Montag, 14 März 2016 12:00

Bleibendes für Meran

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s6 tappeiner2Anlässlich des 200. Geburtstages von Dr. Franz Tappeiner wurde in Meran eine zweitätige Tagung abgehalten . Organisiert wurden eine Festveranstaltung, Vorträge und eine Podiumsdiskussion vom Museum Palais Mamming unter der Koordination von Patrick Riina. Meran begibt sich auf Spurensuche rund um den berühmten Kurarzt Franz Tappeiner. Wer war dieser Mann aus Laas?

von Erwin Bernhart

Wer kennt ihn nicht, den Tappeinerweg in Meran. Die beliebte Promenade über den Dächern von Meran hat im Laufe der Zeit von ihrem Reiz nichts eingebüßt, im Gegenteil: Der Tappeinerweg ist (wieder) in Mode.

Es gibt derzeit Bestrebungen, den Tappeinerweg bei der Unesco als Weltkulturerbe eintragen zu lassen. Die Stadt Meran besinnt sich ihrer Wurzeln als Kurstadt, als natürliche Anlage einer vor mehr als 100 Jahren propagierten „Terrainkur“ - spazieren, flanieren, wandern und das alles unter dem Siegel der Gesundheitsvorsorge, der Therapie, der Entschleunigung.
Meran entsinnt sich auch jener Männer, die die Speerspitze für den Aufstieg von einer Kuhstadt zu einer Kurstadt europäischen Formates bildeten. Darunter sind auch Vinschger. Einer davon: Dr. Franz Tappeiner.
Tappeiner wurde am für Vinschger Verhältnisse als wohlhabend geltenden  Oberloretzhof in Laas als ältester von 14 Geschwistern am 7. Jänner 1816 geboren. Der Bub war g’scheit und wurde in die erste Klasse des Meraner s7 3662Gymnasiums gegeben. Es sei angeführt, dass der junge Tappeiner damit einen Pfad betritt, der mehr als 100 Jahre zuvor von einem anderen Laaser in Meran angelegt worden war. Der Grundstein für das Gymnasium in Meran wurde nämlich vom Marienberger Abt Johann Baptist Murr, aus Laas gebürtig, gelegt.
Tappeiner „behauptete sich 1827 bis 1832 als sogenannter Vorzugsstudent in Meran“ und absolvierte in Innsbruck die sechste und die zwei philosophischen Klassen. Als „Fremder“ errang er den ersten Preis in Innsbruck und das erregte einiges Aufsehen.
Nach einem Jahr Studium der Medizin in Prag, studierte er in Padua und zog dann nach Prag zurück. Für botanische Studien unterbrach er sein Universitätsstudium für ein ganzes Jahr, kehrte in den Vinschgau zurück und lieferte Beiträge zur „Flora germanica“ Reichenbachs. Nach seinem Medizinstudium in Wien von 1840 bis 1843 und mit der Aussicht, als Militärarzt nach Sumatra zu gehen, schenkte Tappeiner sein Herbarium, rund 6.000 Arten hatte er gesammelt, davon um die 800 Arten im Vinschgau, dem Ferdinandeum In Innsbruck.
s7 3635Aus Sumatra wurde nichts. Tappeiner ließ sich als wissenschaftlicher Arzt in Laas nieder, war bald ein gesuchter Doktor und bewährte sich „als Augen-Operatuer in schwersten Fällen“. Der heimatliche Ort wurde ihm bald zu eng und er zog 1846 nach Meran. Hier entfaltete er eine „enorme Leistungsfähigkeit und trug durch seinen reich berühmt gewordenen Namen viel bei zum Emporblühen des Curortes...“.
1847 heiratet Tappeiner Mathilde von Tschiderer aus Bozen. Kennengelernt hat er seine künftige Gattin in Laas, im Hause ihres Schwagers Comini. Mit Hermann und Hedwig entsprangen zwei Kinder dieser Ehe.
Der in Meran beruflich aufstrebende Arzt hatte weite Horizonte. Der Versuch etwa, in der Politik Fuß zu fassen, endete kläglich. 1848 kandidert er als Liberaler für die Frankfurter Nationalversammlung. Lediglich 20 Prozent der Stimmen konnte Tappeiner auf sich vereinen. 80 Prozent gingen an seinen konservativ-klerikalen Konkurrenten: der Marienberger Benediktinerpater Beda Weber geht nach Frankfurt. Tappeiner lässt darob die Finger von der Politik und widmet sich fortan seinen Studien.
Tappeiner erwarb sich als Diagnostiker für innere Medizin weit über Tirol hinaus einen hervorragenden Ruf. Und auch als Wissenschaftler betrat er Neuland: Auf der Münchner Naturforscher-Versammlung legte er 1877 seine Tierversuchs-Studien vor, in denen Erkenntnisse über die „Einatmung als natürlichen Weg der Ansteckung durch Tuberkulose“ gewonnen hatte. (Der spätere Nobelpreisträger Robert Koch entdeckte den Erreger für Tuberkulose 1882). Tappeiners Forschungen wurden damit voll bestätigt.
s7 3631Der Tod seiner Gattin trifft Tappeiner schwer, er zieht sich für ein Jahr aus der Gesellschaft zurück. Im Sommer 1878 bricht er zu Wanderungen ins Hochgebirge auf und beginnt im Ötztal und im Schnalstal antropologische Studien, die ihn vier Sommer lang beanspruchen und in alle Teile Tirols führen werden: In Beingrüften vermaß er die Schädel und auch Köpfe der Lebenden begann er zu vermessen. Knapp 5000 Schädelmessungen und mehr als 3000 Kopfmaße aus ganz Tirol kamen zusammen. Tappeiner folgert aus seinen Messungen, dass „das Tiroler Volk aus Rhäto-Romanen und Germanen zusammengewachsen ist, dass die Ersteren Rhätier mit römischen Colonien, die Ladiner reine Rhätier sind, daß die Deutschtiroler mehr rhäto-romanischen, die Wälschtiroler mehr germanischen Antheil habe; die deutschen Sarnthaler und Haflinger hält er für Ostgoten...“ - So fasst es sein Freund, der jüdische Arzt Raphael Hausmann in einem Feuilleton in der „Neue Freie Presse“ (Wien, Dienstag, den 7. Januar 1896) anlässlich des  80. Geburtstages Tappeiner zusammen. Alle bisherigen Zitate entstammen diesem Artikel.
Die emeritierte Universitätsprofessorin Ulrike Kindl sagt in ihrem Festvortrag am 11. März 2016, anlässlich des 200. Geburtstages von Franz Tappeiner bezogen auf die Schädelvermessungen Tappeiners: „Tappeiner hat redlich gearbeitet, nach dem Stand der exakten Wissenschaft. Aus heutiger Sicht wissen wir, dass die Craniologie (die Schädelkunde, die Schädelvermessungen Anm. d. Red.) eine Kaffeesatzleserei ist.“
Seine Schädelsammlung hat Franz Tappeiner dem Naturhistorischen Museum in Wien abgetreten. Dem Innsbrucker Ferdinandeum vermachte er zudem wertvolle Gegenstände, die er bei zahlreichen Ausgrabungen in Tiroler Gegenden entdeckt hatte.
s7 36851886, Tappeiner ist 70, legt er die Arbeiten in seiner Ärztepraxis nieder. „Ich gehe“, sagt Tappeiner, „bevor man mich gehen lässt.“ Medizinische und anthropologische Studien und Ausgrabungen betreibt er weiter. Mit 80 wird er zum Ehrenbürger von gleich vier Gemeinden: Meran, Ober- und Untermais und von Laas. Er erhält den „Orden der eisernen Krone dritten Grades“. Hausmann sieht in seiner Hommage zu Tappeiners  90. Geburtstag  einen Zusammenhang zwischen Ordensverleihung und jener Tappeiner unsterblich  machenden Promenade - den Tappeinerweg. Hausmann schreibt nämlich: „...und zum Danke dafür erbaute er den nach ihm benannten und von der Stadt Meran mit seiner Büste gekrönten Tappeinerweg, eine in Windungen am Küchlberg auf kunstvollen Viadukten emporklimmende Promenade, deren kühner und trotzdem leicht zu begehender Anstieg, die Krone der Meraner Anlagen, ein kostspieliges Werk ist.
Tappeiner hat für den Bau des Tappeinerweges unglaubliche Geldsummen gestiftet. Bei der Eröffnung war er nicht dabei.
Tappeiner dürfte rasch erkannt haben, dass nach der Entdeckung des Tuberkulose-Erregers durch Robert Koch und die sich dadurch anbahnenden Therapien Meran als Lungenkurort keine Perspektive hat. Neue Therapien, neue Moden in der Therapie oder weiter gefasste Vorstellungen eines Kurortes, eines Luftkurortes brachte die sich in Europas Oberschicht ausbreitende „Terrain-Kur“. Eine willkommene Ergänzung zu zur Meraner Milch-, Molke- und Traubenkur, zu Kaltwasserheilanstalten. Der Tappeinerweg - von der Gilf bis zum Abgang bei Schlehdorf - ergänzte  und bereicherte diese „Terrain-Kur“ vortrefflich. 1929 wurde der Tappeinerweg bis nach Gratsch fertiggestellt und in „Passeggiata Principessa di Piemonte“ umbenannt.
Tappeiner stirbt am 19. August 1902.

Auch im Vinschgau hinterlässt Tappeiner bleibende Spuren. Den fünf Söhnen seines Bruders kauft Tappeiner jeweils einen Hof. Diese Höfe werden Lorezthöfe genannt und durchnummeriert. In Schlanders gibt es zwei davon, in Göflan, in Laas und in Eyrs jeweils einen. Der heutige Besitzer des „Loretzhof IV“ in Schlanders, Rudi Tappeiner weiß von Erzählungen, dass Dr. Franz Tappeiner einmal im Jahr den Ältestenrat der Loretzhöfe einberufen hat. Die Bauern kamen zusammen und berichteten vom Wirtschaften, von Problemen, von Erfolgen auf ihren Höfen. Tappeiner war darauf bedacht, dass die Höfe wirtschaftlich gut vorankamen und erfolgreich arbeiten. Eine Klausel regelte, dass eine Enterbung mit Einsetzen eines weichenden Erben bei Misserfolg durchaus möglich war. Den Laaser Musikanten der Laaser Musikkapelle spendiert er nach einem verheerenden Dorfbrand eine neue Tracht.
Bei der Eröffnung der Tagung zum 200. Geburtstag wurde daran im Pavillon des Fleurs erinnert. Die Böhmische der Laaser Musikkapelle begleitete den Abend musikalisch, gekleidet im ärmellosen Sarner. Nur Armin Schönthaler trug die Tracht der Musikkapelle Laas. Neben dem Meraner BM Paul Rösch und der Landesrätin Martha Stocker brachte der Laaser BM Andreas Tappeiner („Alle Tappeinerlinien führen zusammen.“) Grußworte aus der Heimatgemeinde von Dr. Franz Tappeiner.
Die Vorträge dieser Tagung sollen im Sommer 2016 als Buch erscheinen.

 

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