Nationalpark Stilfserjoch: Der Haider See - Neuankömmlinge aus der Vogelwelt

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Wolfgang Platter, am Tag des Hlg. Bartholomäus, 24. August 2020

Die Landschaft um den Haider See im Obervinschgau hat Weite, Ruhe und Naturbelassenheit. Dies schätzen nicht nur die Menschen als Besucher, sondern auch die Tiere: Es gibt neue Zuzügler und Mitbewohner. Drei dieser relativ frischen Neuankömmlinge unter den Vogelarten stelle ich Ihnen heute vor: den Karmingimpel, den Haubentaucher und die Reiherente. Dass ich das mit so aussagekräftigen, ästhetischen und technisch perfekten Fotos tun kann, verdanke ich Horand Maier, der mir seine Bilder bereitwillig zur Verfügung gestellt hat. Dr. Horand Maier ist in seinem Beruf Amtsdirektor im Verwaltungsamt für Raum und Landschaft in der Südtiroler Landesverwaltung und in seiner Freizeit begeisterter und kompetenter Naturfotograph.

Der Haider See
Nach dem Kalterer See ist der Haider See der größte Natursee Südtirols. Hanspaul Menara und Josef Rampold geben in ihrem Buch Südtiroler Bergseen (1976) die Ausmaße mit 2,34 km Länge, 0,63 km Breite, 0,89 km² Oberfläche und 7 m Tiefe an. Das Seebecken besteht aus Gneisphyllit, der See ist durch beidseitige Murkegel abgedämmt worden. Seinen Zufluss erhält der See durch die junge Etsch und aus dem Zerzer Bach im Westen. 1326 hat der Tiroler Landesfürst König Heinrich von Böhmen die Fischereirechte (Äschen, Renken, Forellen, Saiblinge) an die von ihm gestiftete Kartäusersiedlung Allerengelberg in Karthaus Schnals übergeben. Das Fischereirecht ist in den Folgezeiten mehrfach bestritten gewesen. Eine künstliche Aufstauung des Haider Sees konnte im Nachgang zum Bau des Reschen-Stausees in den 50er-Jahren verhindert werden. Der neue Film über die Seestauung in Graun dokumentiert mit einem Statement von Karl Stecher den Abwehrkampf. Karl Stecher war in dieser schwierigen Zeit Bürgermeister der Gemeinde Graun. Vom Haider See hat man einen großartigen Ausblick auf den Ortler und seine Nachbarberge.
Neben der offenen Wasserfläche ökologisch wertvoll sind der kleine Auwald am Einlauf der jungen Etsch in den See und dann vor allem auch das Schilfröhricht und der Pflanzengürtel am Nord-, Ost und Südufer. Stockente (Anas platyrhynchos) und Blässhuhn (Fulica atra) sind am Haider See schon lange präsent und verweilen auch im Winter, zusammengedrängt an der lange eisfreien Fläche am Etsch-Einlauf. Die eingangs erwähnte drei Vogelarten als Sommergäste und neue Brutvögel stelle ich in den Kurzporträts vor.

Karmingimpel
CarpodacusDer Karmingimpel (Carpodacus erythrinus) ist ein sibirisch asiatischer Vogel von Sperlingsgröße aus der Familie der Finkenvögel. Kopf, Brust und Bürzel sind beim Männchen ab dem 2. Jahr karminrot gefärbt. Der Karmingimpel bewohnt feuchte Wälder, unterholzreiche Gebüsche an Seen und Wasserläufen und frisst vorwiegend Samen. Als Zugvogel ist er ein Langstrecken- und Tagzieher und überwintert auf dem indischen Subkontinent. In Südtirol ist der Karmingimpel ein Neuankömmling (Neozoe). Die erste Beobachtung wurde der Südtiroler Arbeitsgemeinschaft für Vogelkunde und Vogelschutz 1985 vom Reschen gemeldet, weitere von singenden Männchen folgten in den 1990er-Jahren aus Toblach, dem Ahrn- und dem Schnalstal, aus Meran und vom Haider See. In den letzten Jahren war der Karmingimpel regelmäßig am Haider See zu beobachten. Dort besteht Brutverdacht (singende Männchen, Nistmaterial tragende Weibchen).

Haubentaucher
Der Haubentaucher (Podiceps cristatus) ist vor allem in Brutkleid durch seinen schwarzen, zweigeteilten Schopf, seine Halskrause, seinen Backenbart und den langen, dünnen Hals unverkennbar. Er ernährt sich hauptsächlich von kleinen Fischen mit einer mittleren Länge von 10-15 cm, aber auch von Wasserinsekten, kleinen Krebstieren, Kaulquappen und Fröschen. Durch seine Stromlinienform und die weit hinten ansitzenden Beine ist der Haubentaucher extrem an das Tauchen angepasst. An Land bewegen sich die Vögel eher unbeholfen. Haubentaucher haben einen sogenannten Spaltlappenfuß, d.h. die Zehen sind mit Schwimmlappen versehen, aber nicht wie z.B. bei den Enten durch Schwimmhäute miteinander verwachsen. Das Fliegen des Haubentauchers auf schmalen Flügeln wirkt etwas angestrengt und erfolgt flach über dem Wasser. Der Haubentaucher ist an im Winter eisfreien Gewässern Standvogel, sonst Kurzstreckenzieher. Er zieht in der Nacht. Bei kaum einen anderen Vogel ist das Balzverhalten so auffällig und daher leicht zu beobachten. Die stark ritualisierte Balz IMG 0069besteht aus mehreren Figuren in einer festen Abfolge. Elemente der Balz sind z.B. das Synchronschwimmen, die sogenannte Katzenpose oder auch der Pinguintanz. Die beiden Geschlechter sind im Federkleid nicht zu unterscheiden. In der sogenannten Drohstellung schwimmen zwei Vögel mit horizontal vorgestreckten Hälsen und abgespreizten Halskrägen bellend aufeinander zu. Sind sie sich nahegekommen, werden die Hälse angehoben und die Schnäbel gesenkt, schließlich dicht voreinander bei gestrecktem Hals und aufgestelltem Schopf die Köpfe rasch geschüttelt, oft alternierend unter den beiden Vögeln. Seltener ist der Pinguintanz zu beobachten. Dabei stellen sich die Paarpartner durch rasches Paddeln der Füße fast senkrecht voreinander aus dem Wasser auf, so dass sie sich an der Brust fast berühren. In der Katzenpose zieht der Haubentaucher hingegen den Hals an, breitet die Flügel aus und schwimmt mit gewinkelten Flügeln auf die Partnerin. Dabei wird auch Pflanzenmaterial heraufgetaucht und dem Weibchen präsentiert. Alle diese Verhaltensweisen kann man in der Regel vom Spätwinter bis zum Frühsommer beobachten. Sie tragen dazu bei, aggressive Tendenzen zu überwinden und die Paare zusammenzuführen.
Die Ausbreitungstendenz der Haubentaucher ist auch in Südtirol bemerkbar. Am Haider See und am Kalterer See brüten seit einigen Jahren regelmäßig einige Paare.

Die Reiherente
Reiherente9Die Reiherente (Aythya fuligula) ist eine kleine, gedrungene Tauchente mit vergleichsweise großem Kopf und mit einem Federschopf am Hinterkopf. Ihre Augen sind auffällig schwefelgelb. Ihr Kopf ist ungleichmäßig gerundet mit hoher, steiler Stirn und flachem Scheitel. Der hellblau-graue Schnabel ist kurz und breit und hat eine schwarze Spitze. Männchen und Weibchen zeigen in ihrem Federkleid einen deutlichen Farbdimorphismus. Das Männchen im Prachtkleid ist beim Schwimmen durch das schwarze Gefieder mit dem rechteckigen weißen Flankenfleck unverkennbar. Das Weibchen ist tief braun gefärbt mit leicht angedeutetem Federschopf. Die Reiherente hat in den letzten hundert Jahren ihr Verbreitungsgebiet nach Westen ausgeweitet. Sie lebt an Seen und Fließgewässern und verträgt auch eine gewisse Eutrophierung. Ihre Nahrung besteht aus Muscheln, Samen von Wasserpflanzen und Insekten. Die Reiherente ist in Mitteleuropa sowohl Brutvogel, als auch Durchzügler und Wintergast. Im Vogelzug ist sie Kurzstreckenzieher und Nachtzieher. In Südtirol war die Reiherente in den 1980er-Jahren nur auf Durchzug oder als Wintergast zu beobachten. Im Jahr 1991 hat sie für Südtirol das erste Mal am Haider See gebrütet.

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