Dienstag, 09 August 2011 00:00

Vortäuschen künftiger Tatsachen

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Matsch/Muntatschinig

 

s9sp34_6157Die Vegetation im hochalpinen Gelände wird zunehmen, die Artenvielfalt zurückgehen und die Wasserressourcen knapper werden. Das gehört zu den vorläufigen Ergebnissen des Projektes „Klimawandel Südtirol“ der Eurac Bozen, das derzeit im Matschertal durchgeführt wird. Die Wissenschaftler untersuchen dort die Anfälligkeit Südtirols gegenüber dem Klimawandel und extremen Wetterereignissen. Wie brisant das Thema ist, zeigt sich auch daran, dass ARD und ARTE die Versuche der Südtiroler Forscher für eine Filmdokumentation aufgezeichnet haben.

Unspektakulär schaut es aus, das Freilandlabor des Institutes für Alpine Umwelt der Eurac auf Muntatschinig im oberen Vinschgau: Ein Zaun aus Draht, der ein ungefähr 15x15m großes Stück Wiese abgrenzt, Eisengerüste für Abdeckplanen, eine kleiderschrankgroße moderne Messstation und ein kleiner weißer Schaltkasten voll gepackt mit Technik. In der Mitte der umzäunten Wiese stechen grün-braune quadratische Rasenstücke aus dem satten Grün hervor, sie sind mit rot-weißen Absperrbändern markiert. „Das sind Rasenziegel vom Tartscher Leger auf 2000m Meereshöhe, die wir hier auf 1500m wieder eingepflanzt haben“, erklärt Georg Niedrist, Biologe an der Eurac und Leiter des Projektes.
Durch den Höhensprung und die sich dadurch verändernden klimatischen Bedingungen wollen die Forscher den Klimawandel simulieren und untersuchen, welchen Einfluss die wärmeren Temperaturen auf die Vegetation haben. Hightech-Sensoren messen dazu neben der Temperatur auch Niederschlag, Wasserspeicherung, Wachstum und Strahlung.
Seit 2007 betreibt das Eurac Instiut für Alpine Umwelt in Zusammenarbeit mit den Universitäten von Bozen, Innsbruck, Trient und Duke (USA) im Matschertal ein groß angelegtes Forschungsprojekt. Dabei interessieren sich die Wissenschaftler vor allem für den Wasserkreislauf des Tales und welche  Auswirkungen der Klimawandels darauf hat. Die Studie soll Informationen darüber liefern, wie hoch der Wasserbedarf in der Landwirtschaft sein wird, wenn man an der heutigen Landnutzung festhalten will und welche Wasserressourcen dann noch überhaupt verfügbar sind. Das Experiment mit den umgepflanzten Graswürfeln ist ein Teil dieses Forschungsprojektes. Hier will man genauer untersuchen, welche Auswirkungen höhere Temperaturen auf den Ertrag der Wiesen, auf die Artenvielfalt, die Eigenschaften des Bodens und den Erosionsschutz haben.

Begonnen haben die Forschungen bereits 2009, für die Filmaufnahmen von ARD und ARTE stellte man das Experiment nun noch einmal nach.
Erste Ergebnisse für die schon früher eingesetzten Rasenziegel liegen bereits vor: So nimmt das Wachstum der hochalpinen Wiesenstücke auf 1500m um bis zu 90 Prozent zu. „Grund dafür sind die höheren Temperaturen und die längere Vegetationsperiode“, erklärt Ulrike Tappeiner Institutsleiterin für Alpine Umwelt der Eurac. Der Nachteil: es sei mit einer „Abnahme der Artenvielfalt“ zu rechnen. „Für den Ertrag des Grünlands muss der Klimawandel nicht unbedingt schlecht sein“, sagt Georg Niedrist, „man muss aber abwarten, wie es dann mit dem Wasser ausschaut“. Wissenschaftliche Prognosen sprechen von einer Verknappung der Wasserressourcen und durch den Temperaturanstieg von höherer Verdunstung. Häufigere Sommerdürre und Trockenheit könnten die Folge sein, die Pflanzen bekämen den sogenannten Wasserstress. „Wasserstress konnten wir bei jenen Rasenziegeln feststellen, die wir von 1500m auf 1000m verpflanzt haben“, erklärt Niedrist. Bedeutende Vegetationszuwächse habe es dort nicht gegeben. Noch mindestens zwei Saisonen soll das Projekt laufen, wünschen sich die Forscher. Auch damit Ausreißer in der Statistik, wie dieser außergewöhnlich kühle und regenreiche Juli, die Messungen nicht verfälschen. (mp)


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