Dienstag, 20 Januar 2015 00:00

„Olle hobm kemmen kennt“

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s17 5204Ein halbes Jahr nach dem Ausbruch des I. Weltkrieges wurde Elisabeth Gerstl Reinalter als Staatsbürgerin der k & k Monarchie unter Kaiser Franz Josef geboren. Kürzlich feierte sie in Glurns ihren 100. Geburtstag und freute sich über zahlreiche Gratulanten.

von Magdalena Dietl Sapelza

Trinkst du Kranebitt und Bibernell, wirst du alt und stirbst nit schnell.“  Mit diesem Spruch antwortet Frau Lisa auf die Frage nach dem Rezept für ihr langes Leben.

Man müsse Kranebitt Beeren mit Bibernelle im Schnaps ansetzen, vierzehn Tage in der Sonne stehen lassen und dann abseihen. Ein Gläschen davon wirke gegen Schlaganfall und vieles mehr. Jeden Nachmittag genießt Lisa ein Glas Wein. „Obr Tompf hon i nia oan kopp“, bekräftigt sie. Lisa liebt das „Schiaberdjassn“ und das „Steigern“. Dabei  kämpft sie beherzt um Punkte. Beim Zählen entgeht ihr nichts.
 Lisa kam als zweites Kind auf dem Gerstlhof oberhalb von Burgeis auf die Welt. An ihren Vater hat Lisa nur verschwommene Erinnerungen. Denn er starb als sie zwei Jahre alt war. Ihre jüngere Schwester kam sechs Monate nach seinem Tod auf die Welt. Die Mutter heiratete ein zweites Mal und schenkte noch vier Kindern das Leben. Lisa musste von klein auf anpacken. Bereits mit neun Jahren mähte sie Wiesen und rupfte stundenlang Gras aus den Waalen. „Olz wos miar instond sein gweesn, hobmer orbatn gmiaßt“, sagt sie. Die Schule besuchte sie zuerst in Prämajur und dann in Burgeis. Sie fiel als gute Schülerin auf mit besonderen Fähigkeiten im Rechnen. 1924 wurde nur noch in Italienisch unterrichtet. Die Faschisten hatten die Macht übernommen. „Selm ischas nit kluag zuagongan“, meint sie. Die Milchmenge vom Gerstlhof sei in der Sennerei zuerst penibel notiert und dann in größeren Mengen einfach mitgenommen worden. „S Gelt hattn miar heint nou guat“, ärgert sie sich. Nach Schulabschluss besuchte Lisa zuerst den Nähunterricht bei den Klosterfrauen in Mals, dann arbeitete sie als Kellnerin im Gasthof Krone - für 70 Lire im Monat. Mancher Gast ließ seine Zeche anschreiben und beglich sie nie. Bei der Abrechnung musste Lisa den Fehlbetrag aus der eigenen Tasche bezahlen. Regelmäßig half sie ihrer Tante in Glurns, die dort mit ihrem Mann eine Landwirtschaft führte. Das Paar war alt und hatte keine Kinder. Die Tante wollte, dass Lisa zu ihr nach Glurns zieht und ließ nicht locker. „Amol hot si miar sogor nuie Schuah brocht“, erzählt Lisa. 1932 brannte es im Hof der Tante. Darufhin zog Lisa zu ihr. „Ohne miar warn di zwoa oltn Leitlan drhungert“, erklärt Lisa. „Wenn i kemman bin, hot sie 45.000 Lire Schuldn kopp.  A Kuah hot selm 1.000 Lire koschtet“. Der Tante zuliebe optierte Lisa nicht für Deutschland. 1941 heiratete sie Adolf Reinalter. Er war Sattler und verdiente etwas Geld mit der Anfertigung von Schellenriemen und Pferdegeschirre. Unterstützt von ihrem Mann stotterte sie die Schulden innerhalb von 15 Jahren ab. Regelmäßig verkaufte sie Eier. „Dies isch hort wirtschoftn gweesn“, betont sie. Bei der Stallarbeit war sie oft auf sich allein gestellt.  Denn ihr  Mann blieb beim „Parloggn“ gerne länger im Gasthaus sitzen. Neben ihren sieben Kindern betreute Lisa mehrere Pflegekinder, aus dem Kinderdorf und dem Liebeswerk. Auch Bettlern öffnete sie die Tür. „Olle hobm pa miar kemman kennt“, sagt sie. Zu den schlimmsten Tagen in ihren Leben zählen jene, als zwei ihrer Kleinen mit Diphterie im Bett lagen und ums Überleben kämpften. Zwei Glurnser Kinder waren bereits im Krankenhaus gestorben. „Mit Murmentaöl hon i di meinige derrettet“, verrät sie. Ihr Mann starb im Alter 1970 im Alter von 66 Jahren, und sie kümmerte sich allein, unterstützt von den Kindern, um den Hof.  Von einem  Urlaub konnte Lisa nur träumen, und das Meer hat sie noch nie gesehen. Als ihr eine Freundin die Fahrt nach Rom bezahlen wollte, lehnte sie ab. „Dass sie zohlt, hat i nit hoobm kennt, i hat koa Freid kopp“, erklärt sie. Heute lebt sie zurückgezogen betreut von ihren Kindern und einer  Zugehfrau. Sie freut sich über jeden Besuch. Besonders viele Gratulanten kamen zu ihrem Ehrentag. „I hon a morts Freid kopp, bin obr decht froah gweesn, wenn dr Obat kemman isch“, bekennt sie. Am Ende des bewegenden Tages vergönnte sie sich noch ein Schnapsl mit Kranebitt und Bibernelle. 


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