Dienstag, 20 März 2018 12:00

„Wir sind alle per DU“

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s10sp2 6490Vinschgerwind:Glückwunsch: Die Ivoclar Vivadent ist in der Kategorie Großunternehmen – Large Enterprises – der beliebteste Arbeitgeber Südtirols. Sie haben im Februar, den Top Company Award 2018 gewonnen. Erwartungsgemäß oder doch überraschend?
Christian Frei: Die Erwartungshaltung war unter die ersten drei zu kommen, aufgrund von verschiedensten Maßnahmen, die wir seit der Befragung vor zwei Jahren umgesetzt haben. Den ersten Platz zu machen war dann doch überraschend und eine Riesenfreude.


Luis Pföstl: Nachdem wir die Rückmeldung bekommen haben, dass das Ergebnis der Umfrage besser ausgefallen ist, als noch vor zwei Jahren, war ich überzeugt davon, dass wir unter den ersten drei und möglicherweise sogar ganz vorne stehen.

Vinschgerwind: Nur zwei Unternehmen haben sich in dieser Kategorie qualifiziert: Sie als einziges privates Unternehmen, die Texel hat Platz zwei geholt. Weitere Platzierungen blieben aus. Das hat auch Strahlungskraft nach außen und pusht den Wirtschaftsstandort Naturns. Was schätzen Sie persönlich am Standort Naturns?
Luis Pföstl: Ich glaube, dass der Wirtschaftsstandort Naturns Vor- und Nachteile hat. Ein Vorteil ist sicher, dass wir genügend Platz, also Raum für eventuelle Erweiterungen zur Verfügung haben, dass wir relativ verkehrsberuhigt liegen und eine gute Zugverbindung haben, was  vor allem für unsere Mitarbeitenden wichtig ist. Ein Nachteil ist der, dass das Einzugsgebiet relativ klein ist.
Christian Frei: Ja, das stimmt. Natürlich ist es ein Vorteil, dass wir ein Innovatives Unternehmen sind und dadurch viel zu bieten haben, auf der anderen Seite ist es ein Nachteil, da wir uns wie andere Unternehmen schwer tun gute Fachkräfte zu finden.
Vinschgerwind: Lächeln gehört zur Unternehmenskultur bei Ivoclar Vivadent. Hand aufs Herz: Ist Ihnen immer zum Lächeln zumute?
Christian Frei:  Wir sind eigentlich schon in einer guten Situation, natürlich gibt es auch schwierigere Themen, aber größtenteils ist mir immer zum Lächeln zumute.
Luis Pföstl: Wir können heute davon ausgehen, dass die Firma Ivoclar Vivadent und auch die Niederlassung in Naturns langfristig auf dem Markt tätig sein und gute Ergebnisse erzielen wird. Deshalb kann man von der Grundeinstellung her schon lächeln.
Vinschgerwind: Einem Laien in drei Sätzen verständlich erklärt: Wer ist die Ivoclar Vivadent?
Christian Frei: Die Ivoclar Vivadent ist ein internationales Unternehmen. Wir produzieren alle Produkte, die Zahnärzte und Zahntechniker für die Ausübung ihres Berufes brauchen. Das fängt bei den Kunststoffzähnen an, geht über verschiedene Equipments bis hin zu Verbrauchsmaterialien.
Luis Pföstl: Für den Kunden, den Bürger decken wir den gesamten Lebenszyklus ab, das heißt von der Vorbeugung für Kinder über Materialien die den lebenden Zahn erhalten - sprich Füllungsmaterialien - bis hin zum Zahnersatz.
Christian Frei: Es ist natürlich ein schwieriges Thema, dem Endverbraucher zu erklären, was wir machen. Denn unsere Kunden sind die Zahnärzte und Zahntechniker, bis hin zum Endverbraucher kommen wir eigentlich nicht.
Vinschgerwind: Wenn wir Zahlen sprechen lassen: Wie ist die Ivoclar Vivadent aufgestellt? Auch im Kontext des globalen Unternehmens.
Christian Frei: Gründung 1962 des Standorts Naturns, Gründung des Konzerns 1923 als Zahnfabrik Rampsperger & Co in Zürich, später wurde der Betriebssitz nach Schan in Lichtenstein verlegt. Insgesamt haben wir 25 Standorte  weltweit. In Naturns sind derzeit 245 Mitarbeiter beschäftigt, weltweit sind es über 3.500 Mitarbeiter.
Vinschgerwind: Welche Märkte bearbeiten Sie?
Christian Frei: Wir sind weltweit unterwegs, die Produkte werden in mehr als 120 Länder vertrieben.
Vinschgerwind: Welches Zahnrad ist der Produktionsstandort Naturns im Rad der Unternehmensgruppe Ivoclar Vivadent?
Christian Frei: Alle Standorte haben Kernkompetenzen. Die Kernkompetenz von Naturns ist die Kunststoffproduktion, d.h. wir produzieren Kunststoffzähne und verschiedene Prothesenmaterialien für die gesamte Gruppe. Eine zweite Kernkompetenz von Naturns ist der Produktionsbereich Digital Dentistry, wo wir kundenspezifischen Zahnersatz und andere CAD/CAM-Produkte herstellen. Jeder Standort hat sein Management und ist global ausgerichtet und lokal verankert.
Vinschgerwind: Salopp gesagt, wenn ein Vinschger eine Zahnprothese hat oder bekommt, dann stammt sie von Ivoclar Vivadent?
Christian Frei: Nein.
Vinschgerwind: Nein?
Christian Frei: Weil wir nicht allein auf dem Markt sind, das hängt vom Zahnarzt des Vinschgers ab.
Vinschgerwind: Wo sitzen die größten Mitbewerber?
Christian Frei: Die größten Mitbewerber sitzen in den USA.
Vinschgerwind: Sie haben von „Digital Dentistry“ im Portfolio der Ivoclar Vivadent gesprochen. Was steckt dahinter?
Christian Frei: Das ist einmal die kundenspezifische Fertigung von Zahnersatz, sprich Sie sind beim Zahnarzt, machen einen Abdruck, der Zahntechniker macht einen Scan von diesem und schickt uns die 3D-Daten zu. Auf Basis dieser Daten fertigen wir dann den Zahnersatz wie Kronen, Brücken .... was es spezifisch braucht und liefern innerhalb ein bis fünf Tagen ans Labor, wir sprechen also von  kundenspezifischen Einzelfertigungen.

Vinschgerwind: Wie viele digitale und wie viele traditionelle Zahnärzte gibt es denn in Südtirol?
Luis Pföstl: Das ist schwierig zu sagen. Da können wir nicht von Südtirol sprechen. Insgesamt sind wir in Italien auf alle Fälle traditioneller unterwegs.
Vinschgerwind: Da steckt also noch Riesenpotential drinnen?
Christian Frei: Ja, aber da spielen viele Faktoren eine Rolle. Das ist abhängig vom Land, von der Krankenkasse, wieviel zurückerstattet wird usw. Wir am Standort Naturns produzieren kundenspezifischen Zahnersatz für ganz Europa.
Vinschgerwind: Anders gefragt, welches Land ist voraus, was „Digital Dentistry“ anbelangt?
Christian Frei: In Europa ist es sicherlich Deutschland.
Vinschgerwind: Einzigartig ist der Betriebsmittelbau in der Ivoclar Vivadent Naturns – was steht hier dahinter?
Christian Frei: Das ist ganz einfach unser hausinterner Maschinenbau. Den Großteil unserer Produktionsmaschinen entwickeln und bauen wir im Haus, sprich wir machen Mechanik, Software und Elektroentwicklung. Wir produzieren die Maschinenteile selber und montieren die Maschinen im Haus, nehmen sie natürlich auch in Betrieb und sorgen für die Instandhaltung.  Unsere Maschinen kann man nicht auf dem Markt kaufen.
Luis Pföstl:  Ich mache ein Beispiel.  Als ich vor 25 Jahren in der Firma angefangen habe, arbeiteten wir so wie heute in drei Schichten, wobei damals fünf Mitarbeiterinnen an einer Produktionslinie beschäftigt waren. Schon bald werden wir durch die Entwicklung der Produktionstechnologie soweit sein, dass eine Mitarbeiterin zwei Linien bedienen kann. Die Entwicklung der Produktionstechnologie ist also auch eine unserer Kernkompetenzen.
Vinschgerwind: Wieviel Zähne verlassen pro Jahr die Ivoclar Vivadent in Naturns?
Christian Frei: Rund 50 Millionen
Luis Pföstl: Die Automatisierung der Produktionsanlagen ist zwar eine unserer Kernkompetenz, das heißt aber nicht, dass wir dadurch Arbeitsplätze abbauen, ganz im Gegenteil. Wir bauen andere, neue Arbeitsplätze auf, solche die es vorher nicht gab. So hat z.B. die Anzahl der Mitarbeiter im Bereich CAD/CAM in den letzten Jahren ständig zugenommen.
Vinschgerwind: Welche Arbeitsplätze bietet demnach die Ivoclar Vivadent? Welche Mitarbeiter brauchen Sie?
Christian Frei: Primär technisch ausgebildete Mitarbeiter.
Vinschgerwind: Abgänger der TFO und der Metallfachschule?
Christian Frei: Richtig, dazu Informatiker und Zahntechniker.
Vinschgerwind: Gibt es genügend Fachkräfte?
Christian Frei: Fachkräfte zu finden ist relativ schwierig. Deshalb haben wir vor zwei Jahren entschieden, eine interne Berufsbildung zu starten
Vinschgerwind: Und wie halten Sie die Mitarbeiter, in die Sie Ausbildung und Know How investiert haben?
Luis Pföstl: Als erstes versuchen wir ideale Rahmenbedingungen zu schaffen,  so haben wir erst kürzlich das Arbeitszeitmodell überarbeitet, was für die Mitarbeitenden noch mehr Flexibilität bei der Einteilung ihrer Arbeit bedeutet. Zusätzlich gearbeitete Stunden kommen auf ein Stundenkonto und können in einem zweiten Moment wieder abgebaut werden. Auch haben wir im letzten Jahr das Lohn- und Prämienmodell überarbeitet, wodurch jetzt jeder Mitarbeitende eine Prämie bekommt.
Vinschgerwind: Sie zahlen auch freiwillig das 14. Monatsgehalt bzw. stellen ihren Mitarbeitern andere Dienstleistungen und Benefits zur Verfügung.
Luis Pföstl: Richtig, dazu wären wir als Industriebetrieb nicht verpflichtet. Auch haben wir einen Gesundheitszirkel im Haus, der z.B.  Massagen, Familienausflüge oder verschiedene andere Veranstaltungen organisiert, so fand erst kürzlich der Winterausflug statt. Auch bilden wir laufend, sowohl intern als auch extern unsere Führungskräfte aus und weiter.   Unsere Kommunikationskultur ist sehr offen und transparent, auch sind wir alle per Du. Unsere Mitarbeitenden werden bei Betriebsversammlungen auch über die  Zahlen der Firma informiert, weitere Informationsquellen sind ein firmeninternes  Intranet, eine interne Firmenzeitung, regelmäßige Aushänge und Sitzungen.
Christian Frei: Ich möchte ergänzen, dass wir in der Ivoclar Vivadent großen Wert darauf legen, die Mitarbeiter ständig weiterzuentwickeln und intern zu fördern.  Luis und ich sind zwei Beispiele dafür, Herr Pföstl hat als Mitarbeiter in der Lohnbuchhaltung und ich als Mitarbeiter in der Mechanischen Werkstätte begonnen.
Vinschgerwind: Sie haben in der Werkstatt bei Ivoclar Vivadent angefangen und sind jetzt Geschäftsführer?
Christian Frei: Ja, wir haben beide vor 25 Jahren begonnen und sind heute beide Teil der Geschäftsleitung.

Vinschgerwind Schließen wir mit einem Blick in die Zukunft: Was braucht der Dentalmarkt von morgen? Was sind die Kundenbedürfnisse?
Christian Frei: Es geht in Richtung Digitalisierung, das Anbieten von Komplettsystemen und Lösungen und der dazugehörende Service wird immer wichtiger.

Interview: Angelika Ploner

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