Dienstag, 29 November 2011 00:00

Der Vinschgau soll Sprachenzentrum werden

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 Vinschgau
s6_0558s7_0573Die Wirtschaftstreibenden im Vinschgau suchen nach Lösungen, um den Anschluss nicht zu verlieren. Der Vinschgau ist seit Jahren Schlusslicht bei relevanten Kennzahlen, beim durchschnittlichen versteuerbaren Einkommen etwa. Der Vinschgau  hat gewaltigen Aufholbedarf. Dass das Gutachten von Gottfried Tappeiner aus dem Jahr 1990 zur „wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeit“ in weiten Teilen hochaktuell ist, spricht eine deutliche Sprache. Tappeiners aktueller Vorschlag ist ein erstaunlicher - und stößt bei der Vinschger Wirtschaft auf Wohlwollen.

Der Südtiroler Wirtschaftsring (SWR) - Bezirk Vinschgau ist auf der Suche nach einem gemeinsamen Auftritt, nach einem gemeinsamen Kompass, nach Lösungen der Wirtschaftsprobleme, die unbestreitbar im Vinschgau anzutreffen sind. Im Wirtschaftsring sind alle wirtschaftlich relevanten Sektoren vertreten: Unternehmer, Handwerker, Bauern, Kaufleute und Gastwirte.

Ausgangspunkt dieser Suche nach einem starken Profil, nach einem gemeinsamen Nenner aller Wirtschaftstreibenden im Vinschgau war der Neujahrsempfang im vergangenen Januar der Handelskammer Tirol - Bezirk Landeck, an dem auch mehrere Vinschger teilgenommen haben. Die Wirtschaft im Bezirk Landeck habe sich kompakt präsentiert, unter anderem mit einem Film.  Beim Empfang anwesend waren neben hochrangigen Wirtschaftlern auch maßgebliche Exponenten der Nordtiroler Politik. Ein Austausch von Erfahrungen, ein Ausbreiten der Probleme vor den politischen Vertretern konnte so in lockerem Rahmen über die Bühne gehen. Diese Form der Präsentation hat mächtig Eindruck bei den Vinschgern hinterlassen. So etwas Ähnliches wollen wir auch, hat man sich gesagt.
Seit 2009 steht Rita Egger dem SWR-Bezirk Vinschgau als Präsidentin vor - Egger ist in einer solchen Position südtirolweit die erste Frau. Egger will etwas bewegen. Auf der Suche nach einem gemeinsamen Auftritt für die Vinschger Wirtschaft ist sie über die Handelskammer Bozen an Helmut Pinggera verwiesen worden. Pinggera, ausgewiesener „Regionaut“ und ehemaliger „Leader“-Macher hat vor dem SWR-Bezirksausschuss mit einem barocken Konzept aufgetrumpft: Energie, Verkehr, Tourismuskonzept, Schweizer Markt, Lifte als Leitinfrastukturen und und und. In Arbeitsgruppen, so Pinggeras Vorstellung, sollen die vorgeschlagenen Felder beackert werden. Die anfängliche Begeisterung für Pinggeras ziselierten Konzeptvorschlag im SWR-Ausschuss hat sich rasch zerschlagen. Es war Hans Moriggl, der Bezirks-Präsident des Unternehmerverbandes, der an eine bereits existierende Studie erinnerte, und zwar an jene Grundlagenstudie, auf der viele „Leader“-Programme aufgebaut haben: auf die Studie von Universitätsprofessor Gottfried Tappeiner „Gutachten zu den wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten der Gemeinde des oberen Vinschgaus und des Deutschnonsbergs“. Tappeiners Studie vom März 1990 liest sich in weiten Teilen heute noch so, als ob sie im Jetzt geschrieben ist. „Wir wollen keine neue Studie für die Schublade, für die wir viel Geld ausgeben“, sagt Hans Moriggl.
Kürzlich hat der SWR-Ausschuss den Laaser Professor Tappeiner zu sich eingeladen. Tappeiner wartete bei diesem Treffen mit überraschenden Vorschlägen auf: Die Wirtschaft solle sich auf wenige Problemfelder konzentrieren. Tappeiner schlug vor, dass sich der Vinschgau auf Fremdsprachen konzentrieren solle - Italienisch, Englisch. Und dass der Nationalpark Stilfserjoch ungeheures Potenzial berge. Dieses Potenzial gelte es vor allem in
touristischer Hinsicht zu nutzen.
Vor allem der Vorschlag, dass sich der Vinschgau hin zu einem Sprachenkompetenzzentrum entwickeln könnte, fiel bei den Wirtschaftstreibenden auf fruchtbaren Boden. Rita Egger beschreibt das so: „Weil im Tal zu wenig Arbeit vorhanden ist, versuchen viele Firmen im oberitalienischen Raum Fuß zu fassen. Und gerade dort ist es wichtig, die Kommunikation in der jeweiligen Sprache abwickeln zu können. Man hat die Erfahrung gemacht, dass man am Sprachlichen scheitern kann.“ Andreas Nagl, der seit Beginn des Jahres als LVH-Bezirksobmann des Untervinschgaus neu im SWR- Ausschuss sitzt, sagt: „Dass es im Vinschgau sprachliche Defizite, vor allem im Italienischen, gibt, ist eine Tatsache. Das muss einfach festgestellt werden. Wir wollen keineswegs die Schulen kritisieren, sondern diese Tatsache feststellen. Als Wirtschaftstreibende wollen wir alle Unterstützung den Schulen und den sprachausbildenden Institutionen zukommen lassen, um dieses Manko beheben zu können.“
Gedankengänge sind jedenfalls im SWR-Ausschuss im Rollen. Noch bedarf es einiger klärender Sitzungen, um die genaue Marschrichtung festzulegen.
Der Ansatz, die Sprachenkompetenz im Vinschgau zu fördern, trifft sich auch mit dem Gedanken, den Nationalpark besser zu vermarkten. Vor allem im italienischen Markt dürften die Begriffe „Stelvio“ und „parco nazionale dello Stelvio“ weitum bekannt sein und nur noch die Verknüpfung auch mit dem Vinschgau gesucht werden.
Andreas Tappeiner, als Bauernbund-Bezirksobmann im SWR-Bezirksausschuss, kann der Idee, verstärkt auf Sprachausbildung zu setzen, einiges abgewinnen. Sprachaufenthalte von Gruppen in touristisch schwachen Zeiten etwa. Tappeiner: „Wenn sich der Vinschgau nach außen gut präsentieren kann, auch sprachlich, dann ist das bereits sektorenübergreifendes Zusammendenken. Wenn wir im Vinschgau vorwärtskommen wollen, dann geht das nur sektorenübergreifend.“
Beim Vortrag von Gottfried Tappeiner war auch Friedl Sapelza vom Regionalentwicklungszentrum Spondinig dabei. Tappeiner will sich mit der Rolle eines Ideengebers begnügen. Umsetzen bzw. begleiten sollten diese Ideen, sei es die Sprachkompetenz zu heben, sei es den Nationalpark besser touristisch zu nutzen, junge Leute vor Ort, die daran wachsen könnten.
Nun gilt es, in einer der nächsten Sitzungen des SWR die genaue Marschrichtung abzustecken. Mit dem SWR-Präsidenten Christof Oberrauch und dem neuen SWR-Direktor Raffael Mooswalder habe man, sagt Rita Egger, kompetente Leute an der Seite. Mooswalder wird die Ideen nochmals verschriftlichen und die einzelnen Sektoren werden sich damit befassen.

SWR-Bezirksausschuss

Dem SWR-Bezirksausschuss Vinschgau gehören Vertreter der verschiedenen Sektoren (Unternehmerverband, Landesverband der Handwerker, Hoteliers- und Gastwirteverband, Freiberufler, Bauernbund und Kaufleutevereinigung) an. Der SWR-Bezirksausschuss Vinschgau ist mit jenem des Eisacktales der einzige aktive im Lande. Die unten angeführten Personen beteiligen sich aktiv an den Diskussionen im SWR-Bezirksausschuss - der aus noch mehr Personen bestehen würde:

Rita Egger (LVH) - SWR-Bezirkspräsidentin
Hans Moriggl - Bezirkspräsident des Unternehmerverbandes
Andreas Tappeiner - Bezirksobmann des Südtiroler Bauernbundes (SBB)
Dietmar Spechtenhauser (hds-Bezirkspräsident)
Ulrich Linser (Unternehmerverband)
Thomas Rinner (HGV)
Hermann Raffeiner Kerschbaumer (SWR-Ortsobmann von Latsch)
Andreas Nagl - LVH Bezirksobmann Untervinschgau
Karl Pfitscher - HGV-Bezirksobmann
Günther Gemassmer (LVH)
Günther Platter - LVH Vizeobmann Obervinschgau
Maria Wallnöfer - Obfrau der Frauen im LVH
Kurt Ziernhöld (hds)

von Erwin Bernhart

Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau


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