Nationalpark Stilfserjoch: Der Eisvogel - Stoßtaucher in Kobald, Türkis und Orange

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Wie ein Projektil schießt der Eisvogel bei der Stoßjagd in das Wasser. Foto: Dietmar Gander Wie ein Projektil schießt der Eisvogel bei der Stoßjagd in das Wasser. Foto: Dietmar Gander

Wolfgang Platter, am Tag des Hlg. Andreas, Apostel, 30. November 2020

 

Dietmar Gander aus Agums und Johannes Tappeiner aus Laas sind diese prächtigen und informativen Fotos eines Eisvogels Mitte November dieses Jahres am Laaser Fischteich gelungen. Die beiden Fotografen haben mir die Bilder bereitwillig zur Verfügung gestellt. Und so kann ich in der heutigen Zeitungsnummer über den Eisvogel (Alcedo atthis), seine Biologie und sein Verhalten schreiben und den Beitrag mit Bildern einheimischer Naturfreunde und Fotografen illustrieren. In Italienisch heißt der Eisvogel Martin pescatore, in Englisch Common Kingfisher.

Unverwechselbar
Der Eisvogel ist etwas größer als ein Spatz, hat einen gedrungenen Körper, ist auffällig kurzschwänzig mit einem geraden und kräftigen Schnabel. Durch seine auffällige Gefiederfärbung ist der Eisvogel mit keinem anderen Vogel zu verwechseln: Oberseits ist er kobaltblau bis türkisfarben, unterseits orangebraun gefärbt. Scharf abgesetzt und auffällig sind die zwei weißen Flecken an der Halsseite. Der Eisvogel gehört zu den Rakenvögeln und kommt als Brutvogel von Europa bis nach Ostasien vor, fehlt aber in den innerasiatischen Trockengebieten.
Auch in Südtirol gehört der Eisvogel zu den ganz großen Seltenheiten. Der erste Südtiroler Vogelatlas von 1996 gibt für unser Land kaum mehr als 4-5 Brutpaare an Gewässern in tiefen Tallagen zwischen 250 und 300 m MH an. Bei weiteren Beobachtungen zwischen 800 und 1.500 m Höhe könne es sich nicht um brütende Vögel, sondern um Jungvögel oder Zugvögel handeln. Die Jungvögel werden nach dem Flüggewerden aus dem Revier der Eltern vertrieben. Sie streifen sodann ab Mai/Juni weit umher.
Beim Eisvogel am Laaser Fischerteich wird es sich um einen nordischen Zugvogel handeln.

Jagdtechnik
Eisvögel erbeuten kleine Fische, indem sie im Stoßflug von einer Sitzwarte ins klare Wasser stoßen. Wie der bekannte Ornithologe Einhard Bezzel in seinem Buch „Vögel“ (BLV-Verlag 2006) schreibt, laufen bei dieser Form des Nahrungserwerbes viele komplizierte Verhaltensweisen so rasch hintereinander ab, dass erst die Zeitlupen-Analysen von Filmsequenzen alle Einzelheiten deutlich machen. Bezzel schreibt: „Um erfolgreich fischen zu können, muss der Eisvogel seine Beute im WA007Wasser vorher optisch fixieren. Das bedeutet, dass er nur im klaren Wasser fischen kann oder dort, wo Fische in passender Größe nahe an die Oberfläche kommen. Auch bei starkem Wind, der die Wasseroberfläche bewegt, ist der Fangerfolg fraglich. Von einer passenden Sitzwarte im oder nahe am Wasser wird der Stoß angesetzt. Oft versuchen Eisvögel im kurzen Flug die nötige Stoßhöhe zu erreichen und möglichst senkrecht über die Beute zu gelangen. In diesem Fall wird dann der Steilstoß aus einem kurzen Rüttelflug angesetzt. Rasche Flügelschläge sorgen im Herabstoßen für die nötige Beschleunigung. Ist die Wasseroberfläche erreicht, wird der Körper gestreckt; die Flügel sind seitlich angelegt. Wie ein Projektil schießt der Vogel ins Wasser. Die Augen bleiben dabei offen, der Schnabel ist entweder geschlossen oder leicht geöffnet. Da der Stoß im Wasser in der Regel nicht tief gehen soll – häufig fischen Eisvögel auch in ganz seichtem Wasser – werden unmittelbar nach dem Eintauchen, schon bevor die Beute erreicht ist, Bremsbewegungen eingeschaltet: Der Vogel dreht seine Körperachse waagrecht, streckt die Füße vor und führt unter Wasser rudernde Flügelbewegungen aus. Um rasch wieder auftauchen zu können, dreht sich der Eisvogel mitunter nach oben. Oft aber drückt er nur seinen Schnabel an die Brust und durchstößt mit dem Oberkopf zuerst die Wasseroberfläche. Mit einem kräftigen Ruck wird der Schnabel mit oder ohne Beute aus dem Wasser geschleudert, und der Eisvogel startet entweder sofort oder nach einer kurzen Ruhepause zum Rückflug auf die Sitzwarte.
Meist sind Eisvögel nur sehr kurz unter Wasser. Vom Eintauchen bis zum Ergreifen der Beute vergeht kaum eine Sekunde. Wahrscheinlich führen die meisten Tauchstöße nur etwa 30 – 60 cm unter Wasser; im ganz seichten Wasser wird der Stoß schräg angesetzt. Fische werden mit dem kräftigen Schnabel etwa in der Mitte des Körpers gepackt oder auch durch den geschlossenen Schnabel regelrecht harpuniert und am Rücken oder in den Flanken aufgespießt. Die weitere Bearbeitung der Beute erfolgt dann meist auf der Sitzwarte.“ Soweit Einhard Bezzel zu den einzelnen Phasen der Stoßtechnik.

Nahrungsspektrum
IMG 20201114 WA0000Kräftiges Zusammendrücken des Schnabels tötet oder schwächt den Fisch. Zappelt die Beute heftig, wird sie mit kräftigen Schlägen auf die Unterlage betäubt. Meistens sind die erbeuteten Fische nur etwa 4 – 7 cm lang, nur ausnahmsweise können sie eine Größe bis 10 cm erreichen.
Besonders beliebt sind schlanke und flachrückige Fischarten im Seicht- oder Oberflächenwasser, z.B. kleine Bachforellen, Gründlinge, Pfrillen und Rotfedern. Dickköpfige oder hochrückige Fische sind weniger beliebt, so z.B. Groppen oder Brachsen. Der Fisch wird im Schnabel gedreht und gleitet kopfvoran ohne Schuppenreibung in den Schlund. Trägt ein Eisvogel aber einen Fisch mit dem Schwanz im Schlund, so ist dieser Fisch zur Fütterung der Jungen in der Nesthöhle bestimmt. In der Nesthöhle gibt es den sogenannten Karussell-Betrieb: Wenn das Junge gefüttert ist, rücken alle Jungen der Brut um eine Position weiter, so dass alle gleichmäßig an die Fütterung kommen.
Wer das Glück hat, Eisvögel auch im Frühling und Sommer bei uns zu beobachten, sollte sie mit ihrer Fischbeute genau beobachten: Fische im Schnabel in der Fütterungsposition würden einen Hinweis auf Brut darstellen. Dass der Eisvogel am Laaser Fischteich brütet, ist derzeit unwahrscheinlich. Es fehlen ihm die steilen Lehmwände zum Anlegen der Wiesel- und Ratten-sicheren Bruthöhlen. Im Suldenbach-Delta auf der Prader Sand oder in der Schludernser Au gibt es diese steilen Uferstücke mit weichen Abbruchkanten. Aber was derzeit nicht ist, kann noch werden. In der Literatur findet man Hinweise, dass Eisvögel in ihrer Brutraumnot auch künstliche Lehmwände und Nisthilfen annehmen, wenn diese Nestbereiche ungestört bleiben.

Sekundärlebensraum aus Menschenhand
Der Aufenthalt und das Vorkommen des Eisvogels am Laaser Fischerteich ist ein schlagendes Beispiel dafür, wie wertvoll vom Menschen geschaffene Sekundärlebensräume als „Trittsteine“ in intensiv kultivierten Landwirtschaftsflächen sind. Zur Erinnerung: Der Laaser Fischteich ist Teil des alten Etsch-Bettes. In meiner Zeit als Laaser Bürgermeister wurde er in den Jahren um 1985 als DSC 9063Schottergrube ausgehoben und anschließend gewässert. Das Aushubmaterial diente zur Aufschüttung des Untergrundes am Standort der damals unter dem Obmann Edi Tröger neu gegründeten Obstgenossenschaft ALPE. Die ersten Seerosen habe ich mit Camillo Sanson aus Rhizomstücken (von der Entkrautung des Montiggler Sees durch das Landesbiologische Labor) mit Steinen in Jutesäcken im Laaser Fischteich versenkt. Seit Jahren ist der Fischteich nicht nur ein beliebtes Naherholungsgebiet, sondern eben auch eine bedeutsame ökologische Oase in der Intensivkultur: Stockente, Blässhuhn, Wasserralle, Tüpfelsumpfhuhn, Schafstelze, Teichrohrsänger und eben der Eisvogel haben sich eingefunden.

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