Dienstag, 30 September 2014 00:00

Japan - Kindergarten - Pädagogik über Grenzen

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s20 japanVinschgau/Japan - Die Kontakte über Grenzen sind etwas Spezielles für den Kindergartensprengel Schlanders. Seit vielen Jahren pflegt Direktorin Marianne Bauer mit ihren Mitarbeiterinnen den Austausch zu Fachakademien in Deutschland und Österreich, insbesondere zur Fachakademie Hartberg in der Steiermark, und zu den Fachakademien Eichstätt und Mühldorf in Bayern.


Vor zwei Jahren gab  es im Kindergartensprengel Schlanders ein Treffen zwischen der Schulleiterin der Fachakademie Mühldorf Marianne Glück und einer japanischen Abordnung, bei der die Direktorinnen nach Japan eingeladen wurden. Heuer im April reisten sie, sowie die Vizedirektorin, eine Projektbegleiterin und die Sekretärin des Sprengels 10 Tage nach Japan.
Von den Reiseerfahrungen berichtet Frau Direktor Marianne Bauer im Interview mit dem Vinschgerwind.

Vinschgerwind: Japan – wohin genau führte Sie die Reise?
Marianne Bauer: Die Reise führte uns nach Fukuoka, Präfektur Kyushu. Von dieser 1,5 Millionenstadt aus erlebten wir Japan mit seinen vielen Sehenswürdigkeiten, den Burgen, Tempelanlagen, Porzellanmanufakturen und den zauberhaft gestalteten Gärten. Begleitet wurden wir von Professorin Miho Funakoshi.  

Hat der Kindergarten in Japan Tradition?
Im Jahre 1876 wurde in Tokio der erste staatliche Kindergarten nach dem Vorbild der Fröbel-Kindergärten in Deutschland errichtet. Die erste Erzieherin war die Deutsche Klara Matsunos. Sie war in Deutschland Schülerin von Friedrich Fröbel. 10 Jahre später gründeten Missionare die ersten christlichen Kindergärten. Öffentliche Kindertageseinrichtungen gibt es erst seit dem Jahr 1919.

Wie sind die Kindergärten in Japan organisiert?
Auch in Japan ist die Kindergartenlandschaft sehr bunt. Das, was wir gesehen haben ist nur ein kleiner Ausschnitt dieser Vielfalt. Wir waren in zwei Kindergärten und in zwei Kindertageseinrichtungen. Es gibt private und staatliche Vorschuleinrichtungen.

Wie sind die Räumlichkeiten gestaltet?
Die Einfachheit in den Einrichtungen, das Mobiliar (vorwiegend aus Holz), der fließende Übergang der Räume von drinnen nach draußen, hat uns sehr gut gefallen. In jeder Einrichtung fanden wir Terrarien, Aquarien u. ä. mit Schildkröten, Fischen, die uns die Kinder mit Stolz und Freude zeigten. Das Raumangebot ist sehr großzügig und einladend gestaltet. In jeder Gruppe gibt es ein Klavier, es ist der „unverzichtbare Miterzieher im japanischen Kindergarten“.

Wie lernen japanische Kinder im Kindergarten?
Die pädagogischen Angebote finden in altershomogenen Gruppen statt. Tägliche Angebote sind das Singen, das Geschichten Erzählen - insbesondere durch das Kamishibai (japanisches Papiertheater) und die Rhythmik. Wir staunten über die feinmotorische Geschicklichkeit der Kinder. Schon Dreijährige falten mit Geschick und in für uns nicht nachvollziehbarer Geschwindigkeit aus Zeitungspapier verschiedenste Dinge (Flugzeuge, Schmetterlinge, Nelken, Samuraigürtel, . . .)

Bewegen sich die Kinder im Freien?
Wir sahen großzügig angelegte Außenspielbereiche. Die Kinder konnten jederzeit in den Garten gehen, im weitläufigen Gelände frei spielen, mit Sand und Wasser „matschen“, auf kleine Hügel klettern, Rad-, bzw. Einrad fahren oder im Gemüsebeet arbeiten. Aufgefallen ist uns, dass die Kinder durchwegs barfuß waren und dass es im Außenspielbereich kaum Geräte gibt.

Welche Ausbildung absolvieren die pädagogischen Fachkräfte in Japan?
Vorschullehrerinnen und Vorschullehrer sowie Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer absolvieren ein vierjähriges Studium an einer Pädagogischen Fakultät und schließen mit dem sogenannten Speziallehrerdiplom (Magister) ab. Die zuständige Behörde für Kindergarten und Schule ist das Ministerium für Bildung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie. Für die Kindertageseinrichtungen ist das Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Wohlfahrt zuständig.

Konnten Sie den Südtiroler Kindergarten vorstellen?
Ja. An der Fukuoka University of Education hatten wir die Möglichkeit, den japanischen Studentinnen und Studenten das Bildungswesen in Südtirol vorzustellen und Einblicke in unsere Bildungsarbeit zu geben.

Wenn wir an asiatische Kindererziehung denken, fällt uns die in den Medien gezeigte (Über-)Förderung ein, die Kinder bereits vor der Geburt erfahren sollen. Haben Sie dies auch beobachtet?
In den Einrichtungen, in denen  wir hospitiert haben, haben wir das Gegenteil wahrgenommen. Das Freispiel nimmt einen großen Teil des Tagesablaufes ein und die gezielten Angebote waren auf die Interessen und Bedürfnisse der Kinder abgestimmt. Und wir haben einen sehr achtsamen Umgang wahrgenommen.

Was ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Die Freundlichkeit und Achtsamkeit der pädagogischen Fachkräfte, ihre positve Arbeitshaltung, die Gärten, die Teezeremonien und der Aufenthalt an der Fukuoka University of Education. Ein Erlebnis der besonderen Art war der Empfang durch den Präsidenten dieser Universität Herrn Professor Shinichi Terao, sowie die Einführung in die traditionsreiche japanische Kalligraphie und Ikebana-Kunst. Es war eine wunderschöne Reise, mit unvergesslichen Begegnungen, nachhaltigen Erlebnissen und Erfahrungen, die erneut erkennen ließen, dass Kinder mit ihren Bedürfnissen überall gleich sind, ob hier oder dort, sofern man sie „Kind-sein“ lässt: voller Spiel- und Entdeckerfreude, neugierig, spontan, und wissbegierig.
Interview: Brigitte Alber

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