„Ich dränge halt“

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Franz Prieth ist seit Herbst 2020 neuer BM der Gemeinde Graun Franz Prieth ist seit Herbst 2020 neuer BM der Gemeinde Graun

Graun - Mit Franz Prieth haben die Gemeindebürger:innen von Graun einen Macher zum Bürgermeister gewählt. Prieth drängt und stürmt, ist ein Diplomat, oft auch ungeduldig. Prieth im Wind-Interview über  Ziele, Zeiten und Zukunft in der Gemeinde Graun.

Vinschgerwind: Herr Bürgermeister, Sie spielen Tuba. Wann haben Sie zuletzt auf Ihrem Instrument geübt?

Franz Prieth: Einige Bläser der Musikkapelle Reschen haben am Heiligen Abend bei der Messe am Nachmittag gespielt - da war ich dabei. Tags zuvor hab’ ich zuletzt geübt.

Vinschgerwind: Als Obmann der Musikkapelle Reschen sind Sie im Ausschuss der Musikkapelle zum großen Teil von Männern umgeben. In Ihrem Gemeindeausschuss haben die Frauen die Mehrheit. Wie kommen Sie zurecht?

Franz Prieth: Ich komme in beiden Gremien gut zurecht. Es ist immer sehr wichtig, dass beide Geschlechter in den Ausschüssen vertreten sind. Die Herangehensweise oder auch die Sichtweise von Frau oder Mann zu den diversen Sachthemen sind oft unterschiedlich - das ist sehr wertvoll. 

Vinschgerwind: Sind Sie ein Ungeduldiger?

Franz Prieth: Das ist eine gute und eine spezielle Frage. Schon eher, würde ich sagen. Mir gefällt es, wenn es in der Gemeindepolitik und auch im Allgemeinen zügig weitergeht. Diskutieren und dann Umsetzen - das erwarten die Bürger:innen von uns.

Vinschgerwind: Kürzlich haben Sie im Gemeinderat von Graun gesagt, auch mit einer bestimmten Ungeduld, dass es keine „schiacheren Ruinen“ im Vinschgau gebe, als die beiden Ex-Anas-Häuser in St. Valentin und in Reschen.

Franz Prieth: Das ist so. Vielleicht gibt es schiachere Ruinen, das kann schon sein. Beide Ruinen befinden sich an sichtbaren, strategisch wichtigen und sensiblen Orten. Damit die Gemeinde Graun diese zwei Gebäude in der A-Zone vom Land erhält, müssen wir Zonen für öffentliche Einrichtungen ausweisen und damit fixieren, dass die Zonen institutionellen Zwecken dienen - dem öffentlichen Interesse sozusagen. Es sollen dringend benötigte Parkplätze daraus gemacht werden. Deshalb hat der Gemeinderat kürzlich die Grundsatzentscheidung gefällt, diese Bauleitplanänderung durchführen zu wollen. Vorprojekte für diese Bauleitplanänderungen liegen bereits vor.

Vinschgerwind:  Bis wann sollen die Gebäude auf die Gemeinde Graun übergehen?

Franz Prieth: Ich habe beim Landeshauptmann und bei den zuständigen Landesämtern vorgesprochen. Der Grundsatzbeschluss vom Gemeinderat ist ausreichend und ich hoffe, dass die Übertragung der Liegenschaften noch im Frühjahr erfolgen wird. Im Gemeindehaushalt haben wir bereits das Geld für den Abriss vorgesehen.

Vinschgerwind: Ein anderes Gebäude: Wird das Schwimmbad, das Hallenbad in Graun geschlossen bleiben? 

Franz Prieth: Das Schwimmbad ist seit langem in desolatem Zustand. Man hat kaum mehr etwas investiert. Die letzten Investitionen waren vor Jahren der Anschluss an die Fernwärmeleitung und die internen Wasserleitungen. Wenn eine Struktur, wie unser Hallenbad, dann noch auf Grund von Corona zwei Jahre geschlossen bleibt, baut es weiter entsprechend ab - jetzt ist das Gebäude sicher am Ende. So, wie es ist, bleibt das Hallenbad ziemlich sicher geschlossen. Wenn, dann kommt nur eine neue Anlage in Frage. Wir haben ein Unternehmen beauftragt, die Situation studieren zu lassen. Diskussionsgrundlagen und genaue Zahlen und Fakten werden bis zum Herbst vorliegen - da liegt viel Arbeit vor uns.

Vinschgerwind: Ist der Wunsch von Seiten der Bevölkerung groß, dieses Hallenbad neu aufzustellen?

Franz Prieth: Ich glaube schon. Das ist ein langes und sehr gefühltes Thema. Es ist derzeit das Ziel Nummer eins von Seiten der Gemeindeverwaltung. Da möchten wir eine sinnvolle Lösung. Das Schwimmbad als Freibad oder auch Hallenbad hat im Oberland große Tradition, gehört und passt zu uns. Wir haben viele tolle und besondere Outdoorangebote - bei schlechtem Wetter, besonders im Sommer, haben wir wenig Angebot. Wir lassen zu diesem Thema nicht locker.

Vinschgerwind: Gehen wir auf ein anderes Areal, wo Sie auch eine bestimmte Ungeduld geäußert haben. Sie haben verlangt, dass Ende März ein Projekt für die Gestaltung des Areals rund um den Alt-Grauner Kirchturm vorgelegt werden soll. Wurde eines vorgelegt?

Franz Prieth: Ja, das Vorprojekt gibt es. Es wird am 15. April, so wie versprochen, im Gemeindeausschuss vorgestellt. Es gibt eine Initiativgruppe, die das Areal in Form eines PPP-Modells, also eine Privat-Public-Partnerschaft, verwirklichen möchte. Da sind Hubert Gunsch von Systembau, Fabian Oberhofer und der Architekt Jürgen Wallnöfer dabei. Der öffentliche Partner ist das Land, weil der Grund, wo heute Parkplatz, WC-Anlage und Standlen sind, dem Land gehört. Es wurden schon mehrere Vorgespräche mit dem Land geführt. Die Situation ist wegen des Denkmalschutzes, wegen Raumordnung, usw. nicht einfach. Aber man arbeitet seit zwei Jahren daran. Wir haben großen Bedarf, uns hier besser aufzustellen, um uns entsprechend präsentieren zu können. 

Vinschgerwind: Angesichts der Tatsache, dass der Alt-Grauner Turm eines der meistfotografierten Objekte Südtirols ist... 

Franz Prieth: Der Turm ist zuallererst unser Wahrzeichen im Oberland. Er erzählt von unserer leidvollen Geschichte rund um die Seestauung. Es geht hier aber auch um das Tor zum Vinschgau, auch zu Südtirol. Wir, Gemeinde, Bezirksgemeinschaft Vinschgau und Land präsentieren uns da derzeit mit einem WC-Container und mit zwei Standlen. Für uns und Südtirol nicht würdig, wage ich zu sagen.

Vinschgerwind: Zum Schämen?

Franz Prieth: Ja, eigentlich schon. Wir haben uns bemüht, die WC-Anlage mit Holz zu verkleiden, dass es nicht ganz so schlimm ausschaut, das war’s. Da muss etwas geschehen - das Land hat uns Unterstützung zugesichert.

Vinschgerwind: Haben Sie das Gefühl, Einfluss auf das Tempo für die Verwirklichung eines neuen Areals nehmen zu können?

Franz Prieth:  Ich dränge halt. Es hat sich ausgewirkt. Es kommt Druck auf. Die Machbarkeit liegt nun vor.

Vinschgerwind: Was ist Ihre Wunschvorstellung für den Zeitraum der Verwirklichung?

Franz Prieth: Vorausgeschickt sei, dass das Areal rund um den Turm so etwas wie unsere Visitenkarte ist. Die meisten Durchreisenden bleiben hier stehen. Es ist so etwas, wie der Empfangsraum der Gemeinde Graun. Der sollte schon gut ausschauen. Zeitmäßig ist es schwierig zu sagen. Da sind Gründe abzulösen, die Finanzierung abzuklären, die Bauleitplanänderungen sind zu machen, die Verträge mit dem Land sind abzuschließen. Ich hoffe auf Baubeginn innerhalb von drei Jahren. Natürlich wird das Thema in Graun sehr sensibel empfunden. Rummelplatz soll es auf keinen Fall einer werden. Geplant ist es bergseitig in den Hang hinein zu bauen. Eine besondere Idee ist es, soviel kann ich verraten. Erst, wenn grundsätzlich eine Finanzierungsschiene steht, können wir der Bevölkerung das Projekt präsentieren. 

Vinschgerwind: Die Gemeinde Graun prosperiert. Die Skigebiete sind zusammengeschlossen, die Hotels beginnen sich neu aufzustellen. Was halten Sie vom Bettenstopp, der von Landesrat Schuler ausgerufen worden ist?

Franz Prieth: Ich habe da keine großen Ängste für unsere Gemeinde. Ich glaube nicht, dass uns das ernsthaft betreffen kann. Der Obervinschgau, der Westen muss aus diesem Bettenstopp ausgenommen werden - davon bin ich überzeugt. Wir sind nach wie vor als strukturschwach eingestuft. Man hat in die Skigebiete mehrere Millionen Euro, auch mit großer Unterstützung des Landes, investiert. Ein Bettenstopp in der Peripherie wäre jetzt ein kapitaler Fehler. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass sich unsere Betriebe nicht mehr weiterentwickeln können. Diese Bedenken habe ich in mehreren Sitzungen bereits geäußert. Zurzeit findet in vielen Betrieben im positiven Sinne ein Generationswechsel statt - wir haben viele junge, gut ausgebildete und vor allem motivierte Menschen bei uns. Zudem müssen wir auch gegenüber unseren Nordtiroler Freunden konkurrenzfähig bleiben. Auch lukrative Arbeitsmöglichkeiten in der nahen Schweiz spielen hier eine Rolle. Wir dürfen uns hier nicht selbst ein Bein stellen und uns unsere Zukunft und die unserer Jugend verbauen. 

Vinschgerwind: Zur Erreichbarkeit der Gemeinde Graun. Bei den Galerien zwischen St. Valentin und Graun soll die Straße in Richtung See verlegt werden. Welche Zeiträume sind da vorgesehen?

Franz Prieth: Das ist ein großes Projekt in einem Ausmaß von rund 18 Millionen Euro. Das ist ein Landesprojekt. Wir haben uns als Gemeinde angeboten, die Projektierung für die Aufschüttung zu übernehmen. Diese Aufschüttung könnte dann über die Wildbachverbauung geschehen. Der Straßenbau - sicher federführend, könnte Planung und Projektierung der Straßentrasse übernehmen. Auch die Landesgeologie wird eine wichtige Rolle spielen. Damit können Kosten eingespart und europaweite Ausschreibungen vermieden werden. Und so könnte es auch schneller gehen. Die Bereitschaft für diesen Weg ist von allen Seiten da, das hat mich angenehm überrascht und sehr gefreut. Ich hoffe, dass nächstes, spätestens übernächstes Jahr mit den Arbeiten begonnen wird.

Vinschgerwind: Für die Sicherheit der Straße ist dieses Projekt von großer Bedeutung.

Franz Prieth: Sicherheitstechnisch ist das höchst notwendig. Steinschlag, Lawinen, Muren und vor allem auch die desolaten Gallerien stellen eine große Gefahr dar. Die Verlegung der Straße ist absolut notwendig. Alles andere sind positive Nebenerscheinungen. Denn es werden mit der Aufschüttung rund 8 Hektar Kulturland zurückgewonnen, das entspricht der Dimension von zwei geschlossenen Höfen. Da könnte gerade für Graun auch ein Stück Zone für öffentliche Einrichtungen herausschauen.

Vinschgerwind: Ein anderes Infrastrukturprojekt. Wie weit ist das Vorprojekt für einen skitechnischen Zusammenschluss mit Nauders gediehen?

Franz Prieth: Eine Studie liegt vor. Corona hat dies beschleunigt. Das Land hat beim Recovery-Fund Projekte eingereicht. Wir hoffen, dass unser Projekt enthalten ist. Ein Zusammenschluss der beiden Skigebiete ist auch von höherer Politik auf beiden Seiten der Grenze durchaus erwünscht.

Vinschgerwind: Noch eine Verbindung: Kürzlich waren Sie verhindert, als das Treffen mit der Initiativgruppe „Reschenbahn 2.0“ in Nauders stattfand. Was ist Ihr Standpunkt zu einer möglichen Zugverbindung über den Reschen?

Franz Prieth: Ich war grad heute (9. April 2021) gemeinsam mit Josef Thurner und Albrecht Plangger online bei einem Treffen zwischen Schweizer, Nordtiroler und Südtiroler dabei. Ich habe den Eindruck, dass man sich nicht gegenseitig blockieren möchte und nach einer gemeinsamen Lösung sucht. Jeder hat natürlich seine Vorstellungen und vertritt seine Interessen. Wohlwissend, dass das ein langwieriges Projekt sein wird, ist mein Standpunkt für die Gemeinde Graun klar: Für uns wäre die Reschenbahn sehr positiv. 

Interview: Erwin Bernhart

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