„I hon gmoant, i bin in Österreich“

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Arturo De Filippis,  geb. 1946 in Neapel, wohnhaft in Schluderns, hat sich im Vinschgau bestens integriert: „I hon norr sogor mit meine Kinder Teitsch gret.“ Arturo De Filippis, geb. 1946 in Neapel, wohnhaft in Schluderns, hat sich im Vinschgau bestens integriert: „I hon norr sogor mit meine Kinder Teitsch gret.“

Arturo De Filippis kam vor 54 Jahren von Neapel in den Vinschgau, wo er eine Stelle beim
italienischen Automobilclub ACI an der Reschen-Grenze antrat. Er sprach kein Wort Deutsch.
In seiner offenen Art ging er auf die Vinschger zu und lernte deren Dialekt.

von Magdalena Dietl Sapelza

Im Juni 1966 setzte sich Arturo in Neapel in den Nachtzug. Sein Ziel war der 1000 Kilometer entfernte Reschenpass, um dort beim ACI zu arbeiten. Er nickte ein und schlief bis ihn die laute Durchsage: „Bahnhof Bozen“ weckte. „Selm hon i gmoant, i bin in Österreich“, erinnert er sich. Als er auch „Bolzano“, hörte, wurde ihm klar, dass er umsteigen musste. Verunsichert drückte er einem Taxifahrer den Zettel mit der Adresse seiner Unterkunft in Reschen in die Hand und ließ sich dorthin chauffieren. „Selm hon i norr teiflisch zohlt“, lacht er. Sein erster Monatslohn von 30.000 Lire sei futsch gewesen. Am ersten Arbeitstag an der Grenze merkte er, dass dort neben Italienisch auch Deutsch gesprochen wurde. Ohne Berührungsängste eignete er sich die neue Sprache Wort für Wort an. Heute spricht er den Vinschger Dialekt.
Arturos Familie lebte im Herzen von Neapel. Nachdem seine Eltern wegen ihrer Tuberkulose-Erkrankung in ein Sanatorium eingewiesen wurden, kam Arturo als Vierjähriger zu Klosterfrauen in ein Heim umgeben von hohen Mauern außerhalb der Stadt. Fünf Jahre lang war das Heim sein Zuhause. Er und die vielen anderen Kinder wurden unterrichtet, folgten strengen Ritualen und schliefen in riesigen Schlafsälen. Spielsachen habe es keine gegeben, dafür aber gutes Essen, erzählt er. Unendlich lang empfand er die Gottesdienste. Die „Messa Cantata“ in lateinischer Sprache sei über Stunden zelebriert worden, betont er. Ausschließlich seine wieder genesene Mutter durfte ihn später einmal im Monat besuchen. Um die Mauern herum führte der „Circuito di Posillipo“, eine bekannte Autorennstrecke der Formel I. Arturo liebte es, auf der zwei Meter hohen Mauer zu sitzen und den schnellen Schlitten zuzuschauen. Als 10-Jähriger kam er ins nächste Heim, das Mönche führten. Von ihnen musste er so manche Züchtigung erdulden. Erst nach Abschluss der Pflichtschule kehrte er als 15-Jähriger zu seiner Familie zurück. „I bin olm inngsperrt gwesn unt hon nix von der Welt gwisst“, meint er. Er eckte bei Gleichaltrigen an und kam mit dem pulsierenden Leben in der Stadt nur schwer zurecht. Auf Betreiben seiner Mutter, die beim ACI in Neapel arbeitete, durfte er dort als Saisonarbeiter mithelfen, bis er die fixe Stelle am Reschenpass zugesprochen bekam. Dort drehte sich seine Arbeit um Geldwechsel, Grüne Karte, Versicherungen, Benzingutscheine... Unterbrochen wurde die Arbeit nur vom Militärdienst, den er zuerst in Neapel und dann in Meran absolvierte. Wieder an der Grenze lernte er seine Frau Greti Saurer aus Prad kennen, die in Reschen als Friseurin arbeitete. Mit ihr besuchte er kurz darauf Neapel. „Selm hot si gmiaßt bei meiner Mama im Bett schlofn“, lacht er. Die Hochzeitsglocken läuteten 1971 in Prad. Die jungen Eheleute bezogen eine Wohnung in Reschen. Die Suche nach einem Baugrund führte sie nach Schluderns. Dort errichteten sie ihr Heim und zogen 1979 ein, inzwischen mit ihren zwei Kindern. Greti führte im Haus einige Jahre einen eigenen Friseursalon. Arturo pendelte zur Grenze, bis zu seiner Pensionierung 1999. Diese fiel mit der endgültigen Schließung des ACI-Büros zusammen. Arturo schloss sich der Schludernser Altherrenmannschaft an, betreute deren Radtouren und half bei Vereinfesten mit. Nach der Gründung der Schludernser Energiegenossenschaft SEG im Jahr 2000 machte sich Arturo dort zehn Jahre lang als „Mann für alles“ nützlich und ab 2006 auch in der Bioenergiegenossenschaft BEST in St. Valentin, wo er noch immer tätig ist.
Vor rund zehn Jahren entdeckte Arturo das Tanzen als seine große Leidenschaft. Mit seiner Frau besuchte er unzählige Kurse. Die beiden beherrschten Standart-Tänze in perfekter Ausführung und wurden bei Bewerben bestaunt. Bis zu 50 Wochen im Jahr waren sie mit neuen Schritten und Figuren beschäftigt. Arturo sprühte vor Begeisterung und wollte immer besser werden. Seiner Frau wurde es schließlich zu anstrengend. Und so musste auch er die Tanzschuhe an den Nagel hängen. Ein Neustart mit einer anderen Tanzpartnerin wäre viel zu langwierig gewesen. Arturo denkt oft an die Tanzabende zurück. „Es gib nix Scheaners als Tonzn“, schwärmt er. Wenn er Tanzmusik hört, überkommt ihn große Wehmut. Mit dem Tanzen verbinden ihn heute nur noch Erinnerungen, genauso wie mit seiner Geburtsstadt Neapel, die er vor 54 Jahren verlassen und seither nur einige wenige Male besucht hat.

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