Dienstag, 20 März 2018 12:00

Ziemlich beste Feinde

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s6 schuler veithMals/Bozen - Den Boden für eine Zusammenarbeit zwischen Landesrat Arnold Schuler und dem Malser BM Ulrich Veith vergiften sich beide selbst. Ein Briefwechsel, der dem Vinschgerwind vorliegt, gibt Einblick in Befindlichkeiten, die eine Richtung Bioregion im Obervinschgau nicht erleichtern.

von Erwin Bernhart

Wie kommt man aus der Nummer wieder heraus, ohne dass einer sein Gesicht verliert?

Diese Frage beschäftigt wohl beide: auf der einen Seite den auch für die Landwirtschaft zuständige Landesrat Arnold Schuler und auf der anderen Seite den Malser BM Ulrich Veith. Denn die Fronten sind ziemlich verhärtet, Schuler und Veith sind „ziemlich beste Feinde“. Schuler ist durchaus bereit, eine Bioregion im Obervinschgau zu unterstützen. Das sagt er bereits seit Jahren. Die Vorstellung, wie eine solche Bioregion auszuschauen hat, gehen allerdings auseinander. Denn BM Veith hat den politischen Boden in seiner Gemeinde so vorbereitet, dass unter diesen Voraussetzungen eine Bioregion kaum möglich sein wird. Denn die „Durchführungsverordnung über den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Gemeindegebiet“, welche der Gemeinderat am 29. März 2016 mehrheitlich genehmigt hat, schwebt wie ein Damoklesschwert über die Kommunikationswege einer Bioregion. Zur Erinnerung: Die Gemeinde Mals verbietet mit der Verordnung als „sehr giftige“ (T+) und „giftige“ (T) eingestufte Pflanzenschutzmittel und bei allen anderen Pflanzenschutzmitteln, außer den biologischen, muss ein Abstand von 50 Metern zu benachbarten Grundstücken, Straßen und Fahrradwegen, Kinderspielplätzen usw. eingehalten werden.
Das virulente an der Sache: Die Verordnung über Verbot und Abstände tritt „24 Monate nach der Genehmigung (...) in Kraft“. Also in diesen Tagen. Wenn die Gemeinde Mals ihre eigenen aufgestellten Regeln ernst nimmt, muss kontrolliert werden. Dafür ist die Ortspolizei zuständig.
Für Landesrat Arnold Schuler keine gute Voraussetzung, um über eine Bioregion Obervinschgau sprechen zu können. „Es hapert an der Verordnung“, sagt Schuler. Was Veith damit machen werde, sei seine Sache. Denn in diese Situation hineinmanövriert habe sich Veith selbst und nun werde er schauen müssen, aus dieser Sache wieder herauszukommen. Eines ist gewiss: Die Verordnung, wird sie von der Gemeinde ernst genommen, wird gerichtlich verhandelt werden. Ein Teil der Bauern und ein Teil der Malser Bürger sind dafür bereits gerüstet. Die Verordnung und eine solche Rechtsstreiterei wird zum Hemmschuh für Verhandlungen, Konzepterstellungen, für den Dialog in Richtung Bioregion.
Am 26. Februar 2018, hat der Malser Gemeindeausschuss einen LEADER-Projektantrag gutgeheißen. Unter dem sperrigen Titel „Der Obervinschgau kooperiert smart“. „Das Projekt unterstützt und entwickelt innovative lokale auf Kooperation basierende Wertschöpfungspartnerschaften von KMUs; es soll die unterschiedlichen Aspekte vereinen, Kooperationspotentiale nutzen, potentielle Kooperationspartner zusammenbringen und diese fachlich begleiten und potentielle Finanzierungsmöglichkeiten ausloten“, heißt es im Ausschussbeschluss.
„Es haben sich die fünf Gemeinden Mals (LEAD), Prad a.Stj., Schluderns, Taufers i.M. und Glurns, gefunden, um dieses Ziel mit dem Projekt „Der Obervinschgau kooperiert smart“ zu erreichen.“ Vorläufige Projektkosten insgesamt: 146.400 Euro. Rund 30.000 Euro sollen die Gemeinden aufbringen. Der Startschuss ist gegeben, die Gemeinde Mals ist im Gefüge des Projektes Lead-Partner, also federführend. Der Projektantrag wurde neben anderen am vergangenen Donnerstag von der Lokalen Aktionsgruppe „LAG VINSCHGAU“ in der Bezirksgemeinschaft genehmigt, mit der Auflage, auch die Gemeinde Graun mitzunehmen.

Landesrat Schuler und BM Veith lassen den Faden der Diskussion nicht abbrechen. Bei einem kürzlich stattgefundenen Treffen zwischen Veith und einem Mitarbeiter Schulers  wurde ausgelotet, wie sich eine Zusammenarbeit in Richtung Bioregion entwickeln soll. Schuler dementiert nach dem Treffen die Vermutung, dass es zu einem Deal kommen soll: Veith soll die Verordnung aussetzen und dafür wird sich Schuler vehement für die Bioregion einsetzen. „Es gibt keinen Deal“, sagt Schuler dem Vinschgerwind. Man wolle allerdings nach vorne schauen.
Die Aussagen lassen fast vergessen, mit welcher Vehemenz in jüngster Vergangenheit miteinander umgegangen worden ist. Es war das kurze Interview, welches Veith dem Magazin GEO Saison gegeben hatte und welches zu Beginn des Jahres zu heftigen Reaktionen geführt hatte. Veiths Sager „...aber in den Tälern mit den Apfelmonokulturen, so weit das Auge reicht, würde ich niemandem empfehlen, wandern zu gehen.“, hat vor allem die Touristiker und die Bauern auf die Palme getrieben. Eine weitere Aussage hat Landesrat Arnold Schuler auf die Palme gebracht. Veith sagte in GEO Saison wörtlich: „...mir hat man mit Amtsenthebung gedroht. Einige Projekte unserer Gemeinde werden von der Regierung nicht mehr finanziert...“
Schuler hat Veith am 19. Jänner deshalb einen geharnischten Brief geschrieben, zur Kenntnis auch an die Gemeinderäte, also halböffentlich. Veith hat am 13. Februar ebenso geharnischt geantwortet, zur Kenntnis auch an die Gemeinderäte, also auch halböffentlich. Dem Vinschgerwind liegen beide Schreiben vor, die wir in Auszügen veröffentlichen. Auch damit unsere Leser wissen, wie es hinter den Kulissen zugeht.
Arnold Schuler wählt das förmliche „Sie“, während Veith mit dem kumpelhaften „Du“ antwortet.
„Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
als zuständiger Landesrat für die Gemeinden nehme ich Bezug auf Ihr Interview im Reisemagazin GEO Saison. Sie behaupten dabei nämlich unter anderem, dass Ihnen mit Amtsenthebungsverfahren gedroht worden sei und dass einige Projekte der Gemeinde von der Regierung nicht mehr finanziert würden.
Ich ersuche Sie, dazu Stellung zu nehmen und darzulegen, welche Projekte davon betroffen sind und wer Ihnen und in welcher Form mit einem Amtsenthebungsverfahren gedroht hat. Es sollte auch hervorgehen, wie diese angebliche Androhung und die Streichung der Finanzierungen im direkten Zusammenhang mit dem Verbot von Pestiziden in Ihrer Gemeinde stehen (...)“ Schuler listet dann Projekte auf, die mit Finanzmitteln aus dem berühmten 27-er Gesetz finanziert worden sind. Im Jahr 2014 waren es insgesamt 1,5 Millionen Euro, 2015 habe die Gemeinde Mals gar nicht angesucht und im Jahr 2016 „wurde für den Ankauf „Hafnerhaus“ für die Errichtung einer Jugendherberge kein Beitrag gewährt (keine institutionelle Aufgabe der Gemeinde). Im Jahr 2017 konnte für die Erneuerung der Leichtathletikanlage im Sportzentrum Mals kein Beitrag gewährt werden, da Sportanlagen von Landesinteresse nicht über den Artikel 5 des Landesgesetzes vom 11. Juni 1975, Nr. 27 finanziert werden können. Es besteht aber die Möglichkeit, um eine Sonderfinanzierung für Sportinvestitionen beim zuständigen Ressort anzusuchen.  Zudem steht der Gemeinde Mals für 10 Jahre jährlich ein Betrag von 1.636.784,74 Euro für Investitionen zur Verfügung. Insgesamt wurde bis jetzt die Bereitstellung von 3.264.369,00 Euro beantragt und gewährt (2016: 616.609,00; 2017: 1.338.962,00 Euro; 2018: 1.308.798,00 Euro). Das heißt, die Gemeinde hätte seit dem Jahr 2016 die Möglichkeit für weitere 13.103.478,40 Euro Bereitstellungsanträge zu stellen (...)“.
Veith nimmt „mit Verwunderung“ Schulers Schreiben zur Kenntnis und kontert am 13. Februar. Ihm sei noch gut das Schreiben vom Regierungskommissariat in Erinnerung, in dem unter anderem stand „..compresa la facoltà di sospensione e scioglimento dei loro organi in base alla legge“. „Mit genanntem Schreiben hast du auf „allfällige Problemstellungen und rechtliche Konsequenzen für den Staat, das Land und die Gemeinde“ hingewiesen und dieses Schreiben als „Grundlage allfälliger weiterer Maßnahmen“ bezeichnet. All diese Äußerungen und Mitteilungen kann und konnte ich nicht anders als die Androhung eines Amtsenthebungsverfahrens verstehen (auch wenn du nun in den Medien behauptest, nie eine solche Mitteilung mir gegenüber gemacht zu haben – es sei ja der Richter dafür zuständig – siehe z.B. FF vom 25.01.2018).“
Und zu den Beitragsansuchen schreibt Veith: „Einzig der Antrag um Beitrag für die Adaptierungsarbeiten an der Kindertagesstätte wurde in dieser Amtsperiode positiv mit einem Dekret Art. 5 LG 27/75 in Höhe von 200.000 € begutachtet.“ Die 1,5 Millionen Euro von 2014 (minus dieser 200.000 Euro) seien allesamt noch von Luis Durnwalder genehmigt worden.
Veith, einmal in Fahrt, giftet dann gegen die Landesregierung: „Der Antrag um einen Beitrag für eine Jugendherberge war anscheinend nicht förderungsfähig (Schreiben vom 08.08.2016), ebenso die Erneuerung der Leichtathletikanlage in Mals (die Ihr kurzerhand zu einer Sportanlage von Landesinteresse erhoben habt, obwohl die gesamten restlichen Sportanlagen dieser Zone (Hallenbad, Freibad, Tennisplätze, Sportplatz mit Tribünen, Fitnessraum …) weiterhin Sportanlagen von Gemeindeinteresse geblieben sind. Sämtliche ordentlichen und außerordentlichen Instandhaltungsarbeiten hat in den vergangenen Jahren ausschließlich die Gemeinde Mals bestritten.
Mit Schreiben vom 02.02.2018 wurde sogar das Hallenbad für nicht förderungsfähig erklärt, obwohl die Nachbarsgemeinden schriftlich die Erklärung für diese übergemeindliche Struktur abgegeben haben (wie dies auch bereits für die Leichtathletikanlage der Fall war). Für alle abgelehnten Gesuche haben wir die vorgeschriebenen Kriterien eingehalten. Es ist uns ein Rätsel wie die Landesregierung sich die von ihr verlangte übergemeindliche Zusammenarbeit vorstellt, wenn die Nutzung vorhandener übergemeindlicher Strukturen nicht dazugehört und nicht förderungswürdig ist. Auch ist die Aufforderung, sämtliche Geldmittel für die nächsten 10 Jahre jetzt zu verbrauchen, im Sinne einer verantwortungsvollen und effizienten Planung, nicht nachvollziehbar. Die Gemeinde Mals hat für die nächsten Jahre große Bauvorhaben vor sich. Die Verwaltungsüberschüsse dürfen wir dafür nicht mehr verwenden, auch dürfen wir uns nicht verschulden und gleichzeitig können wir wohl im Sinne einer effizienten und zukunftsfähigen Gemeindepolitik nicht heute schon alles verbrauchen, was für die nächsten 10 Jahre zur Verfügung stehen wird.“
Veiths Brief endet dann so: „Geschätzter Arnold, ich habe deine feurigen Reden als Präsident des Gemeindenverbandes in Erinnerung. Du bist vehement für eine autonome, selbstbestimmte Handlungsfreiheit der Gemeinden eingetreten, hast Selbstvertrauen und Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit sowie die Aufwertung der Gemeinden gefordert. Mir ist das Verhalten gegenüber der Gemeinde Mals gerade aus diesem Blickwinkel überhaupt nicht verständlich.“
Mit freundlichen Grüßen.
Der Umgangston hinter den Kulissen lässt erahnen, wie die künftige Zusammenarbeit sein wird. Schuler sagt, dass inzwischen ein Abkommen zwischen Grünland-Biobauern und Obstbauern unterschriftsreif vorliege, wobei sich beide Seiten, so Schuler, „sehr zufrieden zeigen.“  
Trotzdem bleibt die drängende Frage vor allem für die Gemeinde Mals: Wie kommt man aus dieser Nummer wieder heraus?

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