Dienstag, 21 Februar 2017 12:00

Museum wollen wir keines werden

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s10 8556Wind - Interview

Vinschgerwind: Herr Gemeindepräsident, am Sonntag, den 12. Februar gab es in der Schweiz mehrere Abstimmungen. Auf Kantonsebene in Graunbünden haben die Stimmbürger im Grunde eine Bewerbung für Olympia 2026 abgelehnt. Können Sie uns erklären, warum man in den Gemeinden Samnaun und auch im Val Müstair mehrheitlich für eine Olympiabewerbung war?


Rico Lamprecht: In Samanun kann ich das verstehen. Denn Samnaun ist voll auf Wintertourismus ausgerichtet. Im Val Müstair war es ein knappes Ja. Das hängt wohl auch mit der sehr hohen Stimmbeteiligung zusammen. Mehr als 900 von 1.200 Stimmbürgern im Val Müstair haben teilgenommen. Im gesamten Kanton Graubünden ist es 60 zu 40 Prozent abgelehnt worden. Erstaunlich ist, dass St. Moritz und Davos mehrheitlich gegen Olympia gestimmt haben. Im Val Müstair wurde die Olympia-Bewerbung wohl als Chance gesehen.

Vinschgerwind: Die hohe Abstimmungsbeteiligung im Val Müstair von rund 78 Prozent hat wohl mit etwas anderem zu tun. Die Stimmbürger haben über die Zukunft des Skigebietes Minschuns und über das Biosferen-Ressort La Sassa abstimmen können. Eine qualifizierte Mehrheit hat für den Grundverkauf und für die Zurverfügungstellung von Geld für die Erneuerung von Minschuns gestimmt. Sind Sie überrascht über dieses eindeutige Votum?
Lamprecht: Ich persönlich war nicht überrascht. Denn es hat sich im Vorfeld bei den Veranstaltungen abgezeichnet, dass eine Mehrheit für diese Schritte ist. Es war eine positive Stimmung gegenüber diesem Projekt auszumachen. Es geht vor allem um den Investor, der in das Feriendorf La Sassa in einem ersten Schritt 25 Millionen Euro investieren möchte. Das generiert natürlich sehr viel Arbeit. Und was Minschuns anbelangt, so sind die Investitionen in das Skigebiet mit dem Feriendorf gekoppelt. All jene, die sagen, dass wir im Winter eine zeitgemäße Infrastruktur brauchen, haben das unterstützt. Es hat auch Kritik gegeben und deshalb hat es auch dieses Referendum gegeben. Nun haben wir eine Aussage, die auch rechtskräftig ist und jeder Bürger hatte die Chance, sich zu positionieren.

Vinschgerwind: Was sind die nächsten Schritte von Seiten der Gemeindeverwaltung?
Lamprecht: Die Gemeindenverwaltung ist nicht Projektträger und Projektleiter. Dies ist die Sportanlagen AG, die das Skigebiet Minschuns betreibt. Und auf der anderen Seite ist die „Domenig Immobilien“ Projektträgerin des Feriendorfes. Für uns ist der erste Schritt die Vorbereitung der Verträge für den Verkauf des Grundstückes.

Vinschgerwind: Wie kann man sich den Terminplan vorstellen bis hin zu einer zeitgemäßen Struktur des Skigebietes Minschuns?
Lamprecht: Der Terminplan ist abhängig von der Geschwindigkeit, mit der man die Bewilligungen und Konzessionen bekommt. Die Bewilligungen für den neuen Lift, für die Beschneiungsanlage, für das Roden, für die Straßenüberquerung erteilt der Bund und der Kanton Graubünden. Für das Feriendorf sind noch Schutzmaßnahmen vorgesehen. Wenn alles gut geht, sind solche Bewilligungen innerhalb eines Jahres zu schaffen. Das bedingt, dass keine Einsprachen kommen, dass alle einverstanden sind...
Vinschgerwind: ...dieser Zeitplan wäre ein Traum..
Lamprecht: Das wäre die sportliche Variante. Dann könnten wir sagen, dass in zwei bis drei Jahren der größte Teil vorangetrieben oder gebaut wäre.

Vinschgerwind: 16 Prozent der Erwerbstätigen im Val Müstair sind in der Landwirtschaft, 22 Prozent in Industrie und Handwerk und 63 Prozent im Dienstleistungssektor tätig. Könne Sie diese Zahlen für uns einschätzen?
Lamprecht: Der Dienstleistungssektor beinhaltet die Gastronomie, die Gesundheitsleistungen im Ospidal usw. Wenn solche Projekte wie La Sassa und Minschuns vorangetrieben werden, dann fördert dies vor allem die Leute die in Dienstleistungssektor tätig sind. In der Bauphase betrifft es jene, die im Baugewerbe und Baunebengewerbe tätig sind. Und in der Dritten Phase wird es gute Arbeitsstellen bei der Bewirtschaftung geben. Das Val Müstair ist in der Industrie sehr schwach. Wir haben mit der Firma Lico einen der größten Arbeitgeber im Val Müstair, wobei rund 90 Prozent der Arbeiter Grenzpendler sind. Das betrifft aber nicht nur die Firma Lico, sondern allgemein. Das Val Müstair ist wohl der größte Arbeitgeber der Gemeinde Taufers.

Vinschgerwind: Im Jahre 2005 waren im Val Müstair 1722 Personen ansässig, heute sind es etwa 1520. Welche Visionen hat der Gemeinderat und Sie als Gemeindepräsident für die wirtschaftliche Entwicklung des Val Müstair, um diesen Trend der Abwanderung stoppen zu können?
Lamprecht: Die Visionen sind derzeit in Bearbeitung. Jedes Ressort wird mit Hilfe einer externen Firma einiges bis zu den Workshops im April vorbereiten. Vor allem das Thema Biosfera soll unser Zugpferd sein. Wir werden für die Biosfera, und das ist eine Auflage von Bund und Kanton, eine Problemanalyse durchführen, damit wir uns dann positionieren können.

Vinschgerwind: Was kann man sich unter der Biosfera konkret vorstellen? Soll die Biosfera mehr Gäste generieren, oder ein Mehr beim Verkauf landwirtschaftlicher Produkte?
Lamprecht: Die Biosfera ist wie ein Naturpark. Ein Nationalpark macht Forschung, die Natur bleibt geschützt. Der Nebeneffekt ist, dass Gäste den Park besuchen wollen. In der Biosfera Val Müstair haben wir mehr zu bieten, auch weil wir eine Entwicklungszone haben. Wir haben den Nationalpark als Kernzone, wir haben eine Schutzzone und wir haben eine Entwicklungszone. Die Entwicklungszone, in der die Menschen leben, soll das Leben mit der Natur veranschaulichen. Wir möchten uns mit dieser Form der Nachhaltigkeit touristisch positionieren. Museum wollen wir keines werden, die Entwicklungen müssen aber nachhaltig stattfinden. Auch das Projekt La Sassa soll nicht nur ein Feriendorf werden, sondern ein Biosferen-Ressort.
Vinschgerwind: Die Realisierung des Feriendorfes La Sassa hängt also unmittelbar mit der Biosfera zusammen?
Lamprecht: Unmittelbar, ja.

Vinschgerwind: Vergleichen wir das Val Müstair nochmals mit Samnaun. Samnaun ist eine Zollfrei-Zone. Wäre das eine Option für das Val Müstair?
Lamprecht: Das hat man in früheren Zeiten lange angedacht, es sind sogar Anfragen gestellt worden. Es kam nie zustande. Und heute ist das unmöglich.
Vinschgerwind: Warum denn?
Lamprecht: Samnaun ist ein abgeschlossenes Tal. Das Val Müstair war immer gegen Südtirol offen, wir sind hier nicht abgeschlossen. Wir wissen, dass eine Zollfrei-Zone heute nicht möglich ist. Die Abklärung wurde mehrmals gemacht.

Vinschgerwind: Vor nicht langer Zeit ist die bei einem Workshop gemeinsam mit der Gemeine Taufers die alte Idee eines grenzüberschreitenden Golfplatzes aufgetaucht. Ist das Thema in der Gemeinde Val Müstair?
Lamprecht: Das ist mir nicht bekannt. Ich war da nicht dabei. Und die Idee ist wohl nicht so weiterverfolgt worden, dass sie zu mir vorgedrungen wäre. Sicher nicht ganz einfach. Das Land, also der Grund, gehört hier Privaten und nicht der Gemeinde...
Vinschgerwind: Da spricht jetzt der Bauer...
Lamprecht: Man muss ja von der Landwirtschaft das Land bekommen. Sicher ist, dass im Val Müstair der Druck auf das Land sehr groß ist. An der Grenze gehört das Land mehrheitlich dem Kloster und es ist sehr fruchtbares Ackerland. Wo würde man einen grenzüberschreitenden Golfplatz machen können - vielleicht ganz oben im Val d’Avinga? (lacht)

Vinschgerwind: Wie verfolgt man im Val Müstair die Diskussion einer Zugverbindung von Mals in Richtung Schweiz?
Lamprecht: Bahnverbindungen und Straßenkonzepte obliegen in erster Linie dem Kanton bzw. dem Bund. Der Kanton verfolgt in erster Linie die Verbindung Mals-Martina oder Mals-Scuol. Eine Verbindung über oder unter dem Ofenpass ist unwahrscheinlich. Im Tal ist eher eine Verbindung Bormio Sta. Maria und dann nach Mals  aktuell. Das wird allerdings vom Kanton  nicht verfolgt, weil dies eher eine Verbindung zwischen Italien-Italien ist. Aber an den Mailänder Raum angeschlossen zu sein, das wär’ genial. Bei Gesprächen vom Rotary-Club in Bormio war ich schon dabei. Südtirol sieht diese Verbindnung  noch nicht so.

Vinschgerwind: Wie wird die Bemautung der Stilfserjochstraße im Val Müstair diskutiert?
Lamprecht: Wir sind mit Gabriella Binkert in der Arbeitsgruppe beteiligt. Die Bemautung ist in der Schweiz generell nicht möglich. Da müsste man schon den Umbrailpass aus dem Kataster des Kantons rausnehmen und privatisieren. Das wär’ wohl nicht so einfach. Wenn das Stilfserjoch von Bormio und von Stilfs aus bemautet wird, würde das eine Zunahme des Verkehrs bei uns über den Umbrail bedeuten und wir hätten nichts davon. Deswegen muss es schon eine gemeinsame Lösung geben.

 

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