Spezial-Allerheiligen: Von schlecht und gut Betuchten

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von Mundartdichterin Rosina Spiess aus Taufers i. M., Jg. 1922

Eine Beisetzung war in vergangenen Jahrhunderten ein einfacher Vorgang. Es ging einzig und allein darum, den Verstorbenen unter die Erde zu bringen. Särge gab es nicht. Die Bretter mussten in schweißtreibender Arbeit geschnitten werden. Die einfachen Leute konnten es sich nicht leisten, Särge zimmern zu lassen, um darin ihre Toten in die Erde zu legen und das Holz dort verfaulen zu lassen. Dazu waren die Bretter zu wertvoll. Es wurde ein einfaches Tuch verwendet. Nachdem jemand gestorben war, wurde das Totenweiblein herbeigeholt. Dieses half mit, den Leichnam in das Tuch einzunähen. Oft genug verfügten nicht einmal die Lebenden über genügend Tuch. Besser lief es in wohlhabenden Kreisen. Diese besaßen wertvolle Leinentücher. Nicht umsonst gibt es den Ausdruck „Gut Betuchte“. Meine Großmütter erzählten mir, dass die Toten im Haus vor dem Begräbnis auf das „Rech- oder Rechtbrett“ gelegt wurden. Diese Bezeichnung kommt stammt aus dem Althochdeutschen „Re“, was Leiche heißt. Es handelte sich also um ein Leichenbrett, das für das gewöhnliche Volk meist aus der Totengruft herbeigeholt wurde, wo es für alle bereit stand. Bei der Beerdigung wurde die auf dem Brett liegende Leiche auf die Bahre gehoben und zum Friedhof getragen.
Bereits vor der Totenmesse fand die Beerdigung der/des Toten vor den Augen der Angehörigen und aller Anwesenden statt.
Zwei Männer, einer hinten und einer vorne, hoben das Brett mit dem Leichnam im Tuch behutsam von der Bahre und ließen ihn in die Grube rutschen. So kann ich mir heute die Ausdrücke „Rechbrett“ und „Brettlrutschn“ erklären, die ich als Kind aufgeschnappt hatte. Es war wohl oft ein emotionaler Vorgang, zu Beispiel, wenn eine Mutter von vielen Kindern plötzlich nach dem Kindbettfieber gestorben war.
Meine Großmutter erzählte mir vom Tod meiner Urgroßmutter 1877. Damals gab es schon Särge in Form von einfachen, rechteckigen Kästen mit einem flachen Deckel. Schon am helllichten Tag habe man ihre Mutter in die „Truch“ gelegt und zugenagelt. Es werden ihr wohl in den Ohren weh getan haben und auch das Herz. Särge aus Holz gibt es erst seit über 150 Jahren. Anfangs bestanden diese aus einfachem Holz.
In unserem Dorf Taufers i. M. wurden die Särge bei meinem Nachbarn in der Tischlerei Kapeller gezimmert. Sehr oft habe ich als Kind zugesehen, wie mit Hilfe von Schablonen christliche Zeichen mit brauner Beize auf die hellen Bretter des Sarges aufgemalt wurden. Heute gibt es Särge aus der Fabrik. Es braucht längst kein „Rechbrett“ oder „Rechtbrett“ mehr. Der Sarg aus gutem Holz liegt heute kompakt auf dem Leichenwagen und wird in die Kirche gebracht.
Es gab einmal fünf Gebote der Kirche, von denen man schon lange nichts mehr hört. Das letzte dieser Gebote lautet: „Du sollst dich nicht verbrennen lasen.“ Ja, denn, wohin mit der Welt? Mögen alle in Frieden ruhen!

 

„Ob alt - ob jung,
ob groß - ob klein,
durch’s letzte Tor
musst du allein!“

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