Dienstag, 11 Dezember 2018 00:00

Wie ein Ritterorden vor 800 Jahren in den Vinschgau fand

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s58 stjohannIm Hochsommer des Jahres 1218 belagerte ein christliches Kreuzfahrerheer die muslimische Stadt Damiette im ägyptischen Nildelta. Mit von der Partie waren auch einige Adlige aus dem Raum des historischen Tirol, allen voran der Landesherr Graf Albert III. von Tirol.

Sie alle hatten den weiten und beschwerlichen Weg auf sich genommen, um an diesem religiös motivierten Unternehmen teilzunehmen, das später auch als „Fünfter Kreuzzug“ in die Geschichtsbücher Eingang fand. In diesem Zusammenhang dürften viele von ihnen erstmals mit Mitgliedern der damals neu gegründeten Ritterorden in Kontakt getreten sein. Die – neben den Tempelrittern oder Templern – bekanntesten dieser Orden bestehen heute noch: Der Deutsche Orden und der Johanniterorden. Beide haben mehr oder weniger viele Spuren im Vinschgau hinterlassen.
Während die Erinnerung an den Deutschen Orden im Vinschgau bis heute dank der noch immer fortdauernden geistlichen und weltlichen Präsenz desselben in Südtirol relativ wachgehalten wurde, weiß man vom Johanniterorden viel weniger. Dennoch haben sich zwei eindrucksvolle Kirchenbauten der Johanniter über die Jahrhunderte herauf erhalten, die monumentale Zeugen für das einstige Wirken des Ordens in diesem Gebiet sind: St. Johann in Taufers im Münstertal und St. Medardus bei Tarsch. Beide Gotteshäuser feiern 2018 gewissermaßen „Geburtstag“. Sie sind zwar an sich schon etwas älter, aber 1218 – also vor rund 800 Jahren – wurden sie beide an den Johanniterorden geschenkt. St. Medardus vom Tiroler Grafen Albert und St. Johann von Schwicker (II.) von Reichenberg, dem damaligen Herrn der oberhalb von Taufers gelegenen Burg Reichenberg. Die Schenkung von St. Johann erfolgte im Juli des Jahres 1218 direkt während der Belagerung der Stadt Damiette in Ägypten. Der Tauferer Adlige hat dort vermutlich befürchtet, nicht mehr in seine Heimat zurückzukehren und deshalb für sein Seelenheil diese Stiftung getätigt. Ähnlich wird es wohl auch dem Landesherrn ergangen sein, der damals offenbar nicht nur den Johanniterorden beschenkte, sondern auch dem Deutschen Orden die Ratschillhöfe oberhalb von Tiss übermachte.
s59 8424Die Johanniter haben sich daraufhin relativ bald eingehend um ihre neuen Besitzungen gekümmert. Beide  genannten Kirchen wurden der Verwaltungsfiliale – dem Großpriorat – des Ordens in Venedig zugeteilt; von dort aus dürften dann auch die ersten Ordensgeistlichen in den Vinschgau gekommen sein. In Taufers hat man wahrscheinlich noch in den 1220er Jahren umfangreiche Umbauarbeiten durchgeführt und die Kirche des hl. Johannes mit einem imposanten Freskenzyklus im Stil der Zeit ausgeschmückt. Durch die Verbindungen nach Venedig haben auf diese Weise wohl auch die starken byzantinischen Anklänge in den Wandmalereien in den Vinschgau gefunden. Außerdem wurde damals unmittelbar im Kirchengebäude auch ein Hospiz geschaffen, das Pilgern und Reisenden auf dem beschwerlichen Weg durch die Alpen Unterschlupf bot.
Während der darauffolgenden Jahrhunderte gibt es nur sehr spärliche Nachrichten über den Johanniterorden im Vinschgau – und wenn, dann haben sich meistens nur Schriftstücke über Streite oder finanzielle Angelegenheiten erhalten. Diese geben uns naturgemäß nur einen sehr bescheidenen und beschränkten Einblick in das Wirken dieser Ritterorden, die damals sicherlich einen festen Bestandteil in der Lebenswelt der Vinschger gebildet haben.
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gab es dann ein schwerwiegenderes Zerwürfnis zwischen dem Tauferer Komtur (Verwalter der Johanniterkommende; als Kommenden bezeichnet man Niederlassungen von Ritterorden) und dem Grafen Hendl, der nun auf der Burg Reichenberg residierte. Dieser heftige Streit ist schließlich eskaliert und hat dann offenbar in letzter Konsequenz dazu geführt, dass sich die Johanniter zur Auflassung ihres Außenpostens in Taufers entschlossen haben. Die Kirche mit allen dazugehörigen Einkünften und Grundstücken kaufte die Familie der Grafen Hendl auf. In Tarsch hingegen waren die Johanniter bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts präsent. Dort waren sie übrigens unmittelbare Nachbarn des Deutschen Ordens, der die Kirche zum hl. Karpophorus betreut hat und teilweise noch heute betreut.
Erst die bayrische Regierung in Tirol von 1805 bis 1814 verfügte die vollständige Aufhebung der beiden Ritterorden, wodurch auch die zwei Ordenskirchen in Tarsch geschlossen und ihre Vermögenswerte verstaatlicht wurden. Für den Johanniterorden und den Deutschen Orden im Vinschgau bedeutete dies ein vorläufiges Ende. Heute sind beide Orden in Südtirol wieder aktiv. Der katholische Zweig des ursprünglichen Johanniterordens nennt sich jetzt im Unterschied zu seinem reformierten Zweig jedoch Malteserorden und ist als solcher bekannt.
David Fliri

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