Montag, 23 Mai 2016 12:00

„Das ist fahrlässig“

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s6 4924Reschen - Nauders - Oswald Folie ist als Präsident der Schöneben AG der dienstälteste Skiliftpräsident Südtirols. 17 Jahre lang hat am Reschenpass ein unvergleichliches, weil grenzüberschreitendes Projekt funktioniert: der Kartenverbund Skiparadies Reschenpass. Die Skigebiete Bergkastel Nauders, Schöneben und die Haideralm haben darin zusammengearbeitet. Nun steigt Nauders aus.

Interview: Erwin Bernhart

Vinschgerwind: Seit 17 Jahren gibt es das Skiparadies Reschenpass. Das ist ein Kartenverbund zwischen Nauders, Schöneben und der Haideralm. Nauders hat diese Zusammenarbeit 2014 gekündigt und kürzlich diese Kündigung bestätigt. Damit wird es diesen Skipass in der Saison 2016/2017 nicht mehr geben.


Oswald Folie: Das ist richtig. Den Skipass wird es im kommenden Winter nicht mehr geben. Der ist definitiv von den Nauderern gekündigt worden. Nach der Kündigung im Jahr 2014 wurden auf Initiative der Schöneben AG Verhandlungen geführt. Mittlerweile hat es mindestens sechs Verhandlungsrunden gegeben, in denen man versucht hat, den Kartenverbund doch noch weiterführen zu können. Aber das war nicht möglich. Trotz außergewöhnlich guter Angebote von Seiten der Schöneben AG.

Vinschgerwind: Der Kartenverbund Skiparadies Reschenpass ist ein kompliziertes Gebilde. Ist es auch ein guter Kompromiss? Es profitieren doch alle Beteiligten davon.
Folie: Natürlich profitieren alle Beteiligten. Deshalb ist es ja völlig unverständlich, dass Nauders diesen Kartenverbund aufgekündigt hat, und zwar definitiv. Die Nauderer haben ein leistungsbezogenes Abrechnungssystem gefordert. Sie haben für sich ein solches System ausgearbeitet, welches allerdings ausschließlich zum Vorteil von Nauders gewesen wäre. In diesem System war nur die Größe des Skigebietes berücksichtigt, keine Qualitätskriterien. Dabei ist die Größe eines Skigebietes weder für die Qualität noch für das, was am Ende der Saison abgerechnet wird, ausschlaggebend. Wo der Gast eine Leistung in Anspruch nimmt, dort muss diese auch bezahlt werden. Das ist unsere Ansicht von einem leistungsbezogenen Abrechnungssystem.   Das ist nicht nur unsere Ansicht, sondern so wird es bei den Fahrtenabrechnungen in den großen Skigebieten mit Kartenverbund - zum Beispiel bei Superski Dolomiti und anderen - gehandhabt. Da wird nach Fahrten abgerechnet unter Berücksichtigung von Qualitätskriterien, Förderleistungen, Höhenunterschiede usw.. All diese Kriterien haben die Nauderer in ihrem Vorschlag nicht berücksichtigt.

Vinschgerwind: Bisher war es so, dass jenes Skigebiet, in dem z.B. eine Wochenkarte gekauft worden ist, grundsätzlich 26 Prozent des Verkaufspreises behalten konnte, unabhängig davon, wo der Gast dann effektiv skigefahren ist. In den Verhandlungen sind Sie den Nauderern mit diesem „Selbstbehalt“ soweit entgegengekommen, dass der Prozentsatz auf 38 erhöht werden sollte. Nauders hat trotzdem abgelehnt. Wie erklären Sie sich das?
Folie: Wir können uns alle diese Ablehnung nicht richtig erklären. Das könnte auch aus einer bestimmten Notsituation entstanden sein, das wissen wir nicht. Jedenfalls ist es so, dass Nauders unser gutes Angebot abgelehnt hat.

Vinschgerwind: Die Schöneben AG hat bisher die Skibusse im Oberland, also die Verbindungen St. Valentin – Schöneben – Nauders, zu 68 Prozent finanziert.
Folie: Das ist richtig. Die Skibusse wurden im Verhältnis zu den Gästewanderungen von den Skigebieten finanziert. Die Schöneben AG hat aufgrund dieser Berechnungen 68 Prozent dieser Finanzierung zu übernehmen. Dies ist zusätzlich zum „Selbstbehalt“, also ein wesentlicher Vorteil für Nauders. Es waren in der Wintersaison täglich zwei Busse zwischen St. Valentin - Reschen und Nauders im Einsatz. Das ist ein Dienst für die Gäste von St. Valentin, von Graun, von Reschen und von Nauders.

Vinschgerwind: Klar ist, dass die Gäste im Oberland das Skigebiet Schöneben lieben und gern frequentieren. Vor allem Gäste aus Nauders kommen nach Schöneben. Kommt dieser Gästestrom mit der Auflösung des Kartenverbundes nun zum Erliegen?
Folie: Das hoffen wir natürlich nicht. Wir sind überzeugt, dass ein Teil dieser Gäste weiterhin nach Schöneben kommen wird. Das war auch vor dem Kartenverbund schon so. Mittlerweile sind viele Stammgäste in Nauders daran gewöhnt, nach Schöneben zu fahren. Deshalb sind auch viele Bettenbetriebe in Nauders nicht zufrieden, dass der Kartenverbund von den Verantwortlichen in Nauders aufgekündigt worden ist.  Weil sie eben viele Gäste haben, die nach Schöneben zum Skifahren kommen.

Vinschgerwind: Wie schauen die Gästestromanalysen aus?
Folie: Natürlich haben wir genaue Analysen über die Gästebewegungen. Die Angaben von Nauders , daß bisher 10 Mio. Euro nach Süden abgewandert sind, sind nur zum Teil richtig. In den vergangenen 16 Jahren seit Bestehen des Skipassverbundes, ist ein Betrag von 6.287.181,78 Euro nach Schöneben bezahlt worden, also ein jährlicher Betrag von durchschnittlich Euro 392.948,86, der Differenzbetrag von Euro 3.712.818,22 ist nur angenommen und deshalb unrealistisch.
Dass aber verhältnismäßig mehr Gäste von Nauders nach Schöneben kommen ist eine Tatsache und hängt nur zum Teil mit dem größeren Bettenangebot von Nauders zusammen.  Nauders behauptet stets, dass sie der Bettenlieferant sind, aber wie das folgende Beispiel, welches realistische Zahlen der letzten Wintersaison sind, zeigt, ist dem nicht so: Die Gemeinde Graun hat 2420 Gästebetten. Davon wandert eine Wertschöpfung von ca. 350.000 Euro nach Nauders ab. Die Gemeinde Nauders hat 4.200 Gästebetten davon wandert eine Wertschöpfung von ca. 1.190.000 Euro nach Schöneben ab. Effektiv bezahlt Nauders an Schöneben nach Verrechnung der Gästewanderungen und nach Abzug der 26% Vorweganteil lediglich ca Euro 590.000,00 als in etwa die Hälfte von dem was effektiv von Nauders nach Schöneben wandert. Wenn die Abwanderung im Verhältnis zur Bettenzahl auf beiden Seiten gleich hoch wäre, dürfte von Nauders „nur“ eine Wertschöpfung von Euro 607.500,00 nach Schöneben abwandern. Effektiv sind es aber Euro 1.190.000,00 – also etwa das Doppelte. Woran liegt diese Diskrepanz bzw. Differenz?

Vinschgerwind: Ja, woran liegt diese Differnez?
Folie: Es ist augenscheinlich, daß das Skigebiet Schöneben für die Gäste durch die hohe Qualität der Aufstiegsanlagen und der hervorragend präparierten Pisten- die Familienfreundlichkeit – und die Freundlichkeit der Mitarbeiter attraktiv und sehr beliebt ist. Dies ist auch der Beweis, daß die Größe des Skigebietes für die Frequenzen nicht ausschlaggebend ist, vielmehr ist dies die allgemeine Qualität im Skigebiet. Dies bestätigen uns die großen Skiportale wie Skiressort, Skiareatest, Skigebiete-Test usw. wobei besonders unser Pistengütesiegel in Triple Gold von Skiareatest hervorzuheben ist. Auch unser großer Snowpark mit Funslope in hervorragender Qualität, haben als ergänzendes Angebot dazu beigetragen, die Angebotspalette und die Qualität im Skigebiet Schöneben zu steigern und einfach mehr Abwechslung in den Skialltag zu bringen.

Vinschgerwind: Aufgrund Ihrer Ausführungen dürfte Schöneben für die kommende Wintersaison nichts zu befürchten haben.
Folie: Wir haben auch keine sehr großen Befürchtungen. Ob wir damit richtig liegen, wird sich in einem Jahr, also nach der Wintersaison 2016/2017 zeigen. Aus meiner Sicht ist die Kündigung des Kartenverbundes allerdings fahrlässig. Einen seit 16 Jahren funktionierenden, grenzüberschreitenden Kartenverbund mit guter Zusammenarbeit einfach zu kündigen, das ist fahrlässig. Wir sollten viel  mehr einen Schritt nach vorne machen, um über Möglichkeiten eines effektiven skitechnischen Zusammenschlusses zu diskutieren – wie von der Schöneben AG schon lange angedacht und vorgeschlagen wird – und nicht über eine Trennung.

Vinschgerwind: Hat die Kündigung der Nauderer auch etwas damit zu tun, dass Sie kein Befürworter der Verbindung Langtaufers-Kaunertal sind, während diese Verbindung in Nauders befürwortet wird?
Folie: Das hat damit nichts zu tun. Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe.

Vinschgerwind: Sie sind ein Befürworter der lifttechnischen Verbindung St. Valentin-Schöneben. Wird damit Schöneben attraktiver?
Folie: Die Machbarkeitsstudie liegt derzeit in Bozen auf und wird technisch überprüft. Demnächst ist auch eine Begehung vorgesehen. Diese Machbarkeitsstudie beinhaltet ja nicht nur die Liftverbindung von St. Valentin nach Schöneben. Diese Studie beinhaltet auch einen neuen Lift, den sogenannten Panoramalift, von Schöneben in Richtung Reschen. Laut Aussagen von Fachleuten soll dies ein Lift mit einer wunderbaren Piste werden. Wegen der Liftverbindung St. Valentin-Schöneben wird Schöneben nicht attraktiver. Dieser Verbindugnslift ist für St. Valentin von großem Nutzen. Die Haider haben mit ihrem Skigebiet Probleme. Ich weiß nicht wie es heuer weitergeht. Es ist allerhand im Gange, da müssen Sie die Gemeindeverwaltung fragen. Jedenfalls ist es meiner Meinung nach so, dass der Verbindungslift von St. Valentin nach Schöneben für die Bettenbetriebe in St. Valentin die richtige Lösung ist.

Vinschgerwind: Wird es demnächst eine Fusion zwischen der Schöneben AG und der Haider AG geben?
Folie: Das kann ich heute nicht sagen. Das hängt davon ab, wie sich die Haider AG entwickelt und natürlich auch von der Realisierung des Liftes St. Valentin-Schöneben. Nur um die Haideralm zu halten, kann ich mir eine Fusion nicht vorstellen.

Vinschgerwind: Wäre es nicht sinnvoller, zuerst zu fusionieren und dann den Verbindungslift zu bauen?
Folie: Eine Fusion kann nur dann stattfinden, wenn die Haider AG ihre Hausaufgaben gemacht hat. Für mich heißt das, die Lifte soweit abzubauen, dass das Skigebiet wirtschaftlich arbeitet. Wenn es so weitergeht, ist ein Fusion aus wirtschaftlicher Sicht nicht machbar. Es kann nicht sein, dass sich Schöneben in Schwierigkeiten begibt.

Vinschgerwind: Sind die Verhandlungen mit den Nauderern endgültig gescheitert oder gibt es noch Spielräume?
Folie: Die Verhandlungen sind endgültig gescheitert. Die Schöneben AG hat ja den Antrag gestellt, dass die Nauderer die Kündigung noch um ein Jahr hinausschieben mögen. Das wurde abgelehnt, wie Sie aus dem Kündigungsschreiben ersehen können. Wir sind schon gewillt, mit den Nauderern weiterhin zu reden, damit der Kartenverbund aufrecht bliebe, aber nicht um jeden Preis.

Vinschgerwind: Wird sich die Schöneben AG anderweitig um einen Kartenverbund bemühen?
Folie: Wir werden uns um einen Kartenverbund mit St. Valentin und mit Waltes bemühen, vielleicht darüber hinaus, das weiß man noch nicht. Da laufen erste Gespräche.

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