpräsident Giulio Andreotti.
Luis Durnwalder stellte dann einige Dinge aus seiner Sicht dar: Wenn heute die Leute, die damals optiert haben, als Verräter dargestellt werden, solle man etwas objektiver sein. Es war damals sicher nicht leicht. Zur Gründung der SVP: Hut ab vor den Dableibern. Degasperi, so Durnwalder, sei Mitschuld an den Vorkommnissen in den 50er und 60er Jahren. Hätte er damals gesagt, wir geben Südtirol und dem Trentino die Autonomie, wäre viel Leid erspart geblieben. „Weil die Region dermaßen Präpotenz gezeigt hat, hat man Südtirol regelrecht gezwungen, heftig zu reagieren“, sagte Durnwalder. Mit einem Stimmrecht habe er 1969 bei der „Paketschlacht“ teilgenommen, die Stimmung zum Schneiden, Magnago super. Gott sei Dank habe die Umsetzung bis 1992 gedauert, denn „wir waren verwaltungstechnisch gar nicht vorbereitet.“ Seither habe es eine Aufbruchstimmung gegeben. „Unsere Leute haben einen Kopf, ein Herz und zwei Hände“, lobte Durnwalder die Umsetzung. Seither gebe es eine „dynamische Autonomie“, also „das verlangen, was notwendig ist.“ Die Lehrer:innen etwa seien mit dem „Lehrer zum Land“ „staatliche Landesangestellte“, die Staatsstraßen verwalte das Land, der Großteil der Kasernen sei ans Land gegangen, die Wasserkonzessionen im Strombereich, die Mailänder Finanzregelung usw.
„Insgesamt ist die Paketentwicklung gut gegangen“, sagte Durnwalder und: „Wir sind trotz Paket immer noch eine verschwindend kleine Minderheit von 1 % an der Bevölkerung in Italien. Wenn wir aber auf unsere Autonomie verzichten, werden wir zu einem Misch.Masch, also zu Italienern, die es etwas besser geht.“ Durnwalder gab dann äußerst kurzweilig noch einige Erinnerungen (an den Besuch des Staatspräsidenten Scalfaro, daran, dass er sich im Namen der Südtiroler bei Bruno Kreisky für dessen Mühen bedankt hat und Kreisky damit zu Tränen gerührt hat...).
Martha Stocker wünschte sich abschließend, dass „man in den Oberschulen Diskussionen über 50 Jahre Autonomiestatut viel stärker abhalten könnte“. Es sei ein Unterschied, ob man informiere oder ob man diskutiere. Da kämen sicher Ideen, wie es weitergehen könnte, heraus.
Mitveranstalter war auch der Heimatpflegeverein Naturns-Plaus, der von Franz Fliri vertreten worden ist. (eb)

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