Spezial Landwirtschaft: Jeder Apfel ist ein guter Apfel

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Apfelkonzentrate, Apfelsaft, Fruchtpürees, Apfelscheiben, Aromen... VOG Products in Leifers verarbeitet im Laufe eines Jahres so viele Äpfel wie sie im Vinschgau in einem Jahr produziert werden. VOG Products ist eine Genossenschaft 2. Grades und verarbeitet Obst aus dem Trentino und aus Südtirol. Der Geschäftsführer Christoph Tappeiner über die Visionen, die Produkte und die Bedeutung von VOG Products.

 

Vinschgerwind: Wir nehmen an, dass Sie mit einem Aktenkoffer voller neuer Aufträge vor uns sitzen.
Christoph Tappeiner: Mit einem Aktenkoffer voller neuer Aufträge? (lacht). Das kann man schon so behaupten. Ich bin seit 3 Jahren bei VOG Products und es ist eine spanndende Realität. Das Potenzial ist unglaublich.

Vinschgerwind: Sie kommen gerade von der Anuga in Köln zurück. Die Anuga ist die „Weltleitmesse für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie“. Was tun Sie inmitten von Big Playern bzw. von Big Byern, also von Großeinkäufern der Welt?
Christoph Tappeiner: Anuga hat - nach dem Corona-Ausfall im vorigen Jahr - bei vielen Großeinkäufern und Verkäufern wieder ein Lächeln auf die Lippen gezaubert, weil es die Möglichkeit geboten hat, viele Leute endlich wieder live zu sehen. Man muss allerdings sagen, dass es heuer nicht die Anuga war wie vor zwei Jahren. Vor zwei Jahren war alles, was Rang und Namen hat, präsent. Heuer war die Messe etwas abgespeckt.
Die Internationalität hat aufgrund der Einreiserestriktionen etwas gefehlt. VOG Products ist ein großer Partner der weltweiten Lebensmittelindustrie. Die internationale Lebensmittelindustrie zählt zu unseren Kunden. VOG Products hat sich in diesen Kreisen ein sehr gutes Image aufgebaut. Die Anuga ist willkommener Treffpunkt mit internationalen Unternehmen.

Vinschgerwind: Neue Aufträge?
Christoph Tappeiner: Wir befinden uns aktuell in einer sehr wichtigen Phase, weil unser Geschäft auf Halbwaren ausgelegt ist und wir Jahresverträge mit Mengen und Preise abschließen. Es hat bei der Anuga einige Verträge gegeben. Für neue Projekte ist es momentan etwas schwieriger, weil neue Projekte etwas unter der Corona-Geschichte gelitten haben.

Vinschgerwind: Lassen Sie uns auf die Halbwaren zu sprechen kommen. Wenn ich einen beliebigen Apfelsaft in Deuschland oder in Italien kaufe, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Apfelsaft ein Produkt von VOP Products enthält?
Christoph Tappeiner: Die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, weil unsere Kunden die großen Player der internationalen Lebensmittelindustrie sind. Es gibt keine Marke, die wir in diesem Bereich nicht beliefern.

Vinschgerwind: Babys kommen wahrscheinlich noch leichter in Kontakt mit Apfelmus aus Leifers.
Christoph Tappeiner: Babynahrung, Babyfood wird in unserem Haus mit Bio verbunden. Wir haben ein starkes Biowachstum in der Produktion. Unsere Kundenaquise legen wir auch darauf aus. Aus der Bioproduktion kommt ein großer Teil zu VOG Products. Unser Anliegen ist es, dass wir für hochwertige Produkte sorgen. Also die Wahrscheinlichkeit, dass unsere Produkte in großen Babynahruns-Marken zu finden sind, ist sehr groß. Wir sind in diesem Bereich in den letzten Jahre stark gewachsen und das ist für uns ein Beweis dafür, dass wir das Vertrauen unserer Kunden gewonnen haben.

Vinschgerwind: Es ist erstaunlich, dass sehr viel Bioware bei Ihnen in VOG Products verarbeitet wird.
Christoph Tappeiner: Wir verarbeiten jeden 5. Apfel, der in Südtirol und im Trentino produziert wird, bei VOG Products zu Saftkonzentrat oder anderen Produkten. Im Biobereich ist es jeder 3. Apfel.

s46 VOG azienda servizio29Vinschgerwind: Saftproduzenten, Bäckereigroßhändler, Fruchtzubereiter für Molkereiprodukte und sonstige Hersteller für Produkte mit Früchten als Zutat zählen zu Ihren Kunden. Was liefert VOG Products an diese Kunden?
Christoph Tappeiner: Wir haben grundsätzlich zwei Produktkategorien: Wir haben flüssige und stückige Produkte. Flüssige Produkte sind Konzentrate, Direktsäfte und Pürees. Bei dieser Produktion fallen auch Aromen an, die in flüssiger Form auf den Markt kommen. Viele dieser Produkte sind Grundstoffe für die Nahrungsmittelindustrie. Die stückigen Produkte sind gekochte Äpfel oder Birnen und Tiefkühlprodukte. Diese werden von Großküchen und Großbäckereien verarbeitet.

 

Vinschgerwind: Welche Produkte gehen direkt in den Lebensmittelhandel?
Christoph Tappeiner: Alles, was wir an Fertigprodukten herstellen, geht direkt in den Lebensmittelhandel. Das macht rund zwei Prozent unseres Umsatzes aus. Wir können allerdings nicht feststellen, wie hoch der Anteil der Produkte unserer Kunden am Lebensmittelhandel ist. Der Bereich Horeca, also das Hotel- und Restaurant-Catering, ist für unsere Wertschöpfung ungemein wichtig. Gerade bei der Anuga gab es Gespräche über den Horeca-Bereich. Unsere Kunden freuen sich natürlich, dass dieser Bereich 2021 wieder zu 90 Prozent in die Normalität zurückgekehrt ist. Corona haben auch wir gespürt. Aber weil wir international agieren, haben wir doch ein zufriedenstellendes Ergebnis 2020/2021 erzielen können.

Vinschgerwind: Hagelware, Fallobst, aussortierte Äpfel - Welche Früchte kommen zu Ihnen in die Verarbeitung?
Christoph Tappeiner: Berechtigte Frage. Grundsätzlich haben wir gegenüber unseren Eigentümern einen Serviceauftrag. Im Herbst gilt es die Fallobstproblematik zu lösen. Also kommen täglich große Mengen an Fallobst zu uns, die wir dann verarbeiten. Unterschiedliche Qualitäten ermöglichen unterschiedliche Veredelungsstufen. Mäßige Qualitäten ermöglichen natürlich mäßige Wertschöpfung. Unser Ziel ist es, die Wertschöpfung im Interesse unserer Mitglieder zu verbessern. Wir wissen, dass auf europäischer Ebene mehr Äpfel produziert werden als es Nachfrage gibt und dass der Osten viele Äpfel produziert...

Vinschgerwind: Erlauben Sie einen Vergleich mit der Milch. Es ist bekannt, dass Milch von Südtiroler Milchhöfen zugekauft wird. Kauft VOG Products Äpfel aus Polen zu?
Christoph Tappeiner: Überhaupt nicht. Das ist für uns ein totales No-Go. Wir kaufen schon zu, aber ausschließlich integrierte Ware aus dem norditalienischen Raum. Was Bioware anbelangt, beziehen wir ausschließlich Obst von unseren Mitgliedsgenossenschaften. Das ist auch eine Botschaft an den Markt, aber auch eine Botschaft nach innen. Wir wollen da eine weiße Weste haben. Der Markt schätzt das und das ist eine Frage des Vertrauens.

Vinschgerwind: Die Anlieferung möchten wir genauer wissen. Nehmen wir den Vinschgau her. Die Anlieferung erfolgt von den Bauern in die Genossenschaften. Kann VOG Products dann bestimmte Qualitäten und Mengen einfach abrufen?
Christoph Tappeiner: Aufgrund des Serviceauftrages müssen wir z.B. Hagelware oder Fallobst übernehmen. Das ist die Anlieferungspflicht, die alle Genossenschaften betrifft. Aber im Laufe des Jahres können wir aufgrund von Kundenaufträgen Ware abrufen, um unsere Kunden entsprechend bedienen zu können. Es kann zum Beispiel sein, dass wir Bio-Babyfood benötigen. Dann müssen wir alles unter einen Hut bringen, um den Anforderungen gerecht zu werden.

s46 VOG azienda servizio43Vinschgerwind: Werden die Äpfel in Großkisten angeliefert und die Äpfel werden dann bei euch intern sortiert oder kommen vorsortierte Äpfel zu euch?
Christoph Tappeiner: Sowohl als auch. Die klassischen Saftäpfel werden lose mit den 30 Tonnen-LKW angeliefert. Wertigere Produkte für Pürees oder Schälprodukte werden in Kisten angeliefert. Die Äpfel werden bei uns einer Nachsortierung unterzogen und schadhafte Früchte aussortiert. Wir sind keine Altweibermühle: Aus guter Ware können wir etwas Vernüftiges herstellen, aus Ware mit reduziertem Wert können wir Konzentrat machen.

Vinschgerwind: „Den Apfel neu denken“ ist eines Ihrer Ziele. Was heißt das?
Christoph Tappeiner: Wir wollen die Potenziale des Apfels vollständig ausnutzen. Das heißt, wir haben neben der ganzen Frucht, die von den Konsumenten genossen wird, auch eine Reihe von Konsumenten, die den Apfel in flüssiger Form, in Püreee-Form oder in anderen Formen zu sich nehmen will. Wir sehen aber weitere Potenziale im Apfel. Das Thema Gesundheit etwa. Da geht es um die Extraktion verschiedener Inhaltsstoffe, die wir auf den Markt bringen können. Für uns ist die Verwertung der Reste ein wichtiger Punkt. Wir haben ein spannendes Projekt in der Kreislaufökonomie laufen: Apfeltrester war bisher ein Nebenprodukt, welches wir ann Biogasanlage verkaufen. Wir schreiben damit eine schwarze Null. Wir sind der Meinung, dass der Trester eine Schatztruhe ist. Wir können uns den Trester als Papierzusatz vorstellen, aber auch als Basis für andere Produkte. Diese Projekte sind derzeit in der Forschung und Entwicklung angesiedelt. Wir erkennen das Potenzial und werden Entscheidungen treffen, die nachhaltig, umsetzbar und ökonomisch sinnvoll sein müssen und auch der CO2-Effekt soll miteinbezogen werden.

Vinschgerwind: Malen wir die Zukunft. Eine Apfel-Papier-Fabrik sagen wir mal in Eyrs?
Christoph Tappeiner: Mit viel Phantasie vielleicht, nicht ausgeschlossen. Wir denken eher daran, dass wir Papierfabriken so beliefern, dass wir unsere eigene Verpackung aus unseren Trestern herstellen lassen könnten.

Vinschgerwind: Sie haben gesagt, dass jeder 5. Apfel aus der integrierten und jeder 3. Apfel aus der Bioproduktion bei VOG Products verarbeitet werden. Das dürften gewaltige Mengen sein, wenn 1,7 Millionen Tonnen Äpfel in Südtirol und im Trentino produziert werden.
Christoph Tappeiner: Ja das sind gewaltige Mengen. Im letzten Geschäftsjahr, welches mit 30. Juni geendet hat, haben wir 31.000 Waggon verarbeitet. Wir rechnen heuer mit der gleichen Menge.

Vinschgerwind: Sichtbarer wird diese Menge, wenn wir sie mit der Produktion der Obstgenossenschaft Texel vergleichen, bei der Sie bis vor 3 Jahren Geschäftsführer waren.
Christoph Tappeiner: Die Texel macht ungefähr 6.000 Waggon. Alle 7 Obstgenossenschaften im Vinschgau erzeugen jährlich in etwa soviel, wie wir im Jahr verarbeiten.

Vinschgerwind: Auch aus dieser Optik bekommt der Spruch in eurem Leitbild einen anderen Drall: „Wir sind eine tragende Säule der regionalen Obstwirtschaft und garantieren - zusammen mit unseren Mitgliedern - den vielen Bauern und ihren Familien Einkommen und langfristige wirtschaftliche Perspektiven.“
Christoph Tappeiner: Absolut. Ich rufe ins Gedächtnis, dass sich Verbraucherwünsche verändern. Junge Leute haben andere Bedürfnisse als ältere Jahrgänge. Uns muss es einfach gelingen, Verbraucherwünsche zu erfüllen. Wenn heute jemand den Apfel lieber löffelt als hineinzubeißen, dann sehen wir das als Chance und die müssen wir nutzen. Die Möglichkeiten sind diesbezüglich groß. Daran arbeiten wir.

Vinschgerwind: Der Verkauf des ganzen Apfels an den Einzelhandel wird weiterhin Bestand haben. Gemessen daran ist VOG Products eine äußerst dynamische Geschichte.
Christoph Tappeiner: Genau. Wir sagen auch ganz bewusst, wir wollen das weltbeste Apfelmus herstellen und anbieten. Wir wollen auch den weltbesten Apfelchip über verschiedene Vertriebskanäle anbieten. Das ist unsere Vision.

Vinschgerwind: Ist ein „Made in Südtirol“ in diesen Dimensionen unerheblich?
Christoph Tappeiner: Für uns ist das Label absolut wichtig. Zum Thema Herkunft haben wir eine klare Botschaft und das wird immer wichtiger. Wir sind dabei, das Label „From Italian Alps“ zu etablieren. Damit bringen wir Südtirol und Trentino unter einen Hut. „From“ ist ein Zusammenschluss von VIP, VOG, Trentino und Melinda mit dem Hintergedanken, dass auf bestimmten Märkten Äpfel aus einer Hand angeboten werden. Ursprünglich war das für den Markt in Russland gedacht, der dann aufgrund des Embargos seit 2014 nicht bespielbar ist. Die vier Erzeugergenossenschaften stehen dahinter. Der Konsument ist, vielleicht hat dies Corona beschleunigt, neugieriger geworden und will wissen, woher und unter welchen Bedingungen etwas erzeugt wird.

Vinschgerwind: VOG Products ist eine Genossenschaft. Eigentümer sind 18 Genossenschaften aus dem Trentino und aus Südtirol, darunter die 7 Obstgenossenschaften des Vinschgaus und die Vip.
Christoph Tappeiner: VOG Products ist 1967 gegründet worden. Wir verarbeiten heute soviele Früchte an einem Tag, wie vor 50 Jahren im ganzen Jahr. Die Mengen haben von Jahr zu Jahr zugenommen und auch die Wertschöpfungskette hat sich verändert.

Vinschgerwind: Die VOG Products ist sozusagen die Genossenschaft der Genossenschaften.
Christoph Tappeiner: Richtig, die VOG Products ist eine Genossenschaft 2. Grades.

Vinschgerwind: Welchen Benefit, welchen Nutzen lukrieren die einzelnen Genossenschaften aus der VOG products? Nehmen wir als Beispiel einen angenommenen Auszahlungspreis für die Bauern im Schnitt von 40 Cent pro Kilo Äpfel. Welchen Anteil an diesem Auszahlungspreis hat die VOG Products?
Christoph Tappeiner: Diesen Anteil können wir wegen der unterschiedlichen Qualitäten, die wir erhalten, nicht genau beziffern. Was wir beziffern können ist, dass wir im Jahr 2020 an die Genossenschaften insgesamt 40 Millionen Euro ausbezahlt haben. Wir haben für konventionelle Saftware zwischen 13 und 14 Cent bezahlt, für Bioware 21 bis 23 Cent ausbezahlt. Für Püreeware konventionell haben wir 19 Cent und für Püreeware Bio im Schnitt 36 Cent bezahlt. Für die Schälprodukte haben wir rund 23 Cent ausbezahlt.

Vinschgerwind: Wie ist es um die Identifikation von den Bauern mit VOG Products bestellt? Welchen Informationsgrad haben die Produzenten über Euer Tun?
Christoph Tappeiner: Eine berechtigte Frage, mit der wir uns intensiv beschäfigten. Wir haben da großen Aufholbedarf, weil wir eine große Distanz zwischen den Produzenten und VOG Products feststellen. Wir sind dabei, die Kommunikationskanäle zu verbessern. Wir senden mittlerweile einen monatlichen Mitgliedernewsletter an über 800 Produzenten, um direkt darüber zu informieren, was in unserem Hause zum Wohle der Produzenten von statten geht. Da haben wir noch eine große Aufgabe vor uns. Wir versuchen da den Dialog zu verbessern. Auch weil wir der Meinung sind, dass die Wertschöpfung für die einzelnen Produzenten durch die Tätigkeiten von VOG Products weiter steigen wird.

Interview: Erwin Bernhart

 

ECKDATEN ZU VOG PRODUCTS

Eigentümer:
18 Genossenschaften, 4 Erzeugerorganisationen; im Hintergrund rund 10.000 Obstbauernfamilien mit 28.000 Hektar Apfelanbaugebiet (Südtirol und Trentino)

Anlieferung:
1967: 3.000 Tonnen/Jahr
2020/2021: 314.800 Tonnen/Jahr
(in der Spitze 4.000 Tonnen/Tag)
Betriebsfläche: 8ha
Produktionsbereiche: Flüssig, Stückig und Fertigprodukte
Produkte:
• Konzentrate
• Säfte, Direktsäfte
• Aromen
• Fruchtmark, Püree
• Geschnittenes Frischobst, Dunstfrüchte, Tiefkühlfrüchte
Neben Äpfeln veredeln wir auch andere Früchte:
Birnen, Pfirsiche, Kiwi und Aprikosen
Fertigprodukte: Marke Leni’s und Private Label-Produkte

Mitarbeiter: ca. 190, in der Hochsaison ca. 230

Jüngste Investitionen:
- Püreelinie
- Annahmestation und Bandpresse
- Aseptische Abfüllanlage für Kleingebinde (Bag in box)
Exportquote: rund 90% (über 50 Länder, über 500 Kunden)

Geschäftsjahr 2020/2021:
Umsatz: 102,5 Mio. Euro
Auszahlung an die Mitgliedsgenossenschaften:
40 Mio. Euro
Auszahlungspreis Saftäpfel gemischte Sorten: 0,13 Euro/kg
Auszahlungspreis Golden Musware Äpfel Bio Babyfood: 0,42 Euro/kg
Auszahlungspreis Schäläpfel Bio: 0,44 Euro/kg

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