Dienstag, 16 Mai 2017 12:00

7,5 Gigawattstunden Strom

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s10 1362Vinschgerwind-Interview

Vinschgerwind: Als Direktor der Südtiroler Transportstrukturen AG begleiten Sie die Arbeiten zur Elektrifizierung der Vinschgerbahn. Sind die bisherigen Arbeiten im Zeitplan?
Joachim Dejaco: Viele Arbeiten, viele Tätigkeiten und die planerischen Vorbereitungen sind im Zeitplan.

Bei einer größeren Ausschreibung und zwar bei der Projektprüfung, die der TÜV Süd gewonnen hat, haben wir einen Rekurs vom Zweitplatzierten. Dieser Rekurs hat uns in der Zeitplanung etwas zurückgeworfen und wir überprüfen derzeit, wie wir diese Zeit wieder aufholen können.

Vinschgerwind: Im Vinschgau sichtbar ist, dass der Bahnhof in Schlanders verlängert worden ist. In Spondinig, in Laas werden derzeit die Bahnsteige verlängert. Welcher Bahnhof wird demnächst fertig gestellt werden?
Dejaco: Die Bahnhöfe von Laas und von Spondinig werden wir anfangs des Sommers abschließen. Der Bahnhof in Mals wird größer umgebaut. Die Remise für die Züge ist zu kurz, und den Busbahnhof haben wir in einem Masterplan größer geplant, denn heute ist die Situation sehr eng. In Zukunft werden dort bis zu 600 Leute aus einem einzigen Zug aussteigen. Die Bahnsteige in den anderen Bahnhöfen werden nach und nach verlängert. Bereits umgebaut ist der Bahnhof Töll. Bei der Verlegung vor rund 5 Jahren hat man bereits die Elektrifizierung mitgedacht, so dass der Bahnsteig damals schon länger gebaut worden ist. Im Jänner wird der Umbau des Bahnhofs Marling in Angriff genommen. Dort kommt eine Unterführung und am Gleiskörper werden massive Umbauarbeiten vorgenommen. In Absprache mit der Gemeinde und mit den Touristikern haben wir diese Bauarbeiten auf die stillste Zeit, als von Jänner bis März, geplant.

Vinschgerwind: Was wird am Marlinger Bahnhof gemacht?
Dejaco: Der zweite Bahnsteig wird nach außen verlegt, die Gleise werden verschoben, die Weichen anders verlegt. Dieser doch massive Eingriff wird bis zu drei Monate in Anpruch nehmen. Von Meran bis auf die Töll wird es in dieser Zeit einen Schienenersatzdienst geben. Gleichzeitig werden wir so viele Arbeiten wie möglich auf diesem Streckenabschnitt hineinpacken. Im Tunnel von Marling wird eine Feste Fahrbahn kommen. Damit die Oberleitung im Tunnel Platz haben wird, müssen wir das Schotterbett, auf dem normalerweise das Gleis liegt, entfernen und die Fahrbahn tiefer setzen. Dann werden Betonplatten verlegt, auf denen die Schienen fix verschraubt werden. Für uns wird das eine große Herausforderung. Und wenn wir es noch schaffen, in Algund eine Unterführung zu bauen, dann wär’s perfekt. Dort gibt es nämlich einen Bahnübergang genau an jener Stelle, wo der Stromwechsel stattfinden wird. Die Landesregierung hat kürzlich die technischen Eigenschaften für diese Unterführung genehmigt. Das Einkaufszentrum in Algund baut eine Tiefgarage und wir können die Rampe für die Untertunnelung nutzen - ein gutes Beispiel, wo Privat und Öffentlich zusammenarbeiten werden.

Vinschgerwind: Zu einem anderen Bahnhof: In Staben muss eine Grundsatzdiskussion darüber geführt werden, wo der neue, verlängerte Bahnhof gebaut werden soll. Wie ist der Stand der Diskussion?
Dejaco: In Staben ist eine schwierige technische Situation. Ideal wäre es, wenn die Haltestelle dort bleiben könnte, wo sie derzeit ist, weil sie zentral ist. Das ist aber nicht möglich, weil die Haltestelle in einer Kurve liegt, weil sie zudem von einem Bahnübergang unterbrochen wird. Bei der Reaktivierung 2005 hat man mit viel Pragmatismus, mit praktischer Herangehensweise eine Lösung gemacht, die in Zukunft nicht mehr tragfähig ist. Denn es werden mehr Züge kommen, es werden längere Züge kommen. Wir haben im Bahnhof Schnals eine Kreuzungsstelle, aber keinen Fahrgastdienst. Weil beide Züge auf jeden Fall am Kreuzungspunkt halten müssen, bietet es sich an, einen Fahrgastdienst zu installieren. Macht man eine zusätzliche Haltestelle in Staben, muss der Zug ein zweites Mal halten. Fließt der Verkehr regulär, ist das kein Problem. Ein Problem kann es dann werden, wenn es Verspätungen gibt. Dann schaukeln sich Verspätungen auf. Die Fahrpläne sind so gemacht, dass sie halbwegs stabil bleiben. Kleine Verschiebungen können aufgefangen werden. Hat ein Zug Verspätung, muss der andere am Kreuzungspunkt warten. Dieses klassische Problem haben wir andauernd auf der eingleisigen Linie Meran Bozen. Es gibt einen zweiten Vorteil für den Bahnhof in Schnals: Die Schranken in Staben werden nur einmal heruntergefahren und nicht zweimal. Wenn das dann 60 Züge am Tag sind, ist das rund eine halbe Stunde, die die Schranke täglich länger geschlossen ist.

Vinschgerwind: Gibt es außer in Staben andere Bahnhöfe, bei denen ähnliche Diskussionen anstehen?
Dejaco: Nein, die gibt es nicht.

Vinschgerwind: Sind die neuen Zuggarnituren schon bestellt?
Dejaco: Ja. Trenitalia hat schon 7 von den neuen Zuggarnituten, die schon das neue Stromsystem und das neue Signalsystem enthalten, bekommen. Die Landesregierung hat 67 Millionen Euro bereitgestellt, um weitere 7 Züge ankaufen zu können.

Vinschgerwind:Wer liefert diese Züge?
Dejaco: Das wird über eine Ausschreibung geregelt.

Vinschgerwind: Die derzeitigen Dieselkosten gegenüber dem künftigen Stromverbrauch. Welches Potenzial wird da berechnet?
Dejaco: Wir verbrauchen heute rund 1 Liter Diesel pro Kilometer. Übers Jahr gerechnet sind das 1,1 Millionen Liter Diesel. Wir werden mit mehr Zügen und mehr Passagiere in Zukunft netto rund 7,5 Gigawattstunden Strom verbrauchen. Insgesamt werden wir rund 10 Gigawattstunden verbrauchen, aber durch die Bremsenergie wieder ein Viertel davon zurückgewonnen. Deshalb die 7,5 Gigawattstunden netto.

Vinschgerwind: Was heißt das in Euro?
Dejaco: Es gibt beim Energieverbrauch und vor allem bei der Instandhaltung große Einsparungen.

Vinschgerwind: Wer wird der künftige Stromlieferant für den Vinschgerzug sein?
Dejaco: Auch dafür wird es eine Ausschreibung geben. Ein neuer Verbraucher mit 7,5 Gigawattstunden wird sicher interessant werden.

Vinschgerwind: Im Vinschgau wird viel umweltfreundliche elektrische Energie aus Wasserkraft erzeugt. Kann das ein Ausschreibungskriterium sein?
Dejaco: Wir werden sicher solche Überlegungen anstellen, immer im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten.
Vinschgerwind: Aufgrund der Einsparungen: Werden auch die Tarife neu gestaltet?
Dejaco: Europaweites Ziel ist es, dass durch die Tarifgestaltung an die 35 % der Betriebskosten gedeckt werden sollen. Betriebswirtschaftlich ist das zwar ein Wahnsinn, aber der Öffentliche Nahverkehr ist ein grundlegender Versorgungsdienst wie Wasser, Strom und Daten. Und das wird mit öffentlichen Geldern abgedeckt, genau wie auch die Straßen mit öffentlichen Geldern instand gehalten werden. In Südtirol haben wir sehr fahrgastfreundliche Tarife. Es muss daher eher das Ziel sein, die Qualität weiter zu steigern, als die Tarife zu senken. Denn, was billig ist, wird nicht unbedingt geschätzt, aber Qualität wird sehr wohl geschätzt.

Vinschgerwind: Was ist der Deckungsgrad durch die Tarife in Südtirol?
Dejaco: Derzeit bei 25 bis 26 Prozent.

Vinschgerwind: Eine wichtige Investition ist das Umspannwerk in Goldrain. Wofür wird das benötigt?
Dejaco: In Goldrain kommt die zentrale Stromeinspeisung. Die Gemeinden Schlanders und Latsch und die STA bauen unter der Regie von Edyna dieses Unterwerk gemeinsam. Von der 132-Kilovolt-Leitung der Terna wird eine Ableitung gemacht und in einer gemeinsamen Baulichkeit werden die drei Stromverbraucher Schlanders, Latsch und die Vinschgerbahn versorgt werden. Das ist ein gelungenes Beispiel für die Zusammenarbeit von öffentlichen Institutionen.

Vinschgerwind: Wann wird die erste Stange für die Oberleitung stehen?
Dejaco: Ende 2018.

Interview: Erwin Bernhart

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