Dienstag, 03 September 2013 12:00

Der Bauer, der übersetzt

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s22 zwilligneEtwa einmal monatlich fliegt der Malser Markus Hafner nach Brüssel. Er ist Übersetzer für den italienischen Vertreter im EMB (Europeen Milk Board). Dies nebenberuflich. Zu Hause führt er einen landwirtschaftlichen Viehzuchtbetrieb, ist Ex-Gemeinderat und Fußballfan. Im oberen Vinschgau ist die Entwicklung der Landwirtschaft derzeit eine große Herausforderung. Was sagt der Übersetzer dazu, der in Brüssel für einen fairen Milchpreis und für das Überleben der Milchbauern kämpft? (ba)


Vinschgerwind: Seit einigen Jahren sind Sie als Übersetzer im EMB in Brüssel tätig. Was genau machen Sie?


Markus Hafner: Das EMB ist die europäische Dachvereinigung von Milchproduzenten aus 17 EU – Ländern und der Schweiz mit Sitz in Brüssel. Wir vertreten ca. 100.000 europäische Milchbauern mit steigender Tendenz. Ich selbst würde mich als „Kofferträger“ von Roberto Cavalliere bezeichnen; er ist der italienische Vertreter im EMB – Vorstand. Meine Hauptaufgabe ist die Simultanübersetzung von Deutsch – Englisch ins Italienische.

Kommt Herr Cavalliere selbst aus einer Bauernfamilie?
Ja. Roberto Cavalliere führt gemeinsam mit seinen Brüdern am Gardasee einen Milchviehbetrieb mit über 100 Kühen in Laktation. Die gesamte Milch wird in der hofeigenen Käserei zu italienischen Käsespezialitäten verarbeitet. Zudem werden mit einem Teil der Milch 60 Eissorten hergestellt; als erste Agrigelateria in Italien wurde bekannt. Ein Nischenprodukt sind die speziellen Weine, die wie die anderen Produkte auch im Hofladen verkauft  werden. Seit neuestem gibt es eine Agrarpizzeria.

Welche Interessen der Milchbauern vertritt das EMB?
Wir kämpfen für ein Überleben der gesamten europäischen Milchproduzenten, und für einen gerechten, kostendeckenden Milchpreis. Oft fühlen wir uns wie Don Quichotte. Wir (EMB) gegen die Weltkonzerne: Nestle`, Lactalis, Arlafood, Friesland-Campina …. Und dann das politische Barkett zwischen Trilog (Kommission, EU-Parlament , Minister) und die verschiedenen politischen Parteien.

Erklären Sie das genauer.
• Bei den Schwarzen weiß man ja inzwischen  ganz genau, wo „diese“ stehen. (Verfechter der Liberalisierung)
• Bei den Sozial-Demokraten hat man das Gefühl, dass diese hinter dem „Kleinen Mann“ sind, aber bei den Abstimmungen fallen diese um und stimmen für die Industrie.
• Und dann sind da noch in Brüssel die Grünen. In Brüssel sind das die echten Bauern, wie der Häusling, die Lichtenberger, der Bouve`, aber in der Agrarkommission sind diese in der Minderheit.
• Ein besonderer Fall sind die italienischen Legisti. Zudem arbeiten wir stark mit dem Agrarkommissar Ciolos zusammen und mit Paolo De Castro, der italienischer Vorsitzender der Agrarkommission ist.  
• Ich durfte viel durch Europa tingeln und brauchte sehr lange, bis ich die komplizierten Zusammenhänge einigermaßen verstehen konnte. Die größte Enttäuschung ist für mich die Copa-Cogeca  (Dachorganisation des Europäischen Bauernverbandes). Ihr einziges Schlagwort lautet: „Wettbewerbsfähig“! Jetzt bist du als Südtiroler Milchproduzent mit diesem Schlagwort konfrontiert: Wettbewerbsfähig – wofür?
a)  Weltmarkt ca. 25-30 Cent pro  Liter Milch
b) Europamarkt 32-37 Cent
c) für den italienischen Markt 40 Cent.
Und wir vom EMB sind gerade dabei, die Produktionskosten pro Liter Milch von jedem Mitgliedsland zu erheben und da kommt Erstaunliches zutage: In Deutschland,  das angeblich Weltmeister in der Milchproduktion ist, sind die Produktionskosten im Norden 43 Cent, im Osten erstaunliche 46 Cent und im Süden 51 Cent.

Und glauben Sie, wir in Südtirol können besser produzieren? Und wenn Sie die Landesbeiträge hineinrechnen?
Die sind lächerlich! Z.B. wir bekommen keine 5000 € Beitrag für unseren Betrieb, alle Beiträge zusammen.

Sind Sie mit der Landwirtschaftspolitik im Bereich Milchwirtschaft in Südtirol, in Europa zufrieden?
Ein ganz klares Nein! Auf Anhieb, wenn man den Milchauszahlungspreis der Südtiroler Milchhöfe sieht, glaubt man, Friede, Freude, Eierkuchen, … aber wenn man tiefer geht, kommt Folgendes zutage:
a) Vor 20 Jahren war der Milchpreis bei 900 Lire.
b) Heute bei 50 Cent.
Vergleicht man die Produktion von damals und heute im Jahr 2013, dann müssten wir alle zusperren.

Landwirtschaft im oberen Vinschgau – große Herausforderung. Sie haben sich noch nie  öffentlich in der Thematik geäußert …
Das stimmt und das werde ich auch nicht tun! Über die Entwicklung von Obst und Beerenbau im oberen Vinschgau wurde „alles“ von allen Seiten schon gesagt und geschrieben: Ich möchte nur 2 Dinge ansprechen, die uns alle betreffen:
1. Die Arbeits- und Produktionskosten ufern auf unseren Höfen aus, der Milchpreis ist seit über 20 Jahren der gleiche, obwohl der Konsument im Regal viel mehr bezahlt! Nun stelle ich Ihnen die Frage, wer wohl an dieser Misere verdient? Meine Antwort lautet: Weder der Bauer (Milchproduzent) noch der Konsument. Es sind die Konzerne!
2. Und nun zu uns Vinschgern mit ca. 22 Almen: Diese wurden vorbildlich restauriert, mit Leader-, Landes-  und Europageldern. Wir haben gutes  bis sehr gut ausgebildetes Almpersonal. Die  Symbiose Viehwirtschaft Tourismus scheint zu funktionieren, und morgen haben wir keine Kühe mehr, die Almen und Hochweiden zu beschlagen.

Ihr Traum? Ihre Vision?
Als junger Mensch hatte ich den Traum, ein guter Braunviehzüchter zu werden. Mit Hilfe meiner Familie war ich einmal ein guter Braunviehzüchter. Seit ich in Brüssel bin, träume ich nicht mehr. Dass ich aber immer noch weiter kämpfe, dass ich mit Menschen wie Romuald Schaber, Sieta van Kampima und Roberto Cavalliere oder in Südtirol mit einem Adalbert  Braunhofer  oder mit dem Peter Moriggl in Kontakt sein darf: Diese Personen sind die Idealisten der Milchwirtschaft. Wir alle wollen einen gerechten Milchpreis erzielen.


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