Mittwoch, 07 März 2012 00:00

„Deis weart epr mai leschtr Tonz gweisn sein…“

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Portrait: Rosa Stecher, St. Valentin a. d. Haide

s15_4833Das Leben hat es nicht immer gut gemeint mit Rosa Stecher. Ob als Kind, Mutter oder Großmutter. Immer wieder musste sie schwere Schicksalsschläge hinnehmen. Geboren wurde Rosa 1926 im „Dörfl“ bei St. Valentin auf der Haide. Eine unbeschwerte Kindheit gab es für sie nicht, da sie bereits im Alter von zehn Jahren, als Ältestes von fünf Kindern, die Rolle der Mutter übernehmen musste, als diese plötzlich verstarb.  „Deis hot mai Kindhait präg, i bin schun rar verdrissi aufgwochsn und  hon et viel vun Leibm kop“, erzählt Rosa im typischen „Oberländer“ Dialekt.  Von nun an musste sie den Haushalt führen, ihre Geschwister großziehen und auf dem elterlichen Bauernhof mithelfen.

„Mir hobm gnua zun Leibm kop, und wenn amol zweani gweisn isch oder i zweana ibertoun hon, hon holt i zruckgsteckt“, erinnert sich Rosa. Ihre vertraute Umgebung verlässt sie selten und nur dann, wenn irgendwo zum Tanz aufgespielt wurde, denn dies war ihre große Leidenschaft. Hier konnte sie für einige Stunden ihr junges Leben genießen und vom schweren Alltag  abschalten. „Bis af Mols  sein mr mitn Radl oi gfohrn. I bin af dr Stong auigsessn und af Mols untn hot mr dr Oursch et weana wea toun“, schmunzelt Rosa heute.  Sie war als Tanzpartnerin bei den jungen Männern sehr begehrt und brachte vielen von ihnen die unterschiedlichsten Tanzschritte bei. Wenn Rosa davon erzählt, erstrahlt ihr Gesicht. „S´Tonzn isch mai Leibm gwesn. Do hobm sich di Buabm oft foscht schun gstrittn, wer mit mir tonzn torf. Wou i gweisn bin, isch olm tonzt gwortn!“, erinnert sie sich zurück.  Mit 24 Jahren lernte sie ihren späteren Mann Meinrad Stecher kennen, den sie nach sieben Jahren auch heiratete. „Du frogsch um dr Muatr fu meine Kinder“, war die Antwort von Rosa´s Vater auf die Frage von Meinrad, ob er seine Tochter zur Frau bekäme. Schweren Herzens willigte ihr Vater ein und  Rosa zog nun zu Meinrad, der einen kleinen Hof mitten in St. Valentin besaß.  Doch das innige Verhältnis zu ihrem Vater blieb aufrecht. So kam dieser oft nach der Frühmesse zu seiner Tochter, um dort zu frühstücken und schob ihr auch das eine oder andere Mal ein bisschen Geld zu. Auch der Nachwuchs ließ nicht lange auf sich warten und so wurde Sohn Leo und zwei Jahre später die Zwillinge Hans und Helga geboren. „Earsch mit meine Kinder hon i ordala Deitsch schreibm und lesn glearnt, weil i jo lai di italienische Volksschual „genießen“ terft hon“, bedauert Rosa heute. An eine Gegebenheit kann sie sich noch gut erinnern: „Wenn dr Leo gebourn isch, hots koa Stund dauert, nar isch dr Noggler Leo (Leos zukünftiger Taufpate), in insern Zimmer, wou i nu glegn bin, afn Nochtkastl oubm gstonden und hot mit dr Ziachorgl a Standl gspielt. Sella Freid hobm olla mit dein Bua ket“, weiß Rosa heute noch. Nach und nach wurden einige Gästezimmer eingerichtet, um neben den spärlichen Erträgen des Bauernhofes ein zusätzliches Einkommen zu erzielen. Rührend wurden die wenigen Gäste versorgt und bei Bedarf sogar das eigene Schlafzimmer von Rosa und Meinrad vermietet. Doch nicht lange sollte diese glückliche Zeit anhalten. Nach anhaltenden Bauchschmerzen wurde Rosa ins Spital geschickt, wo man sie auch gleich behielt. „In drai Mounat konnsch dai Frau beerdign“, war der Kommentar der Ärzte zu Meinrad, der sich nach der schweren Operation um ihr Befinden erkundigen wollte. Rosa wurde der ganze Magen wegen eines Krebsgeschwüres entfernt. Ihr Sohn Leo war damals zwölf und die Zwillinge zehn Jahre alt. Ihr Mann sagte ihr nichts von der niederschmetternden Diagnose und die Ärzte staunten nicht schlecht, als sich Rosa nach der Operation zunehmend erholte. Fast schon von einem Wunder sprachen sie, als sie nach drei Monaten, vollständig genesen, zur Visite vorstellig wurde. „Dr  Heargott hot mr nu et gwellt, er hot et gwellt, dass di Kinder s´Gleiche mitmochn wia i und oune Muatr aufwochsn miaßn.“ Sie musste ihre Ernährung von Grund auf umstellen und hat „…af sou monche Sochn verzichtn gmiaßt, wos mr et olm leicht gfolln isch, ouber i leb olm nou, wou dia Dektr iaz olla schun in Groub sein“, bemerkt Rosa.  Die Kinder wurden erwachsen: Sohn Hans übernahm den elterlichen Hof, Tochter Helga arbeitete in der Gastronomie und heiratete nach Burgeis, Sohn Leo erlernte den Beruf des Försters. Rosa freute sich darauf, den Lebensabend gemeinsam mit ihrem Mann  verbringen zu dürfen. Doch wieder einmal sollte die Realität anders aussehen. Ihr Mann erlitt vier Herzinfarkte und musste viel Zeit in Spitälern verbringen, bis er im September 2005 schlussendlich im Schlanderser Spital verstarb. Wie schon in ihrem ganzen Leben fand sie die nötige Kraft im Glauben, um über diesen Verlust hinweg zu kommen. So oft es ging, besuchte sie die nahegelegene Kirche und ihre Familie kümmerte sich nun um sie. Ihr Sohn Leo, der mit seiner Familie nahe dem Heimathaus wohnte, kam oft zu Mittag, wo er „…seffl gessn hot wia i et amol in a gonzer Woch“, erinnert sich Rosa. „Du hosch a horts Lebm kop Mama, iaz gea i bold in Pension und nar wearmers nu recht genießn“, sagte Leo des Öfteren zu seiner Mutter. Doch das Schicksal wollte es wieder ganz anders. Leo kam 2010 bei einem Lawinenunglück oberhalb von St. Valentin, während der Jagd, ums Leben. Für Rosa brach eine Welt zusammen. „Hat decht lai i gstottn Leo gean terft. Dr Leo hot mr´s Lebm gnummen! Iaz muasi holt nu a bissl lebm, weili fir ihm betn muas“, erzählt Rosa wehmütig. An ihren letzten Tanz erinnert sich Rosa noch genau: „Zu Leo´s Fufzigstn, vour vier Jour, hon i mitn ihm nu tonzt, und sell mit 82 Jour. Deis weart epr mai leschtr Tonz gwesn sein“, erinnert sich Rosa an die unbeschwerten Stunden zurück. Doch all diese Schicksalsschläge brachten Rosas tiefgründigen Glauben an den „Heargott“ nie ins Wanken. Für sie ist es die Kraft des Glaubens, der sie nie verzagen ließ, „…ouber wos sich dr Heargott denkt hot, wenn er mr in Leo gnummen hot, sell verstea i holt bis heint et!“

Hannes Pobitzer

Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau


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