Dienstag, 26 Juni 2018 09:26

Nationalpark Stilfserjoch - 1918-2018 Hundert Jahre Ende des Ersten Weltkrieges

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DSC 0234Wolfgang Platter am Tag des Hlg. Johannes des Täufers, Kirchenpatron in Laas

Im heurigen Jahr jährt sich das Ende des Ersten Weltkrieges zum hundertsten Mal. Viele Gedenkveranstaltungen finden statt. Die Schützen von Tschengls und der Nachbarorte gedachten am 8. Juni in einer Gedächtnismesse mit anschließendem Totengedenken am Kriegerdenkmal im Friedhof von Tschengls der Gefallenen.

Anschließend hielt Dr. Herbert Raffeiner einen fundierten und gut dokumentierten Vortrag über das Ende des Ersten Weltkrieges und seine fatalen Folgen vor allem auch für die Wohnbevölkerung in seinem Heimatort Tschengls und im ländlichen Vinschgauer Raum. Einige interessante Aussagen und Angaben aus dem Vortrag möchte ich zusammenfassend zitieren: Krieg verloren, in dessen Folge Vaterland verloren, den Kaiser verloren, einen König gewonnen, der eine andere Sprache spricht und mit dem man nichts anzufangen wusste. Die nächsten Diktaturen in Sicht, in der extremen Not eine neue DSC 0276DSC 0285DSC 0275Währung bekommen und die für den österreichischen Kaiser gezeichneten Kriegsanleihen als wertlos verloren. Das „gemeine“ Volk war diesen Entwicklungen chancenlos ausgesetzt. Von Tschengls mussten 70 Männer und Jungmänner in den Krieg gehen, 20 sind gefallen. Die Kriegstoten im Ersten Weltkrieg waren insgesamt 10 Millionen, im Zweiten Weltkrieg starben 50 Millionen Menschen.

Die Ortler-Front
Im Ersten Weltkrieg galt die Front am Stilfserjoch als ruhige Front. Durch die um 1.000 Meter höheren Berge gab es an der Ortler-Front durch direkte Kriegshandlungen bedeutend weniger Tote als an der Dolomitenfront. Kälte, Lawinen, Krankheit und Auszehrung forderten den größeren Tribut. Der Kommandeur der österreichisch ungarischen Truppen an der Ortler-Front war in der zweiten Kriegshälfte der Generalmajor Moritz Erwin von Lempruch(1871-1946). Er stammte aus niederem österreichischen Adel und war studierter Techniker. Er hat die Telegraphie als schnelle Verbindung zwischen Hinterland und Front installiert und Seilbahnen zur Versorgung der Truppe an der Frontlinie gebaut. Seine reflektierte Entscheidung, gegen das absehbare Ende des Krieges hin die anbefohlenen Angriffe auf die italienischen Täler Rabbi, Valfurva und Veltlin nicht durchzuführen, entsprach eigentlich einer Befehlsverweigerung, hat aber Hunderte bis DSC 0267Tausende Soldatenleben DSC 0215gerettet. Das Garnisonskommando war in Prad eingerichtet. Die Nachbardörfer haben unter der Truppeneinquartierung schwer gelitten. In Tschengls, aber auch in Eyrs und in Laas waren mehrere Regimenter mit je 150-250 Mann untergebracht. Die Soldaten campierten in den Städeln und haben ob ihrer schlechten Versorgungslage die Dorfbewohner um Lebensmittel erpresst, sonst würden sie die Scheunen anzünden.
Nach dem Zusammenbruch sind in Tschengls am 4. November 1918 um viertel vor drei Uhr nachmittags die italienischen Alpini eingezogen und haben die Kontrolle über das Dorf übernommen. Mit Unterbrechungen aus Angst vor der Spanischen Grippe sind die Alpini bis Ende Februar 1919 in Tschengls geblieben.
Vor dem Ersten Weltkrieg zählte die österreichisch ungarische Monarchie 70 Millionen Einwohner, nach dem Krieg hatte Deutsch Österreich 7 Millionen Bewohner.

Die Dolomiten-Front und der Karnische Friedensweg
Von der Ortler-Front wissen wir Vinschger aus Erzählungen und aus der Literatur wahrscheinlich mehr als über die Dolomiten-Front. Mit einigen Freunden bin ich Mitte Juni d.J. eine Tagesetappe der vormaligen Dolomiten-Front abgegangen. Die Frontlinie ist heute als Karnischer Friedensweg als Mahnmal gegen den Krieg instandgehalten. Ausgehend von Obertilliach im Osttiroler Lesachtal haben wir DSC 0294DSC 0289das Tilliacher Joch im Dorfertal (italienisch Forcella Dignas) auf 2.094 m MH erstiegen. Hier verläuft am Bergkamm die Staatsgrenze zwischen Österreich und Italien. Südlich des Grenzkammes liegen im Tal des Piave die Ortschaften S. Stefano di Cadore und Bladen (Sappada). Von der italienischen Seite wurden im Ersten Weltkrieg auch Dorf und Kirche von Obertilliach beschossen, aber nicht getroffen, weshalb die Obertilliacher 1916 ein Herz-Jesu-Gelöbnis schworen und bis heute in Form einer Bittprozession einhalten.
Den Talschluss des Dorfertales bildet die Porze. Dieser Berg steht historisch auch für den Kampf um die Selbstbestimmung Südtirols: Durch das Dorfertal bei Obertilliach führt die Überlandstromleitung über die Porze-Scharte in das Veneto, von der am 25. Juni 1967 ein Strommasten gesprengt worden ist. Dabei kamen vier Carabinieri um ihr Leben. Die Geschichtsforschung  und -schreibung ist uneins, ob die Sprengung ein Terroranschlag der BAS (Befreiungsaktion Südtirol) oder eine Aktion und Falle des italienischen Geheimdienstes war.
Als Naturkundler zeige ich in Friedenszeiten, in denen wir gottlob leben, ein paar Bilder vom historischen Schauplatz und von der Pflanzendecke auf dolomitischen Untergrund am Tilliacher Joch zu Füßen der Porze (2.598 m) am Karnischen Kamm.

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