Dienstag, 09 August 2011 00:00

Damals lag noch viel herum, doch musste man flink sein!

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Menschen - Otto Angerer

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In den 80er Jahren hat Otto Angerer angefangen alte Kriegsrelikte zu sammeln – eine glühende Leidenschaft, welche ihn bis heute fest in ihrem Bann hält. Vor allem seine letzten Arbeitsjahre beim Lift auf dem Stilfserjoch und die erste Zeit im Ruhestand ließen seine Sammlung beträchtlich anwachsen.

der Gletscher schwand so rapide, dass immer wieder neue Kriegsüberbleibsel ans Tageslicht rückten. Alte Baracken sind ausgeapert - in Richtung Tuckettpass und auf der Trafoier Eiswand und es tummelten sich zunehmend mehr Leute am Berg; angelockt von den nun freigegebenen Relikten des 1. Weltkriegs. Einmal, berichtet Otto betroffen, ist man während Arbeiten an einem Wasserreservoir am Monte Livrio auf einen vermeintlichen unterirdischen Stollen gestoßen, welcher sich dann als Baracke aus dem 1. Weltkrieg entpuppte. Als man dann noch die sterbliche Hülle eines k.u.k. Soldaten auffand, wurden die Carabinieri verständigt und Freiwillige zur Bergung gesucht. Otto war wie immer verlässlich zur Stelle. „Das Gewehr und sonstige Relikte waren bereits verschwunden, allein der Brief an seine Eltern überdauerte unbeschadet die langen Jahre in seiner Jackentasche. Es war ein Kaiserjäger aus Inzing in Tirol (Bezirk Innsbruck Land).“
Jeweils 82 kg schwer waren die 220iger Granaten, welche seinerzeit gezielt auf die Materialbahn von Franzenshöhe abgefeuert wurden, um den Nachschub für die Truppen auf die Ortlerfront abzuschneiden. Zwei Blindgänger, welche mithilfe eines Helikopters geborgen und danach fachmännisch entschärft wurden, befinden sich heute in Ottos Besitz und schmücken eindrucksvoll sein Privatmuseum.
Im eisigen Kriegsalltag in Schnee und Eis war vor allem der Rum bei den Truppen ein sehr beliebtes Getränk. Er wärmte auf, betäubte und gestaltete das triste Dasein in der unerbittlichen Kälte etwas erträglicher und angenehmer. So ist es nicht verwunderlich, dass der Otto auch einen alten Rumtegel und ein Rumkessele von der Hohen Schneide (Monte Cristallo) sein Eigen nennen kann. Liebevoll angeordnet findet so manch anderer alte Gegenstand seinen Ehrenplatz in der beeindruckenden Sammlung: etliche Granaten, dazu eine Granatenkraxe, alte Steigeisen, Schneeschuhe usw.. Eine besondere Rarität in seiner Sammlung ist aber das schöne gusseiserne Öfele, welches er nach 2-stündigem Fußmarsch mühsam der Schneeglocke abgerungen hat. Zu jedem seiner Stücke weiß der rüstige Senior eine spannende Geschichte vom Gletscher und seinen Mysterien zu erzählen und den Zuhörer unwillkürlich zu fesseln. Eine Tragödie, die ihm sehr nahe gegangen ist, lässt er oft in seinen Schilderungen Revue passieren: Eines Tages kamen in der Nähe des Minottibiwaks zwei blecherne Behälter im dahinschmelzenden Eis zum Vorschein. „Ich hatte diese mit dem Fernglas bereits ausgemacht, aufgrund meiner Erfahrungen der Gefährlichkeit von Kriegsrelikten aber vorsorglich noch etwas zugewartet“.

Bereits am Morgen des darauffolgenden Tages sichtete der erfahrene Sammler 2 junge Männer in Richtung Madatsch/Minottibiwak. Um 10.30 Uhr vormittags erschütterte eine Riesendetonation das Tal, welche bis weit über Prad zu hören war. „Die sofort verständigten und am Stilfserjochpass angerückten Carabinieribeamten erkundigten sich, ob nicht vielleicht ich den Gletscher hoch gehen könne, um die Ursache der Explosion zu ergründen“. Ein befreundeter Bergführer begleitete ihn dabei. „Weil alloan bin i it auegongan“, gibt Otto heute unverblümt zu. Weitum konnte man bereits einen beißenden Geruch von Verbranntem riechen. Allein die Rucksäcke mitsamt Ausweispapieren, noch auf der Minottibiwaktür baumelnd, gaben die Identität der beiden Verunglückten preis, deren sterbliche Überreste sich in einem Umkreis von 300 m zerstreut hatten. Wie sich im Nachhinein herausstellte, hatten die Blechkübel zu ihrem Unglück hochexplosives Nitroglyzerin enthalten. „Solch schlimme Erlebnisse brennen sich unwiderruflich ins Gedächtnis!“, so Otto. „Natürlich hieß es anderseits aber auch schnell sein, wenn etwas aus dem ewigen Eis ans Tageslicht drängte, denn die Zahl derer, die diesem Hobby frönten, nahm kontinuierlich zu – sei es auf Südtiroler Seite, als auch auf „Wurmser“ (Bormio) Seite erlagen immer mehr dieser Sammlerleidenschaft!“

Und sollte jemand in der engen Winkelgasse von Stilfs des Weges sein und am Fasurabrunnen Rast einlegen, so hat er vielleicht das Glück, Otto Angerer dort anzutreffen, sich an seiner unterhaltsamen und lehrreichen Art des Erzählens zu erfreuen und Einblicke in seine ansehnliche Sammlung zu ergattern.

Renate Eberhöfer

Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau


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