Dienstag, 11 Dezember 2018 00:00

„I hat gmiaßt an reichen Baur im Burggrafenamt heiratn“

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s17 2836Fast 60 Jahre lebte die 88-jährige Amalia Fliri Peer in Taufers i. M. Dann kehrte sie an den Ort ihrer Kindheit nach Gratsch zurück. Der Abschied fiel ihr schwer. Denn mit dem Vinschgau verbinden sie viele Erinnerungen und herzliche Freundschaften.

von Magdalena Dietl Sapelza

Amalia, genannt Lia, wuchs auf dem „Pinthof“ in Gratsch mit sechs Geschwistern auf.

Auf dem stattlichen Hof mit Knechten und Mägden wurden 40 Stück Vieh gehalten und rund 2.000 Obstbäume gepflegt. Ihr Vater, der die Pinthof-Bäuerin als Witwe geheiratet hatte, stammte aus Taufers i. M. Lia freute sich jedes Mal, wenn sie ihn bei den Verwandtenbesuchen begleiten durfte. „Taufers hot miar olm eppas gsogg“, erklärt sie. Jährlich genoss sie dort die „Sommerfrische“. „Dia isch pa di Stadtler selm Mode gweesn“, meint sie. Als gut gekleidetes Kind und später als junge attraktive Frau zog sie im bäuerlich geprägtem Taufers viele Blicke auf sich. Bei einem Gasthausbesuch im „Dopolavoro“ anfangs der 1950er Jahre erweckte Lia die Aufmerksamkeit des zehn Jahre älteren Gemeindebeamten Heinrich Peer, der dort Karten spielte. Dieser lud sie zu einem Spaziergang ein. Charmant umwarb er sie.  Lia war von ihrem Verehrer angetan und so wurde aus den beiden ein Paar das schon bald Heiratspläne schmiedete. „Iaz heirat i an Tauferer“, verkündete Lia ihrer Familie im „Pinthof“. Das stieß bei ihrer Mutter und den Schwestern auf wenig Verständnis. „I hat gmiaßt an reichen Baur im Burggrafenamt heiratn“, erklärt Lia. Man habe ihr ins Gewissen geredet und ihr die vielen Unannehmlichkeiten aufgezählt, die sie in Taufers erwarten würden. Sie erinnert sich noch heute an die bissigen Worte: „Oben hosch koa fließend Wosser… koa Waschmaschin… lai a Plumsklo“. Lia ließ sich nicht beirren, obwohl auch ihr bewusst war, dass sie in Taufers kein Luxus erwartete. Die Liebe war stärker als alles andere, und nichts hinderte sie daran, Heinrichs Wohnung einzurichten, in der all das fehlte, was ihr prophezeit worden war.
Am 2. Juni 1954 läuteten in Taufers die Hochzeitsglocken. Die schöne junge Braut in ihrem weißen Kleid wurde bewundert und auch beneidet. Die Hochzeitsreise ging nach Venedig. Heinrich hatte alles organisiert, sogar einen Hubschrauberflug über der  Lagunenstadt. In Taufers, wo Lia bis heute ehrerbietig „Frau Peer“ genannt wird, begann dann ein beschwerlicher Alltag.  Sie holte das Wasser aus dem Brunnen und wusch dort ihre Wäsche. Nach der Geburt ihres ersten Sohnes Elmar stand sie oft stundenlang mit vielen anderen Frauen am Trog. Erst Jahre später, nach der Geburt ihres zweiter Sohn Herbert, verfügte sie über fließendes Wasser in der Wohnung und auch über eine Waschmaschine. Ihr Mann, in italienischer Sprache und in der Gesetzgebung versiert, war in der Gemeinde der „Vater für alles“. Er beriet die Bürger in den unterschiedlichsten Angelegenheiten.  „Si sein oft zu inz hoam kemman, a in Somsta unt in Sunnta“, erinnert sie sich. Das wurde noch viel schlimmer, als Heinrich später Bürgermeister war. 1973 zog die Familie in ihr neues Haus, in die „Pension Tannenheim“, dessen Bau Lia organisiert hatte. Sie bot Zimmer mit Frühstück an. „Wenn i di Pension kopp hon, bin i a drhoam in Grotsch oungsehner gwesn“, lacht sie. Den täglichen Kaffeeklatsch im Gasthaus ließ sie sich nie nehmen. Sie war eine der wenige Frauen, die sich das damals gönnten. Ein Schicksalsschlag erschütterte die Familie im Frühjahr 1973. Sohn Elmar erlitt bei einem Autounfall lebensgefährliche Verletzungen. „Deis isch’s Schlimmste in mein Lebm gwesn“, bekennt sie. Wochenlang bangte Lia um ihren Sohn. Sie konnte sich erst wieder ihres Lebens freuen, als Elmar sich erholt hatte.
Regelmäßig ging sie mit Freundinnen auf Reisen, nach Griechenland, nach Ischia, nach Tunesien. „Do isch der Heini olm großzügig gwesn“, verrät sie. Nachdem ihre Söhne ausgezogen waren und sie auch ihre Pension aufgegeben hatte, umsorgte sie nur noch ihren Mann.
2012 starb dieser. Schweren Herzens entschied sie sich für den Verkauf des Hauses und zog nach Gratsch in ihr kleines Anwesen, das sie geerbt hatte. Nachdem der neue Besitzer in Taufers nichts mit der dortigen Einrichtung anfangen konnte, überließ sie diese der Bevölkerung. „Si hoobm sich kennt houln, wos sie brauchn“, sagt sie. In ihrer kleinen Parterrewohnung fühlt sie sich zwar wohl, doch oft vermisst sie den Vinschgau. Ihr Herz geht ihr auf, wenn sie Besuch aus Taufers bekommt. Als begeisterte Köchin lädt sie die Gäste auch regelmäßig zum Essen ein und schwelgt dann in Erinnerungen. 

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